Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 37 / 06.09.2004
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Jens-Uwe Hopf

In jedem Handwerker steckt immer auch ein Erfinder - so passgenau für die tägliche Praxis wie möglich

Wie Innovationspotenziale nutzbar zu machen sind

Handgabel-Hubwagen für den Transport von Paletten oder Containern fahren seit bald 50 Jahren unverändert in so ziemlich jedem Betrieb. Zweieinhalb Tonnen kann so ein Hubwagen bei einem Gewicht von rund 100 Kilogramm tragen. Praktisch, aber schwer und unhandlich und somit nicht zu transportieren.

Für Metallbaumeister Hans-Peter Borrmann aus Goch am Niederrhein war das eine Herausforderung. Er meisterte sie und nun gibt es ihn, den zerlegbaren Handgabel-Hubwagen. Patentiert unter dem sinnigen Namen "NoStress", ist er von einer Person in Sekundenschnelle ohne Werkzeug zu zerlegen und kann im Kofferraum eines Autos transportiert werden. "Es gibt halt für jedes Problem eine Lösung", sagt Borrmann. Das ist echter Handwerker-Optimismus.

Die eigene innovative Produktentwicklung passgenau und individuell für den Kunden - mit dieser Leistung behaupten sich viele der insgesamt 850.000 deutschen Handwerksunternehmen am Markt. Erfindungen sind dort fast schon Alltag - auch wenn es selten um ganz neue Produkte geht. Die Stärke des Handwerks liegt vielmehr in der Weiterentwicklung und kreativen Neukombination bekannter Technologien. Ein Beispiel: Die Wartung von Heizungsanlagen und zunehmend auch das Gebäudemanagement sind nun von einer beliebigen Zentrale aus möglich - weil Handwerksunternehmen Informations- und Kommunikationstechniken auf eine neue Art und Weise eingesetzt haben.

Die Anwendung neuer Technologien wie Laser-, CAD-, Roboter- und Kommunikationstechniken kann im Idealfall neue Märkte eröffnen: Prozess- und Herstellungskosten werden reduziert, Produkteigenschaften verbessert oder es werden gänzlich neue Produkte entwickelt. So ist es beispielsweise bei den Kunststoffen gewesen, die den Fensterbau, die Zahnprothetik sowie den Klima- und Heizungsbau nachhaltig verändert haben.

Auch der Modellbau in seiner heutigen Form wäre ohne Kunststoffe und Polymere noch immer auf Holz angewiesen. Keramiken, auch mit piezoelektrischen Eigenschaften, ermöglichen neuartige, leitungslose Installationsmöglichkeiten für das Haus der Zukunft. Die Gesundheitshandwerke profitieren von der Mikrosystemtechnik, wenn sie die Ergebnisse aus den Laboren der Forschungseinrichtungen zur Miniaturisierung von Produkten und Instrumenten konsequent nutzen. Zu den technologischen Herausforderungen der Zukunft zählt die mobile oder auch stationäre Brennstoffzellen-Technologie, die das Handwerk nachhaltig verändern wird. Betriebe entwickeln sich zu Energie-Dienstleistern.

Allerdings führen innovative Produkte oder Verfahren nicht automatisch zu neuen Märkten - und damit zu Umsatzausweitung und höheren Erträgen. Es ist eine Binsenweisheit, die aber oft genug nicht beachtet wird: Erst die genaue Analyse des Marktes, also der Bedürfnisse der Kunden, ermöglicht erfolgreiche handwerkliche Innovationen. Für zukunftsorientierte Handwerksunternehmen gibt es zwei Strategien: Entweder sie sind selbst innovativ und entwickeln neue Verfahren und Produkte, oftmals auch patentierte Lösungen. Oder sie setzen neue Technologien und Werkstoffe in innovative Produkte und Prozessinnovationen um. Dabei ist es unerheblich, ob Unternehmen dabei auf Eigenentwicklungen setzen, also auf Produkte und Verfahren, die durch Patente und Schutzrechte geschützt sind, oder ob sie dazu industriell hergestellte Güter "individuell" anpassen und weiterentwickeln.

Die Kooperation mit Fach- und Hochschulen ist für innovative Handwerksunternehmen schon fast selbstverständlich. So ist der Prototyp des zerlegbaren Handgabel-Hubwagens von Manfred Blank, Arbeitsmediziner des Universitätsklinikums Essen, nach ergonomischen Gesichtspunkten weiter entwickelt worden. Erfinder Borrmann: "Die Gespräche mit Professor Blank haben dazu geführt, dass es heute an dem zerlegbaren Hubwagen noch ergonomisch angeordnete Hilfen und Griffe gibt, die beim Tragen und Heben Wirbelsäulenverletzungen und Körperschäden vermeiden helfen." Alles Kaufargumente für Borrmanns Erfindung.

Sehr viele Handwerksunternehmer verfügen heute über eigene Patente oder andere gewerbliche Schutzrechte. Der Weg von der Idee über die Patentanmeldung bis zum marktfähigen Produkt ist nicht immer ganz einfach, und deshalb helfen die Technologietransfer- und Innovationsberater der Handwerksorganisation. Durchgängige Innovationsberatungsketten verbinden dabei die Kompetenzen von Beratern der Handwerksorganisationen, Patentanwälten, Finanzierungsinstituten, Marketingagenturen, Technologie- und Vertragsspezialisten. Darüber hinaus stehen den Betrieben mehr als 800 betriebswirtschaftliche und technische Berater zur Seite. Rund 1.200 Unternehmen wurden bei dem unlängst beendeten Projekt "Erfinderförderung im Handwerk" unterstützt. Ergebnis: mehr als 100 Patente und weitere gewerbliche Schutzrechte.

Weil aber insbesondere viele kleinere Unternehmen, wie sie für das Handwerk typisch sind, ihre Innovationspotenziale noch nicht nutzen können, stehen mehr als 500 Berufsbildungseinrichtungen des Handwerks bereit, Unternehmer und ihre Mitarbeiter zu qualifizieren. Zeitgemäßes Führungswissen, Ideenmanagement, innovative Arbeitsgestaltung, Mitarbeitermotivation sowie Einsatz neuer Technologien sind nur einige der angebotenen Bildungsmaßnahmen. Damit sollen auch kleine Unternehmen in die Lage versetzt werden, ihre Ideen in innovative Produkte und Leistungen umzusetzen und sie am Markt zu erproben. Erfreulicher Nebeneffekt: Zahlreiche neue Arbeitsplätze werden so geschaffen.

Mehr Jobs möchte auch Metallbaumeister Borrmann schaffen. 180 "NoStress" Handgabel-Hubwagen sind bereits gefertigt, fast die Hälfte davon verkauft. Da allein in der EU jährlich etwa 600.000 Handgabel-Hubwagen verkauft werden, erhofft sich Borrmann für seine Erfindung eine deutliche Steigerung des Marktanteils. Mutig visiert er zehn Prozent an. Der erfolgreiche Unternehmer macht anderen Handwerkern Mut: "Jeder kann ein Erfinder sein." Jens-Uwe Hopf

Der Autor ist Referent der Abteilung Gewerbeförderung beim Zentralverband des Deutschen Handwerks in Berlin.


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