Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 21-22 / 17.05.2004
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Tobias Freudenberg

Stars werden für etwas Glamour in Straßburg sorgen

Schauspieler, Sportler und Models auf den Wahllisten

Bei vielen in Straßburg und Brüssel schwingt bis heute das Bedauern mit: Gina Lollobridgida hat es nicht geschafft. Bei der Europawahl vor fünf Jahren verpasste "Gina Nationale", die Grande Dame des italienischen Films, auf der Liste des späteren EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi nur ganz knapp den Einzug ins Europaparlament. Der EU-Volksvertretung hätte sie sicher zu erheblich mehr öffentlicher Aufmerksamkeit verholfen, als diese sonst im politischen Alltag erhält.

Andere Prominente aus Show und Sport haben dagegen in der Vergangenheit den Sprung in die europäische Politik nicht nur gewagt, sondern auch vollzogen. Nana Mouskouri war lange der wohl bekannteste Name: Zwischen 1994 und 1999 bemühte sich die griechische Sängerin in Straßburg für die Christdemokraten um eine effizientere Kulturpolitik - mit allerdings geringem Erfolg. Ihr folgte im letzten Parlament Rosemary Scallon, die unter ihrem Künstlernamen "Dana" den "Grand Prix de la Eurovision" nach Irland geholt hatte. Sie stellt sich jetzt erneut zur Wahl.

Das gilt nicht für den Bergsteiger Reinhold Messner, der sich 1999 als Spitzenkandidat der norditalienischen Grünen vor allem den Umweltschutz in den Alpen auf die Fahnen geschrieben hatte. Obwohl er zwischenzeitlich als Zugpferd auf der Liste der deutschen Grünen im Gespräch war, will er sich nun aus der aktiven Politik zurückziehen. Anders Finnlands früheres Rallye-As Ari Vatanen, der sich bisher für die Christdemokraten um Regionalpolitik und Landwirtschaft gekümmert hat: Bei den Wahlen im Juni will er nun in Frankreich antreten, wo seine Rallye-Erfolge noch in besserer Erinnerung sind als im eigenen Land.

Weitere Sportstars dürften auf den Sitzen des neuen Europaparlaments Platz nehmen: Erkki Nool, der bei der Olympiade in Sydney die Zehnkampf-Goldmedaille für Estland holte, will seine Sportlerkarriere für die Politik aufgeben und hat einen aussichtsreichen Listenplatz erhalten. Als prominenter Schauspieler wird der Brite Michael Cashmann, Ex-Star der Serie "Eastenders", einer Art britischer "Lindenstraße", wohl erneut ins Europaparlament einziehen. Cashmann, der sich für die Sozialdemokraten um Bürgerrechte und Außenpolitik kümmerte, ist Spitzenkandidat der Labourpartei. Eine andere Darstellerin dürfte es wohl nicht nach Straßburg schaffen: Katerina Bochmickova, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Dolly Buster, erscheint auf den tschechischen Wahllisten einer Splitterpartei, der kaum Chancen eingeräumt werden.

Auch aus dem Medienbereich kommen eine Reihe prominenter Kandidaten. Lilly Gruber, eine der bekanntesten Nachrichtensprecherinnen Italiens, hat sich für die Prodi-Liste zur Verfügung gestellt. Der Direktor von Radio France, Jean-Marie Cavada, ist sogar von seinem Amt zurückgetreten, um sich ganz der Europapolitik zu widmen. Gute Chancen auf einen Einzug ins Parlament hat auch Vladimir Remek, der erste Tscheche im Weltraum, der jetzt für die Kommunisten antritt. Und für etwas Glamour könnte schließlich das estnische Top-Model Carmen Kass sorgen.

Auf deutschen Kandidatenlisten sucht man prominente Quereinsteiger in der Regel vergebens. Eine Ausnahme war die vielfache Goldmedalliengewinnerin im Kanu, Birgit Fischer, die 1999 auf Platz zwei der FDP-Liste antrat. Weil die Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten, bereitet sie jetzt auf olympisches Gold in Athen vor.

Der Autor ist freier Journalist in Brüssel.


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