Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 21-22 / 17.05.2004
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Götz Hausding

Streit um Verantwortlichkeit für die Langzeitarbeitslosen

Die Union will kommunales Optionsgesetz generell überarbeiten
Von "Wortbruch" war die Rede, von "doppeltem Wortbruch" gar und auch von "Verzögerungstaktik". Die Diskussion über einen Antrag des Landes Hessen, der Bezug nimmt auf das Scheitern der Verhandlungen zu Hartz IV, und über das kommunale Optionsgesetz in der Sitzung des Bundesrates am 14. Mai war von scharfen Wortgefechten und persönlichen Angriffen geprägt.

Während die Ministerpräsidenten Roland Koch (Hessen, CDU) und Christian Wulff (Niedersachsen, CDU) dem Bundesfinanzminister Wolfgang Clement (SPD) vorwarfen, sein Wort gebrochen zu haben, konterte dieser mit dem Vorwurf der Verzögerungstaktik zu Ungunsten der sozial Schwachen.

Das kommunale Optionsgesetz sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2005 kommunale Stellen als Organe der Bundesagentur für Arbeit Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch II auf Antrag der kreisfreien Städte und Kreise wahrnehmen können. Die kommunalen Stellen sind dann im Rahmen der Organschaft an die Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit gebunden, Entscheidungen und Handlungen der kommunalen Stellen sollen der Bundesagentur zugerechnet werden. Bei der Zuweisung der Mittel an die Kommunen für aktive Eingliederungsleistungen, Personal und Verwaltungsleistungen sollen Anreize für einen möglichst sparsamen Mitteleinsatz gegeben werden. Die Zuweisung der Mittel soll in Form eines Budgets erfolgen.

Der Entschließungsantrag Hessens kritisiert vor allem, dass die im Vermittlungsverfahren zu Hartz IV getroffenen Vereinbarungen im Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht umgesetzt seien.

Im Vermittlungsausschuss, so Roland Koch, sei man nach "kurvenreichen Beratungen" Ende letzten Jahres in der Frage, wer die Betreuung von Langzeitarbeitslosen übernehmen solle, zu einem Kompromiss gekommen. Demnach sollten sich die Kommunen und die Bundesagentur für Arbeit die Aufgabe teilen. Von diesem Konsens sei jedoch im Gesetzentwurf der Bundesregierung nichts mehr zu spüren. Das Gesetz sehe eine Unterordnung der Kommunen unter die Organe der Bundesagentur vor - für Koch ein klarer Wortbruch. Vereinbart sei eine "Trägerschaft" der Kommunen, nicht eine "Organhilfe", sagte er.

Die Regierung sei offenbar inhaltlich nicht bereit, den gefundenen Kompromiss zu übernehmen. Der vorliegende Entwurf sehe keine Gestaltungsfreiheit für die Kommunen vor und sei deshalb nicht akzeptabel. Dennoch sei man seitens der Länder weiterhin gesprächsbereit, wenn die Bundesregierung zu den Verabredungen zurückkehre. Koch sprach sich für die Anrufung des Vermittlungsausschusses aus. Er regte an, die Einführung des so genannten Arbeitslosengeldes II zum 1. Januar 2005 zu verschieben, da man sich Zeit nehmen müsse, um zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen.

Auch Christian Wulff erinnerte an die Verhandlungen im letzten Jahr. Am 19. Dezember, morgens um 3.30 Uhr, habe man nach zähem Ringen einen Kompromiss gefunden, nämlich eine Optionsmöglichkeit für Kommunen, die Arbeitslosen- und Sozialhilfe selbst zu organisieren und dafür entsprechende Finanzmittel zu erhalten. Davon sei jedoch nicht mehr die Rede.

Die jetzige Regelung führe zu einem Fiasko bei der Vermittlung, zum Sozialabbau und einer Erschütterung des Vertrauens der Menschen. Erfahrungen aus anderen Ländern hätten gezeigt, dass örtliche Zuständigkeiten bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit entscheidend seien, erklärte Wulff. Der "Moloch" Bundesagentur für Arbeit sei schlichtweg überfordert, wenn er auch noch, wie nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe vorgesehen, die Sozialhilfeempfänger versorgen solle. Im Vermittlungsausschuss sei man bereit, auch durch eine eventuelle Grundgesetzänderung ein Ergebnis zu finden, in dem der Geist des 19. Dezember zum Ausdruck komme.

Das Land Schleswig Holstein unterstütze die Reformbemühungen der Bundesregierung, erklärte Landesfinanzminister Ralf Stegner (SPD). Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sei dabei ein wichtiger Schritt, der nicht an den unionsregierten Ländern scheitern dürfe. Die Maßnahmen von Hartz IV seien geschaffen worden, um Menschen zu helfen, die eine Arbeit haben wollten. Die Umsetzung sei aber nur möglich, wenn die Bundesanstalt für Arbeit und die Kommunen zusammenarbeiten würden. Die dabei auftretenden Probleme seien durchaus lösbar. Nicht jedoch, so Stegner an die Adresse von Ministerpräsident Koch, wenn sich eine Seite aus der gesellschaftlichen Verantwortung herausstehle und durch Aufrufe an die Kommunen, die Umsetzung der Vorlagen zu verweigern, auf dem Rücken der Ärmsten parteipolitisch motivierte Verzögerungen betreibe. Die Zeit dränge, daher müsse bis zur Sommerpause klar sein ob die Reformen ab dem 1. Januar greifen. Ansonsten müssten Übergangsregelungen geschaffen werden.

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) forderte volle Konzentration auf die Sache. Er sei weiterhin an gemeinsamem Handeln interessiert. An die Ministerpräsidenten Koch und Wulff gewandt sagte er, beleidigende Vorwürfe und ständiges Dramatisieren seien dabei allerdings wenig hilfreich. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe müsse zum 1. Januar 2005 kommen, auch wenn Koch offenbar nicht an einer zeitnahen Lösung interessiert sei. Das vorliegende Optionsgesetz sei im Übrigen sehr wohl das Ergebnis der Verabredungen aus dem letzten Dezember, auch wenn man von Seiten der unionsregierten Länder da anderer Ansicht sei.

Er könne sich erinnern, dass man sich auf eine Lösung ohne Grundgesetzänderung geeinigt habe, auch wenn nun anderes behauptet werde. Er werde sich, so Clement, auch weiterhin für eine Entlastung der Kommunen im Rahmen des Gesetzes einsetzen.

Es hätten auch mehr als die vorgesehenen 2,5 Milliarden Euro sein können, doch der Bundesrat habe eine höhere Entlastung "blockiert". Auch der Bundeswirtschaftsminister forderte Klarheit bis zur Sommerpause und stellte fest, dass in dieser Frage eine Verfassungsänderung "nicht in Sicht" und auch nicht nötig sei.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.