Sollte die Länderkammer der Kompromisslösung aus dem Bundestag zustimmen, könnte das neue Gesetz bereits am 1. April in Kraft treten und ab dem neuen Schuljahr gelten.
Im Einzelnen sieht die Novelle vor, dass Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz haben und deswegen staatliche Sonderprogramme oder Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit absolvieren, die dort erworbenen Qualifikationen in eine sich anschließende Lehre einbringen können. Ausbildungsabschnitte im Ausland können in Zukunft in die Gesamtausbildung integriert werden. Die Länder erhalten die Möglichkeit, schulische Ausbildungszeiten in Ausbildungsberufen genauso anzurechnen wie betriebliche Ausbildungszeiten.
Um praktisch begabte Jugendliche stärker zu fördern, wird in der Novelle die Stufenausbildung forciert. Das Gesetz sieht vor, dass alle neuen Berufsbilder regelmäßig darauf überprüft werden, ob die Ausbildung stufenweise organisiert werden kann. Dies soll nachträglich auch für bestehende Berufe gelten. Die Probezeit für Auszubildende wird auf vier Monate verlängert, um den Betrieben ausreichend Zeit für eine Beurteilung zu geben.
Neu ist auch, dass Lehrlinge, die ihre Ausbildung nicht im Betrieb, sondern nur in der Berufsschule abgeschlossen haben, einfacher zu Prüfungen vor der zuständigen Kammer zugelassen werden. Damit sollen die Startchancen dieser jungen Menschen auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden, da die Kammerprüfung als ein besserer "Türöffner" in den Beruf gilt.
Erstmals wird es auch möglich, Abschlussprüfungen in zwei Teilen abzulegen. Die Reform stärkt ferner die Kooperationsformen betrieblicher und schulischer Ausbildung. Gesetzlich verankert wird - auch dies ein Novum - die Verbundausbildung, also die Kooperation mehrerer Betriebe, von denen jeder wegen seiner Größe oder Spezialisierung allein nicht alle Ausbildungsinhalte anbieten kann. Diese Regelung soll mehr Betriebe und Unternehmen zur Schaffung von Ausbildungsplätzen motivieren.
Langer Weg der Beratung
Der Reform ist ein langer Weg der parlamentarischen und außerparlamentarischen Beratungen vorausgegangen. So hatte die FDP-Fraktion bereits 2001 einen Antrag eingebracht, um ein duales und zugleich modulares Berufsausbildungssystem einzuführen. Der rot-grüne Koalitionsvertrag sah ebenfalls eine Reform der Berufsausbildung vor. Im März 2003 brachte dann die Union Eckpunkte für eine Novellierung des Berufsausbildungsgesetzes und ein Jahr später einen konkreten, nun mit den Stimmen der Koalition abgelehnten Gesetzentwurf (15/2821) in den Bundestag ein. Es folgten zwei Gesetzentwürfe der FDP (15/3042, 15/3325); der erste davon wurde in der Schlussdebatte für erledigt erklärt, der zweite bei Enthaltung der Union von der Koalition abgelehnt. Die Bundesregierung zog mit einem eigenen Gesetzentwurf (15/3980) im Oktober vergangenen Jahres nach. Auch der Bundesrat legte im Herbst 2004 einen Gesetzentwurf (15/4112) vor, der nur bei den Oppositionsfraktionen Zustimmung fand.
Die am 27. Januar verabschiedete Reform basiert auf dem Regierungsvorschlag, in den Änderungen und Vorschläge vor allem der Union, aber auch der FDP eingeflossen sind. Ähnlich wie bereits bei der abschließenden Beratung im Ausschuss zeigten sich auch im Plenum vor allem die Kompromisspartner - die Regierungsfraktionen und die Union - mit dem Ergebnis und der vorangegangenen Zusammenarbeit im Ausschuss, mit dem Bildungsministerium, den Ländern und den Sozialpartnern zufrieden.
Der Kompromiss knüpfe an die bewährten Strukturen der beruflichen Bildung an, intergriere aber auch die Erkennnissse aus über 30 Jahren Berufsausbildungsforschung und aus der Entwicklung der vergangenen zwei, drei Jahrzehnte, unterstrich Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) in der Debatte. Für Monika Lazar von den Bündnisgrünen ist diese Reform ein gutes Beispiel dafür, "dass der Föderalismus in unserem Lande im Bildungsbereich durchaus vernünftig funktionieren kann". Diese Reform könne aber nicht das letzte Wort sein.
Die CDU/CSU-Fraktion bewertete vor allem den Kompromiss in der Frage der Verbundausbildung positiv. Hier habe die Union ihr Ziel erreicht. Als "Herzblutthema" seiner Fraktion bezeichnete Uwe Schummer die Aufwertung der Stufenausbildung von einer Ausnahme zu einer gleichwertigen Option.
Die FDP lobte das Erreichte zwar als einen guten Einstieg. "Trotzdem ist Ihr Berufsbildungsreformgesetz nur ein halber Schritt", rief die Bildungsexpertin der Liberalen und neue Vorsitzende des Forschungsausschusses, Cornelia Pieper, in Richtung der übrigen Fraktionen. Sie monierte unter anderem, dass die Reform keine Flexibilisierung der Ausbildungsvergütung vorsieht.
Dies kritisierte auch der Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Horst Rehberger (FDP). Durch eine flexiblere Regelung der Ausbildungsvergütung könnte die Zahl der Lehrstellen, vor allem in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit, deutlich gesteigert werden. Der Bundesrat schlage daher vor, anstelle der bisherigen Regelung nur noch eine Untergrenze der Vergütung festzulegen, die bei etwa 180 Euro in den alten und bei 150 Euro in den neuen Ländern liegen sollte.
Kritik in diesem Punkt hatte auch die Wirtschaft geübt: Im Sinne des Bundesrates äußerten sich sowohl die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände als auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag.