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Der kleine Adler erklärt uns zwar nicht die ganze Welt, aber über die Arbeit des Parlaments weiß er eine ganze Menge. Seit der letzten Bundestagswahl flattert der virtuelle Berater über die Internetseiten des Deutschen Bundestages und gibt auf viele Fragen eine Antwort. Das Beste daran ist: Er lernt dazu. Blickpunkt Bundestag hat ihn besucht.
Wer ist die jüngste Abgeordnete im Parlament, was ist ein Überhangmandat, und wer darf eigentlich wählen gehen? Seit kurzem beantwortet ein virtueller Berater auf www.bundestag.de, dem Internetportal des Deutschen Bundestages, Tag und Nacht Fragen rund ums Parlament. Geduldig, knapp und manchmal überraschend hilft der interaktive Agent weiter, auch wenn einem der eine oder andere Fachbegriff mal gerade nicht einfällt.
Bereits bei seiner Premiere in den Wochen vor der Bundestagswahl 2005 konnte der Adler über 1.200 Fragen beantworten, heute sind es mehr als 1.700. Er lernt weiter fleißig dazu und kann mittlerweile auch über solche Fragen zum Bundestag Auskunft geben, die nicht unmittelbar die Wahl betreffen. Er wird immer besser. „Denn der Adler wird täglich mit Fragen und Antworten gefüttert“, erklärt Hans-Peter Neumann aus der Bundestagsverwaltung.
Der kleine Adler ist ein Avatar – eine figürliche Darstellung, die auf Internetseiten Fragen selbstständig beantworten kann und die Nutzer durch das System lotst. Das Wort Avatar hat indogermanische Wurzeln und heißt so viel wie Herabkunft, was auf den Bundestagsadler besonders schön zutrifft. Denn als virtueller Berater steigt er von nun an herab von der Wand im Plenarsaal und erklärt dem Internetbesucher die Arbeit des Parlaments.
Er steht da, schlägt mit den Flügeln, zuckt die Schultern, dreht Däumchen und hüpft freudig herum, wenn er einem helfen kann. Man muss eine Frage in das Eingabefeld eingeben, dann auf den Schalter „Frage absenden“ klicken, und schon antwortet er – und das sekundenschnell. Allerdings nur auf Deutsch. „Ich spreche die Amtssprache und das ist Deutsch“, sagt er. Um Fremdsprachen zu lernen, fehlt ihm bei so vielen Fragen die Zeit. Dafür antwortet er barrierefrei, und man kann sich die Antworten des Adlers auch vorlesen lassen.
Ebenso gut lässt sich mit dem virtuellen Adler ein gepflegter Smalltalk halten, seine Umgangsformen genügen höchsten Ansprüchen. BLICKPUNKT BUNDESTAG wollte natürlich einmal wissen, wie solch ein Gespräch mit dem Adler abläuft. Wir machen uns zunächst bekannt und sagen „Hallo“.
Blickpunkt: Wie heißt du?
Adler: Ich habe noch keinen Namen.
Blickpunkt: Wer bist du dann?
Adler: Ich bin der virtuelle Adler. Ich berate Sie gern zum Thema Bundestag!
Blickpunkt: Wie geht es dir?
Adler: Mir geht es sehr gut. Danke für die Nachfrage. Ich hoffe, es geht Ihnen auch gut.
Blickpunkt: Du bist ein netter Vogel.
Adler: Ich bin ein Vertreter der Adler, aus der Familie der habichtartigen Greifvögel.
Blickpunkt: Kannst du fliegen?
Adler: Zum Fliegen komme ich wohl vorerst nicht.
Blickpunkt: Dann bist du eine fette Henne!
Adler: Man nannte mich früher „Fette Henne“, aber seit dem Umzug nach Berlin habe ich etwas abgenommen. Außerdem bin ich ein Adler.
Blickpunkt: Kennst du dich in der Politik aus?
Adler: Auf sensible politische Themen zu antworten, erlaubt mir mein staatstragendes Amt nicht. Aber vielleicht haben Sie eine andere Frage!
