"Existenzbedrohende Prüfungen" mittelständischer Betriebe unterbinden
Berlin: (hib/VOM) Die FDP-Fraktion will, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur auf der Grundlage der tatsächlichen Zahlungen des Arbeitgeber an den Arbeitnehmer berechnet werden. Wie es in einem Antrag ( 14/7155) heißt, sei die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf Grund von Urteilen des Bundessozialgerichts dazu übergegangen, Sozialversicherungsbeiträge nicht nur für tatsächlich gezahlte Leistungen zu erheben, sondern auch für solche, die tatsächlich nicht erbracht worden sind, auf die der Arbeitnehmer jedoch einen tariflichen Anspruch gehabt hat. Dadurch kämen auf die Arbeitgeber erhebliche Nachforderungen zu, die vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen existenzbedrohende Wirkungen haben könnten, heißt es in dem Antrag. Dieses Vorgehen wirke sich bei den Beschäftigungsverhältnissen geringfügig oder kurzfristig Beschäftigter besonders belastend für die Unternehmen aus, so die Fraktion. Durch die fiktive Hinzurechnung selbst geringer Vergütungsbestandteile werde die Geringfügigkeitsgrenze von 630 DM häufig überschritten. Damit gingen die Sozialversicherungsfreiheit oder die sozialversicherungsrechtliche Pauschalierungsmöglichkeit verloren. Gleichzeitig entstehe ein Anspruch der Sozialversicherungsträger auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile). Da die Berechnung der Bemessungsgrundlage im Sozialversicherungsrecht auch auf das Steuerrecht auswirke, seien die steuerlichen Folgen dieser Prüfungspraxis für die Unternehmen besonders nachteilig, betonen die Abgeordneten weiter. Immer mehr Finanzämter kämen wegen der fiktiven Hinzurechnung nicht gezahlter, aber rechtlich zu beanspruchender Vergütungsbestandteile zu dem Ergebnis, dass mit Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze die Steuerfreiheit nicht mehr gegeben sei. Wegen der Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers würden deshalb erhebliche Ansprüche auf Lohnsteuer nacherhoben.
Hinzu komme, so die FDP, dass die Sozialversicherungsträger bei ihren Betriebsprüfungen die Beiträge volle vier Kalenderjahre zurück nacherheben könnten. Daher liefen regelmäßig erhebliche Nachzahlungssummen auf. Die Fraktion äußert Zweifel, ob diese geänderte Prüfungspraxis, was die rückwirkende Erhebung von Beiträgen angeht, mit dem vom Bundessozialgericht anerkannten Vertrauensschutz vereinbar ist. Tariflich vereinbarte Leistungen, die in den Arbeitsverträgen gar nicht vereinbart worden seien, würden vom Sozialversicherungsträger zur Berechnungsgrundlage gemacht, betonen die Abgeordneten. Dies verleihe den Gewerkschaften einen unerwarteten Einfluss auf die Arbeitsvertragsgestaltung von nicht am Tarifvertrag beteiligten Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Vor allem im Bauhauptgewerbe, im Gebäudereinigerhandwerk, im Bewachungsgewerbe, im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Groß- und Einzelhandel sowie im Bäcker- und Friseurhandwerk werde mit einer großen Zahl von geringfügig oder kurzfristig Beschäftigten gearbeitet. Wenn der Arbeitgeber für die Sozialversicherungsbeiträge alle tariflich vereinbarten Leistungen einkalkulieren müsse, könne der Arbeitnehmer nur noch weniger Stunden beschäftigt werden, damit die 630-DM-Grenze nicht überschritten wird.