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Der Politikwissenschaftler Prof. Josef Klein über Regierungskontrolle, Fraktionsdisziplin und den Wettbewerb der Opposition
Blickpunkt Bundestag: Können die Oppositionsfraktionen trotz unterschiedlicher Politikansätze und zahlenmäßiger Unterlegenheit eine wirksame Kontrolle der Regierung gewährleisten?
Josef Klein: Die Oppositionsfraktionen sind durchaus politisch markante Größen. Ob sie auch als solche wahrgenommen werden, hängt vor allem von der Qualität der Politik der Regierung ab. Die Oppositionsfraktionen treten in diesem Wettbewerb jede für sich an. Allerdings besteht die Gefahr, sich gegenseitig zu neutralisieren. Deshalb sollten sie sich nicht scheuen, auch koordiniert vorzugehen, wenn sich das anbietet. Für alle miteinander kommt es darauf an, eine eingängige Sprache zu finden. Wer am glaubwürdigsten den Dialog mit den Wählern praktiziert, wer seine Politik am besten erklären kann, der dürfte die besten Chancen haben, und zwar bei Wählern und Medien.
Blickpunkt: Gilt die Feststellung weiterhin, dass eine Große Koalition die Ränder stärkt?
Klein: Eine Große Koalition wird nur dann die politischen Randgruppen stark machen, wenn sich in der Öffentlichkeit der Eindruck verbreitet, die Regierung schaffe es nicht oder sei zerstritten. Wenn die Opposition wie die SPD zu Zeiten der Außerparlamentarischen Opposition mit nahestehenden Gruppen ein dialogisches Verhältnis entwickelt, dann kann sie durchaus integrative Kraft entwickeln.
Blickpunkt: Könnten sich innerhalb der Regierungsfraktionen Sachoppositionen zur Regierungspolitik bilden? Wird die Fraktionsdisziplin schwinden?
Klein: Die Rolle der großen Fraktionen wird sich im Verhältnis zueinander ändern. Sie stellen die gemeinsame Regierung, sind aber die Hauptkonkurrenten im Kampf um Wähler. Sie müssen gemeinsam rudern, aber am Ende will jeder die Nase vorn haben. Das heißt: möglichst viel Gemeinsamkeit, aber gleichzeitig Schärfung des eigenen Profils. Aus kommunikationspsychologischer Sicht ist der Nachweis von Kompromissfähigkeit zwar das Wichtigste. Dennoch müssen auch eigene Konzepte sichtbar gemacht werden, allerdings ohne das bisherige Ritual der Konkurrentenverteufelung. Wenn das gelingt, könnte der Bedarf an interner Sachopposition gering sein. Im Übrigen ist die Bedeutung der Fraktionsdisziplin bei überwältigender Koalitionsmehrheit nicht so groß. Die Fraktionsführung kann mit vereinzelten abweichenden Positionen in den eigenen Reihen durchaus leben.
Prof. Josef Klein lehrt Sprach- und Politikwissenschaft an der Uni Koblenz-Landau und der FU Berlin. Er war bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2005 Präsident der Universität Koblenz-Landau. Von 1972 bis 1976 war er Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU/CSU).