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201/1999
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Rechtsausschuss (Anhörung)

GEMISCHTES ECHO AUF REFORMBESTREBUNGEN BEI GERICHTEN

Berlin: (hib/BOB-re) Ein gemischtes Echo hat schriftlichen Stellungnahmen von Sachverständigen zufolge die Absicht von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hervorgerufen, durch eine Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes die Präsidialverfassung der ordentlichen Gerichte zu reformieren und die richterliche Selbstverwaltung zu stärken. Die Regierungsfraktionen haben dazu einen Gesetzentwurf ( 14/979) vorgelegt. Dem federführenden Rechtsausschuss liegen zu einer Öffentlichen Anhörung am heutigen Nachmittag außerdem Gesetzentwürfe des Bundesrates ( 14/597) sowie der CDU/CSU ( 14/163) vor.

Unterstützung finden SPD und Bündnisgrüne beim Präsidenten des Landgerichts Lübeck, Hans-Ernst Böttcher. Sein Fazit lautet, die angestrebten Regelungen seien großenteils geeignet, angezeigte Mängel und Probleme zu beheben. Böttcher unterstützt insbesondere die Absicht, dass künftig alle Richter eines Gerichts einen einheitlichen Wahlkörper bilden und eine gesonderte Wahl durch Vorsitzende Richter nicht mehr stattfindet. Damit sei eine "eklatante Wahlrechtsungleichheit” beseitigt. Eine ähnliche Position nimmt Reiner Lips, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dresden, ein. Dem Sachverständigen zufolge trägt die Modifizierung der Anzahl der Präsidiumsmitglieder den Veränderungen der Gerichtsgrößen Rechnung. Sie ermögliche ferner eine repräsentative Auswahl von Mitgliedern und gewährleiste gleichwohl noch eine Arbeitsfähigkeit in diesem Gremium. Für Dr. Markus Wiebel, Richter am Bundesgerichtshof, trägt die Gerichtsverfassung nach wie vor "Züge aus vorkonstitutioneller Zeit”, die teilweise den Vorgaben des Grundgesetzes nicht entsprächen. Die vorgeschlagene Beschlussfassung über die Geschäftsverteilung im Spruchkörper durch aller betroffenen Berufsrichter wird Wiebel zufolge für eine beträchtliche Anzahl dieser Spruchkörper und deren Vorsitzende de facto keine Veränderungen bedeuten. In anderen Fällen werde allerdings eine massive Steigerung der Effizienz der gemeinsamen Zusammenarbeit zu verzeichnen sein.

Kritisch äußert sich hingegen Walter Dury, Präsident des Oberlandesgerichtes Zweibrücken. Aus der Sicht der Praxis, so der Experte, sei Reformbedarf nicht ersichtlich. Bei der herausgehobenen Stellung der Vorsitzenden gehe es insbesondere nicht um Privilegien, wie von SPD und B 90/Grüne behauptet, sondern um eine funktionsbezogene Aufgabenzuweisung. Diese habe zum Ziel, die Geschäftsverteilung durch das Präsidium möglichst sachgemäß und effektiv zu erfüllen. Zweck des Quorums zugunsten Vorsitzender Richter, so Dury weiter, sei es, die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse solcher Personen zu nutzen, die ihre fachlichen und integrativen Fähigkeiten bereits unter Beweis gestellt hätten, regelmäßig auch lebensälter seien und nach einem sorgfältigen Auswahlverfahren in diese Führungsaufgabe gelangt seien. Ein praktisches Bedürfnis für grundlegende Änderungen in der Präsidialverfassung der Gerichte vermag auch Peter Gummer, Vizepräsident des Bayerischen Oberlandesgerichtes, nicht zu erkennen. Er habe in 27 Jahren beruflicher Erfahrung keine Anhaltspunkte dafür gewinnen können, dass die Unabhängigkeit der Richter oder die Selbständigkeit der Gerichte durch die bestehende Form der Präsidialverfassung gefährdet sein könnten. Kritik übt ebenfalls Ulrich Hagenloch, Vizepräsident des Oberlandesgerichtes Dresden. Dem Sachverständigen zufolge ist durch die Ausweitung des Präsidiums kein spürbarer Gewinn bei der Sachkompetenz und bei der Ausgewogenheit der Beschlussfassungen zu erzielen. Die einzig messbare Auswirkung an der Vergrößerung des Präsidiums dürfte darin liegen, so Hagenloch, Entscheidungsfindungsprozesse zu verzögern und richterliche Arbeitskraft ohne erkennbare Not für andere als Rechtsprechungsaufgaben zu binden.



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Quelle: http://www.bundestag.de/aktuell/hib/1999/9920102
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