Wallau klärt auf: "Wer weniger als 500 Beschäftigte hat oder unter 50 Millionen Euro Jahresumsatz liegt, gehört zum Mittelstand." So die Definition des Bonner IfM. Damit sind 99,7 Prozent aller Unternehmer in Deutschland Mittelständler - insgesamt rund 3,3 Millionen Unternehmen. "Das Handwerk macht dabei nur einen Teil aus. Nicht einmal jeder Fünfte Mittelständler ist Handwerker. Dienstleister wie die Fußpflege-Praxis um die Ecke gehören genauso zum Mittelstand wie das exportierende Maschinenbau-Unternehmen mit 350 Beschäftigten", sagt Frank Wallau. Er rückt auch die Größenordnungen zurecht: "Fast 90 Prozent der mittelständischen Unternehmen haben einen Jahresumsatz von unter einer Million Euro." Ein riesiger Pool.
Das dickste Stück vom Mittelstandskuchen gehört den Freiberuflern: Rund 820.000 davon gibt es in Deutschland - vom Arzt über den Architekten bis zum Rechtsanwalt. Damit ist knapp jeder vierte Mittelständler als Freiberufler aktiv - viele davon im Dienstleistungssektor. Überhaupt ist der Mittelstand in Sachen Dienstleistung stark: Rund 800.000 Unternehmen gehören zu dieser Branche - darunter auch etliche Handwerker wie Fensterputzer und Starfrisör Udo Walz. Mit weitem Abstand folgen der Einzelhandel (420.000 Betriebe), das Baugewerbe (300.000 Firmen) und mit 285.000 Unternehmen das verarbeitende Gewerbe. Und noch etwas: Der Mittelstand in Deutschland ist überwiegend männlich. Nur jeder sechste Betrieb ist in Frauenhand. Lediglich in knapp 600.000 Unternehmen hat eine Chefin das Sagen.
Die Statistik in Ehren. Doch Mittelstand ist mehr als nur nüchternes Zahlenmaterial. Frank Wallau: "Typisch für den Mittelstand ist, dass eine Person den Ton angibt. Da ist immer einer, der leitet, plant und kontrolliert. Er ist mit dem Betrieb so eng verwachsen, dass man von einer Identität zwischen dem Unternehmer und dem Unternehmen sprechen kann." Hierfür gibt's einen gängigen Mittelstandsspruch, der genau das auf den Punkt bringt - nur etwas platter: "Selbstständig arbeiten, kommt vom ständigen selbst arbeiten."
Der mittelständische Chef hält für alles den Kopf hin. Die wirtschaftliche Existenz des Inhabers hängt vom Unternehmen ab. Wallau: "Beim Mittelstand haben wir eine Einheit von Unternehmen und Inhaber." Überhaupt ist die Selbstständigkeit in Deutschland etwas sehr Privates. "Knapp 95 Prozent aller deutschen Unternehmen sind familieneigene mittelständische Betriebe", sagte Wallau. Dies gehe aus einer IfM-Untersuchung hervor.
Wichtigster Arbeitgeber
Nicht jeder Mittelstandsboss ist ein Dagobert. Aber ohne Euro- oder - beim internationalen Handel auch - Dollar-Zeichen im Auge geht's eben auch nicht. So machten alle deutschen Unternehmen im vorvergangenen Jahr einen Umsatz von 4,25 Billiarden Euro. Als Zahl ausgeschrieben sieht diese Summe noch eindrucksvoller aus: 4.250.000.000.000.000 Euro. Knapp 60 Prozent davon gingen auf das Konto von Großunternehmen. Die Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen (bis zu 50 Millionen Euro Jahresumsatz) erzielten gut zwei Fünftel der Summe.
Der Mittelstand ist der wichtigste Arbeitgeber in Deutschland. Das IfM Bonn schätzt, dass rund 70 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer bei mittelständischen Unternehmen in Lohn und Brot stehen. "Zusätzlich bilden mittelständische Betriebe rund 80 Prozent aller Auszubildenden aus", sagt Frank Wallau. Damit bietet der Mittelstand derzeit gut zwanzig Millionen Beschäftigten einen Job.