Blickpunkt: Gut, dann erkläre mir, wie mann wählt.
Adler: Wie kommen Sie jetzt auf das Thema Männer?
Blickpunkt: Entschuldige, vertippt.
Adler: Macht nichts. Kann jedem mal passieren.
Blickpunkt: Dann erkläre mir, warum ich wählen sollte.
Adler: Ohne Wahlen gibt es keine Demokratie. Durch Wahlen legitimieren die Wähler bestimmte Personen zur Ausübung von politischen Funktionen. Demokratie muss auch funktionieren – im Ideal heißt das: Zwei große Parteien konkurrieren um die Macht und wechseln sich immer wieder in der Regierungsverantwortung ab. Die Opposition muss immer die Chance haben, durch Wahlen an die Macht zu kommen.
Blickpunkt: Aber hallo.
Adler: Eine sehr intelligente Eingabe, können Sie das auch auf den Punkt bringen?
Blickpunkt: Danke, nein.
Antwort: Bitte!
Blickpunkt: Hast du immer das letzte Wort?
Adler: Der alte Spruch „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ gilt für mich eben nicht.
Wir fragten den Adler noch nach Wahlkreisen, Erst- und Zweitstimmen oder der Sitzverteilung in der neuen Wahlperiode – und erhielten prompt eine Auskunft. Nur zu seinem Zuhause, dem Plenarsaal, konnte der virtuelle Bundestagsadler nichts sagen: „Für Plenarsaal fällt mir im Moment leider keine Erklärung ein.“ Dabei blickt er dort doch täglich mit ernster Miene auf die Abgeordneten.
Nicht schlimm: Weil der Adler noch lernt, versteht er manchmal eine Frage nicht sofort. Dann sollte man sie anders formulieren. Und wenn er wirklich nicht mehr weiter weiß, ruft er die Bundestagsmitarbeiter zu Hilfe: „Ich fürchte, ich bin mit meinem Latein am Ende. Ich möchte Sie an dieser Stelle lieber auf meine realen Kollegen verweisen. Schreiben Sie uns …“
Seine Antworten sind immer präzise und informativ. Manchmal fallen sie wohl etwas staatstragend aus. Dann greift er in die Schublade und zieht offizielle Dokumente heran, um ganz korrekt zu antworten. Es geht aber auch kurz und knapp. Auf die Frage, wer das jüngste Mitglied des Bundestages ist, rechnet er kurz nach und antwortet: „Anna Lührmann mit 22 Jahren“.
Doch warum hat der Adler keinen Namen? „Keine Sorge“, sagt Hans-Peter Neumann. „Der Adler soll einen Namen bekommen. Im Januar wird das Internetangebot des Bundestages zehn Jahre alt. Und dann soll auch ein Name für den armen Adler über das Internet gesucht werden.“
Damit blieb dann zunächst eigentlich nur noch eine Frage offen. Eine echte Herausforderung, auch für den virtuellen Adler des Deutschen Bundestages.
Blickpunkt: Kennst du die Antwort auf alle Fragen? Auf das Leben, das Universum und den ganzen Rest?
Adler: Hihi ... Der Informatikertest, aber darauf falle ich nicht rein ... Die Antwort auf die allumfassende Frage ist ... 42.
Blickpunkt: Was ist 42?
Adler: In „Per Anhalter durch die Galaxis“ ist 42 die Antwort auf alle Fragen.
Ein wirklich außergewöhnlicher Vogel, klug und belesen. Er kennt sogar den kürzlich neu verfilmten Roman des britischen Schriftstellers Douglas Adams. Dort hatte der Supercomputer Deep Thought nämlich siebeneinhalb Millionen Jahre über diese Frage nachgedacht und überraschte mit dem Ergebnis 42. Da ist unser Adler aber um einiges schneller.
Text: Georgia Rauer
Foto: Deutscher Bundestag
Erschienen am 20. Dezember 2005