Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 45 / 01.11.2004
Zur Druckversion .
Martin Peter

"Erneuerung aus eigener Kraft"

Brandenburg: Ministerpräsident Platzeck gibt Regierungserklärung ab
Der Ton im neuen brandenburgischen Landtag wird rauher. Der Grund: Die stärker gewordene PDS unter ihren neuen Fraktionsvorsitzenden Dagmar Enkelmann hat ihre Hoffnungen auf eine rot-rote Landesregierung begraben und versucht nun, durch Selbstbewusstsein gegen die aus ihrer Sicht "Koalition der Verlierer" zu punkten. Doch die Fraktionschefs der rot-schwarzen Koalition, Günter Baaske (SPD) und Thomas Lunacek (CDU) schlagen zurück. Baaske, bislang Sozialminister des Landes und nun inoffiziell zweiter Mann hinter Ministerpräsident und Parteichef Matthias Platzeck (SPD), schlägt zurück: "Die PDS hat im vergangenen Sommer gezeigt, dass sie die Menschen verunsichert und sogar belügt." Und für Lunacek legt die PDS eine Verweigerungshaltung an den Tag, die lediglich auf Stimmenfang aus sei.

Richtig Ärger aber will ihm die im Landtag erneut vertretene am äußersten rechten Rand stehende Deutsche Volksunion (DVU) machen. Angeblich hat Baaske die DVU als "NSDAP-Nachfolge-Partei" bezeichnet. Außerdem soll er behauptet haben, die DVU-Abgeordneten stellten "Nazi-Anträge". Die sechsköpfige DVU-Fraktion, die von allen anderen Fraktionen im Landtag geschnitten wird, erwägt offensichtlich eine Strafanzeige wegen Verleumdung. Baaske, für den die DVU-Abgeordneten im Landtag nichts als "Nazis und Wölfe im Schafspelz" sind, sieht der angedrohten Klage gelassen entgegen.

Umgekehrt wirft die PDS der SPD/CDU-Regierungskoalition vor, nicht genug gegen den Rechtsextremismus im Lande zu tun. Vor allem habe man im Koalitionsvertrag keine eindeutige Unterstützung des Aktionsbündnisses gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit festgeschrieben. Auch müsse die Prävention gegen den Rechtsradikalismus mehr Gewicht erhalten, damit Kinder und Jugendliche rechtzeitig gegen rechtes Gedankengut immunisiert würden.

Anlass für den bislang im brandenburgischen Landtag wenig gekannten scharfen Ton war die Regierungserklärung der erneut bestätigten Koalition unter Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und seinem Stellvertreter, Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). In seiner knapp einstündigen Rede erklärt Platzeck: "Die neue Regierungskoalition ist sich einig, dass der Bekämpfung des Rechtsextremismus in Brandenburg eine herausragende Bedeutung zukommt."

"Zweiter Aufbruch"

Platzeck, der bereits nach wenigen Gesprächen eine Koalition mit der PDS als zweitstärkster Fraktion im neuen brandenburgischen Landtag eine Absage erteilt hatte, fordert die eigenen Koalitionsreihen auf, künftig auf Reibungsverluste und unnötige Kompetenzüberschreitungen ebenso zu verzichten wie auf einen schädlichen Ressortegoismus: "Nur mit geschlossenem Mannschaftsgeist kommen wir voran."

In den Mittelpunkt seiner Regierungserklärung stellte Platzeck auf der einen Seite das Versprechen, einen "zweiten Aufbruch" in Angriff zu nehmen. Dieser soll durch eine "Regierungspolitik aus einem Guss" ermöglicht werden. Indirekt spielte Platzeck damit auf die vielen Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungskoalition in der zurückliegenden Wahlperiode an. Platzeck weiter: "Völlig zu Recht erwarten die Menschen eine Politik, in der die Räder gut geölt und ohne zu knirschen ineinander greifen."

Der "zweite Aufbruch", für den es nach Platzeck freilich keinen dritten mehr geben wird, soll zudem eine "Erneuerung aus eigener Kraft" sein. Damit verbindet der Regierungschef zugleich das Eingeständnis, dass diese Erneuerung in der Vergangenheit "teils zu spät, teils zu zögerlich" in Angriff genommen worden sei. Damit aber werde es nun vorbei sein, gibt sich der alte und neue Ministerpräsident zuversichtlich.

Noch ist Brandenburg auf die Hilfe der (westdeutschen) Länder angewiesen. Doch 2019 läuft der vereinbarte Solidarpakt II aus und dann muss Brandenburg nach den Worten Platzecks auf eigenen Füßen stehen. Um dies zu erreichen, soll das Land ab 2010 keine neuen Schulden mehr machen. Ein ehrgeiziges Ziel, das aber nur möglich ist, wenn ab sofort jährlich die Neuverschuldung um 175 Millionen Euro zurück-geführt wird. Bislang machte das Land jährlich rund eine Milliarde neue Schulden. Für den neuen Finanzminister Speer keine leichte Aufgabe.

Doch "wohlgefällige Versprechen" wird es künftig in Brandenburg nicht mehr geben, versichert der Ministerpräsident, auch keine "Gefälligkeitspolitik". Und von den Politikern fordert er mehr Engagement. Denn die Bevölkerung wende sich von Politikern ab, die sich entweder vom Volk abheben oder aber lustlos ans Werk gehen. Auf diese Weise hofft Platzeck, verlorengegangenes Vertrauen in der Bevölkerung - nicht einmal 60 Prozent hatten sich im September an der Landtagswahl beteiligt - wieder zu gewinnen.

Hier einige weitere Punkte aus der Regierungserklärung: Die Politik der Bundesregierung zur Reform des Arbeitsmarktes wird unterstützt, denn die Arbeitslosigkeit wird begriffen als das "alles überragende Problem unserer Zeit". Daraus ergibt sich auch, dass alle Programme zur Förderung der Wirtschaft streng an den Kriterien der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen ausgerichtet werden. Der Mittelstand ist und bleibt das Rückgrat der brandenburgischen Wirtschaft. Gefördert werden soll auch der Tourismus, der nach Platzeck weitere Wachstumschancen bietet.

Wichtigstes Infrastrukturprojekt und Motor der Entwicklung Brandenburgs wird der geplante Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI) sein (man rechnet in Brandenburg mit dauerhaft 2.000 und mehr zusätzlichen Arbeitsplätzen). Wissenschaft und Forschung sollen intensiv gefördert werden, weil diese die Wirtschaft und damit auch die Arbeitsplätze von morgen sichern. Diese Förderung kommt vor allem den Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten des Landes zugute.

Platzeck erneuert das Ja zur Fusion seines Landes mit Berlin. Allerdings werde man nur dann eine Mehrheit der Bevölkerung für dieses Projekt bekommen, wenn klar sei, wie die Bundeshauptstadt ihr Finanzproblem (gegenwärtig 50 Milliarden Euro Schulden) löse. Ferner gilt als wichtiges Projekt der neuen Landesregierung die Einführung der Oberschule für die Jahrgangsstufen sieben bis zehn (Haupt- und Realschule). Das Gymnasium bleibt bestehen. Das Abitur soll künftig nach Klasse 12 und nicht mehr erst nach Klasse 13 abgelegt werden.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.