Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 46 / 08.11.2004
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Ute Grundmann

Als neben dem Fachwissen an Universitäten plötzlich auch Linientreue gefragt war

Ein exemplarisches Kapitel Leipziger Hochschulgeschichte
"Wir müssen eine Fakultät haben, an der wir promovieren können." So beschrieb der Staatssekretär Gerhard Harig 1947 den Grund für die Einrichtung einer "Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät" an der Universität Leipzig. "Wir", das waren SED-Mitglieder und -Kader, die auch ohne wissenschaftliche Voraussetzung akademische Würden erlangen sollten.

Viel wichtiger aber war die Fakultät als Vorreiter und Experimentierfeld für eine "sozialistische Hochschule", so der Historiker Markus Wustmann. Für diese Magisterarbeit hat er noch ungedruckte Quellen des Universitätsarchivs ausgewertet und für das Buch um Akten aus dem Hauptstaatsarchiv ergänzt. Entstanden ist ein detailreiches Bild des Anfangs an der Leipziger Karl-Marx-Universität, wie sie bis 1991 hieß, aber auch ein interessantes Zeitdokument.

Der Befehl 333 der sowjetischen Militäradministration (SMAD) war 1946 der Anlass für die Gründung solcher Fakultäten in Leipzig, Jena und Rostock zur Ausbildung qualifizierter Kader. In Leipzig gab dabei das innerhalb dieser Fakultät beheimatete Franz-Mehring-Institut, so Wustmann, die spätere Richtung schon vor, nämlich unter dem Titel "Erforschung des wissenschaftlichen Sozialismus" die jeweilige Marxismus-Interpretation der SED-Führung weiterzugeben.

Und so waren auch weniger individuelle, freigewählte Studien vorgesehen, sondern Arbeit in Seminargruppenverbänden und Nacharbeit des Gelehrten unter Parteikriterien. Wustmann schildert, wie durch politische anstelle fachlicher Entscheidungen bei der Zulassung der Studenten und durch das Lancieren von zumindest parteinahen Lehrkräften das Studium in die gewollte Richtung gelenkt wurde.

Lehrpläne und Personalverzeichnisse waren dem SMAD vorzulegen; das Gros der Lehrstühle war von "Doppelstaatsbürgern von Partei und Fach" besetzt, so der Autor. Der Begriff meint Dozenten, bei denen die politisch-moralische Reputation mindestens so wichtig war wie ihre wissenschaftliche Ausbildung. Dies diente nicht nur der Vermittlung der "rechten Lehre"; man hoffte auch, die neue Ideologie werde auf die "normalen" Studenten und Lehrkräfte übergehen. Gleichwohl musste man auch auf alte Professoren zurückgreifen, weil die "fortschrittliche Intelligenz" noch in Ausbildung war.

Beim Thema "Lehrbeauftragte" allerdings bleibt Wustmanns Buch unklar und widersprüchlich, wie weit politische oder fachliche Gründe für eine Berufung wesentlich waren. Manchmal ist das Buch etwas zu kleinteilig geraten, etwa wenn er für die Nachkriegszeit schildert, wer wo welche Möbel organisierte oder wann welchen Mietvertrag unterschrieb. Doch im Ganzen sind die Geschichte und ihre Hintergründe schlüssig und nachvollziehbar dargestellt; ohne Häme oder Herablassung werden auch manche Nachwende-Darstellungen korrigiert.

So wurde aus einem Lehrplan von 1947, der noch von bürgerlichen Gelehrten wie dem Rektor Hans-Georg Gadamer und prononcierten Marxisten geprägt war, eine Fakultät, für die dann linientreue Studenten zentral ausgewählt wurden. Studienpläne und Prüfungsordnungen für die vier Studienrichtungen Wirtschafts-, Sozial-, Außen- und Kulturpolitik wurden gelenkt und die Absolventen mit dem Mittel der "Berufslenkung" auf die vorgesehenen Arbeitsplätze geleitet. Mit der zweiten Hochschulreform von 1951 wurde die "Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät" dann überflüssig, weil das Studium in der DDR nach deren Vorbild umgestaltet wurde.

Schade nur, dass Wustmann seiner differenzierten Darstellung ein Fazit mitgibt, das von Schlagworten nur so wimmelt.

Markus Wustmann

Die Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät in Leipzig 1947 - 1951.

Experimentierfeld kommunistischer Hochschulpolitik in SBZ und früher DDR.

Beiträge zur Leipziger Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, Band 4. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2004; 181S., 19.80 Euro


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