Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 51 - 52 / 19.12.2005
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Katl-Otto Sattler

Agenten ohne Samthandschuhe

Die USA im Anti-Terror-Kampf

Wir haben die Samthandschuhe ausgezogen": Auf diese ebenso knappe wie einprägsame Formel bringt Cofer Black schon im Herbst 2002 die von der CIA nach dem 11. September 2001 eingeschlagene Strategie beim Kampf gegen den Terrorismus. Man könnte den coolen Spruch des Chefs der CIA-Terrorabwehr CTC so übersetzen: Der Zweck heiligt die Mittel. Vielleicht muss die CIA aber nun wieder umdenken. Präsident George W. Bush will nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen der Forderung des US-Kongresses offenbar nachkommen, künftig Folterpraktiken irgendwelcher Art zu untersagen.

Cofer Black liegt ja nicht falsch: Samthandschuhe sind in der Tat hinderlich, wenn man irgendwo auf der Welt Leute gezielt tötet, die von der CIA als gefährliche Terroristen eingestuft werden. Oder wenn man Personen in einem anderen Land kidnappt und in geheime Kerker nach Jordanien, Ägypten, Marroko, Syrien, Afghanistan auf mehr schlecht als recht getarnten CIA-Flügen verschleppt, eventuell waren auch Polen und Rumänien unter den Destinationen. Und wenn man diese Geheimgefangenen fernab jeder rechtstaatlichen Aufsicht unkontrolliert, vermutlich brutal und eventuell unter Foltereinsatz verhört. Es kann auch Unschuldige treffen, wie man inzwischen weiß. Gewiss: Der letzte Beweis für diese gruseligen Dinge fehlt. Aber das international von Bürgerrechtsgruppen, Staatsanwälten, Medien und von europäischen wie US-Parlamentariern zusammengetragene Indizienpuzzle ist so umfassend und detailreich, dass kaum noch Zweifel bestehen können.

Washington führt nicht nur Krieg in Afghanistan und im Irak. Auch der Kampf "in der Schattenwelt der Geheimdienste", auch der Agenteneinsatz "auf der dunklen Seite" (US-Vizepräsident Richard Cheney) ist in diesen Kreuzzug integriert. Erst diese Neuausrichtung der CIA hat mit einiger Verzögerung zu all der Aufregung um Entführungen, Geheimflüge und umstrittene Verhörmethoden geführt.

Flecken auf der nicht gerade weißen Weste der "Firma" in Langley gibt es bereits seit langem. Da half man kräftig beim Sturz demokratisch gewählter, aber nicht US-kompatibler Regierungen etwa in Persien (1953), in Guatemala (1954) oder in Chile (1973). 1961 versagte die CIA bei der Schweinebucht-Invasion auf Kuba. Im Kalten Krieg kämpften sowjetische und US-Agenten gleichermaßen mit wenig zimperlichen Methoden. Ex-CIA-Leute organisierten 1972 den Einbruch in die Wahlkampfzentrale der US-Demokraten, der Watergate-Skandal sollte Richard Nixon das Genick brechen. In den 70ern ließ Langley Tausende von oppositionellen Bürgerrechtlern in den USA bespitzeln. Die schmutzige Liste ließe sich verlängern. Der Zusammenbruch des Sowjetimperiums bewirkte auch bei der "Firma" eine Abrüstung, Bill Clinton kürzte das Budget der CIA, um die es für einige Jahre etwas ruhiger wurde. Doch spätestens seit dem 11. September galt dies nicht mehr. Fortan war wenn nicht alles, so doch vieles erlaubt.

Feldzug im Namen der Freiheit

Aber kann beim Einsatz gegen Terroristen wirklich der Zweck die Mittel heiligen? Kann man gegen den Terror einen Feldzug im Namen der Freiheit führen, wenn man selbst freiheitlich-rechtsstaatliche Normen verletzt? In Europa, wo die Straßburger Menschenrechtscharta Folter und folterähnlichen Praktiken durch Staatsorgane kategorisch untersagt, mutet dies unglaublich an.

Da werden, so die recherchierten Indizienketten, Gefangene außerhalb des eigenen Landes herumtransportiert und in einer Art exterritorialen Gefängnissen festgesetzt, um sie der Reichweite der US-Justiz zu entziehen. Bei Verhören wird feinsinnig unterschieden zwischen Folter im engeren Sinne und der so genannten "Folter lite" - Schläge ohne Verletzungen gehören dazu, nach Berichten von Bürgerrechtlern und Medien werden Verhaftete zuweilen in eiskalte Zellen mit zehn Grad minus gesteckt oder beim "waterboarding" dem Gefühl des Ertrinkens ausgesetzt. Indizien nähren den Verdacht, dass für besonders üble Sachen schon mal Helfer in diesen und jenen Ländern herangezogen werden, etwa im arabischen Raum.

Außenministerin Condoleezza Rice erklärte während ihres Europabesuchs, US-Bedienstete unterlägen auch im Ausland der Anti-Folter-Konvention der UNO, womit also auch eine "grausame" und "unmenschliche" Behandlung von Gefangenen untersagt wäre. Nun ist sicher genau zu klären, wie "grausam" und "unmenschlich" definiert wird. Und die Formulierung von den "US-Bediensteten" lässt zumindest theoretisch das Schlupfloch offen, dass vielleicht für andere, die im Auftrag der USA handeln, die UN-Charta nicht unbedingt gelten muss. Gleichwohl: Die Worte von Rice waren in dieser Klarheit bisher von US-Seite nicht zu hören.

Vielleicht bleibt die Kritik aus Europa ja nicht folgenlos. Vor allem aber hat die Gesetzesinitiative von Senator John McCain, die auf eine prinzipielle Absage auch an "Folter lite" zielt, die US-Regierung in die Defensive gebracht. Wie es scheint, will Bush gegenüber dem Kongress jetzt einlenken. Die CIA-Kritiker können nicht nur moralisch mit dem Hinweis argumentieren, dass Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit die Glaubwürdigkeit der USA untergraben. Politisch von Belang ist, dass die Methoden der "Firma" einen Keil zwischen Washington und dessen Verbündete zu treiben drohen. Die Al-Qaida-Terroristen samt ihrem diffusen Umfeld können sich über die CIA-Affäre als Nährboden für die Rekrutierung neuer Sympathisanten freuen. Und nicht zuletzt hat Langley selbst ein Problem: Was soll mit den Gekidnappten auf Dauer geschehen? In den USA vor Gericht bringen kann man sie kaum, weil Haft, Verhöre und Geständnisse unter Folter oder folterähnlichen Bedingungen dort nicht akzeptiert würden. Will die CIA die Gefangenen auf ewig um den Globus zu Geheimverliesen hin und her fliegen? Eine Falle schnappt zu.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.