Mittelstand steht oft für Bodenständigkeit. "Da ist sicher etwas dran. Und dennoch sind es gerade die Mittelständler, die ihre Fühler weit in den internationalen Markt ausstrecken. 98 Prozent der Exporteure in Deutschland sind Mittelständler", so Frank Wallau. Diese seien in Sachen Export sehr aktiv. Dennoch wandert lediglich jeder fünfte Euro, der in Deutschland am Export verdient wird, auf das Konto der kleinen und mittleren Betriebe. Beim Exportumsatz dominieren die Großunternehmen.
Frank Wallau unterstreicht: "Der Typus des selbstständigen Unternehmers bildet nach wie vor das Rückgrat der deutschen Wirtschaft". Und das allen vermeintlichen Konzentrationstendenzen - wie Firmenübernahmen und Konzernfusionen - zum Trotz. Ein Hohelied auf den deutschen Mittelstand - wissenschaftlich fundiert. Und das Lob des Wirtschaftsprofessors zielt insbesondere auf die kleinen und mittleren Unternehmen: "Indizien für eine abnehmende Bedeutung des Mittelstandes liegen nicht vor. Daran hat sich in den vergangenen Jahren nichts geändert. Auch wenn sich etliche wirtschaftliche, soziale und technologische Rahmenbedingungen sehr wohl verändert haben . . ."
Und noch ein positiver Aspekt, der auf das Konto des Mittelstands geht - auf das Sozialkonto: Mittelständler sind gesellschaftlich aktiv. "Bundesweit engagieren sich rund vier von fünf Unternehmen für wohltätige Zwecke", sagt Frank Wallau. Zwar wachse mit steigender Unternehmensgröße die Bereitschaft zur Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung. "Aber selbst unter den Kleinstunternehmen engagieren sich vier von fünf für die gute Sache", so der IfM-Wirtschaftswissenschaftler. - "Corporate Citizenship heißt das Stichwort auf Neudeutsch. "Im Schnitt liegt der Anteil, der hierfür ausgegeben wird, bei 0,07 Prozent des Jahresumsatzes. Meistens sind es direkte finanzielle Zuwendungen", so Wallau.
Geld für gesellschaftliche Projekte
Ordnet man die Unternehmen nach der Größe, so zeigen sich beim gesellschaftlichen Engagement deutliche Unterschiede: Kleine und mittlere Unternehmen mit einer Mitarbeiterzahl von maximal 99 Beschäftigten sind aktiver als größere Firmen. "Dieser Teil des Mittelstands ist bereit, in Relation zum Umsatz rund drei mal mehr für Corporate Citizenship auszugeben als die größeren Unternehmen", sagt Frank Wallau. In das Kapitel Corporate Citizenship gehört auch die Mitarbeiterfreistellung für ehrenamtliche Aufgaben. In jedem zweiten mittelständischen Unternehmen ist dies nach Angaben des IfM gängige Praxis.
Und der Wirtschaftsexperte macht deutlich, dass es nicht in erster Linie der Mutter-Theresa-Gedanke ist, der Firmen dazu bringt, Geld für gesellschaftliche Projekte locker zu machen: "Die von uns befragten Unternehmen sehen wohltätige Aktivitäten ganz klar als Investition in ihr Umfeld - und damit auch als Sicherung ihrer eigenen Existenz."
Hinzu kommt der PR-Gedanke: "Corporate Citizenship gibt den Unternehmen die Möglichkeit, sich in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und sich als Organisation mit Sinn für die Belange der Gemeinschaft zu profilieren. Damit stiftet bürgerschaftliches Engagement nicht nur gesellschaftlichen Nutzen. Es trägt auch zur Umsetzung unternehmenspolitischer Ziele bei. Corporate Citizenship ist somit weder als bloße Großzügigkeit noch als ein rein wirtschaftlicher Akt aufzufassen", so Frank Wallau.
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Berlin.