2. Untersuchungsausschuss
Berlin: (hib/CHE): Das so genannte Reisebüro-Verfahren
begünstigte illegale Einreise in die Bundesrepublik. Zu diesem
Ergebnis kam Joachim Teipel, Richter am Oberverwaltungsgericht
Münster, während der ersten öffentlichen Sitzung des
Untersuchungsausschusses am Donnerstagvormittag. Dieser hat die
Klärung der Visa-Vergabe an deutschen Botschaften seit dem
Jahr 2000 zum Ziel und begann mit der Anhörung von drei
Sachverständigen. Im Zentrum standen grundsätzliche
Fragen zum Recht der Visaerteilung unter Berücksichtigung des
Ausländerrechts und des Schengener Abkommens. Teipel betonte
die Bedeutung des persönlichen Erscheinens des Antragstellers
für eine angemessene Prüfung des Visaverfahrens. Dieses
sei zwar im nationalen Ausländerrecht der Bundesrepublik nicht
als Pflicht formuliert, "eine angemessene Klärung sei aber
ohne persönliche Befragung des Antragstellers nicht
möglich, da so die Glaubwürdigkeit seines Anliegens kaum
festgestellt werden könne", so Teipel. Es gehe dabei vor allem
um Glaubwürdigkeit seines Reisezweckes und um die
tatsächliche Rückkehrbereitschaft. Die so genannte
Gemeinsame Konsularische Instruktion (GKI), Bestandteil des
Schengener Durchführungsübereinkommens, das auch für
die Visavergabe der deutschen Behörden bindend sei, lege
jedoch fest, dass der Antragsteller zu erscheinen habe, wenn
tatsächliche Zweifel in diesen Punkten bestehen. Ausnahmen
sind nur erlaubt, wenn "bekannte und vertrauenswürdige
Vermittlerorganisationen" für diese Absicht bürgen
können. Als solche gelten Beratungsstellen für
Verwaltungsangelegenheiten, Beförderungsvermittler oder
Reisebüros und Reiseveranstalter und -unternehmen. Auch wenn
die Mittlerorganisationen das Erscheinen des Antragstellers
entbehrlich machten, so "entbindet die GKI die Auslandsvertretungen
nicht von einer sorgfältigen Prüfung der Anträge",
betonte der Richter. Diese unterstreiche vielmehr eine "besondere
Sorgfalt" der Prüfung. Teipel stellte schließlich fest,
dass das Zwischenschalten von Mittlerorganisationen eine
"Einschränkung des Prüfungsverfahrens" bedeute. Dadurch
werde auch das in der GKI ausdrücklich formulierte Ziel der
Bekämpfung der illegalen Einreise geschwächt. Besondere
Aufmerksamkeit solle laut dieser Bestimmung Personen mit
"erheblichem Risikofaktor" gelten. Dazu gehören Arbeitslose
und Menschen mit sehr geringen Einkommens- und
Vermögenswerten. Olaf Reermann, über 30 Jahre als
Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium (BMI) für Fragen
des Ausländerrechts und der Visavergabe zuständig,
betonte einerseits die Erfolgsgeschichte des Schengener Abkommens,
wies aber zugleich darauf hin, dass den Beteiligten schon damals
die Risiken der Reisefreiheit bewusst waren. Die Risikogruppe
definierte er als "Personen zwischen 18 und 35 Jahren ohne
regelmäßiges Einkommen". Hier sei immer von einer ganz
besonders intensiven Prüfung ausgegangen worden. Auch
hätte das Innenministerium schon im Rahmen der Schengener
Verträge deutlich vor einer zu "laschen Visavergabe" gewarnt.
Im Zweifel, so Reermann, sei das Visa zu versagen, schilderte der
Experte die Meinung des Ministeriums als auch der damaligen
Schengen-Partner. Dass man im Zweifel für die Reisefreiheit
entscheiden solle, habe er erst kürzlich aus den Medien
erfahren. "So hat das BMI die Dinge nie gesehen", betonte Reermann.
Reinhard Böckmann, Fachdozent in einer Ausbildungsstätte
des Auswärtigen Amtes, begründete abschließend die
Bedingungen des Runderlasses vom März 2000, der die
Visavergabe erheblich erleichtert hat. Es habe immer wieder
Beschwerden gegeben, dass das Auswärtige Amt in
humanitären Angelegenheiten, zum Beispiel in Fragen
medizinischer Behandlungsmöglichkeiten, zu streng entscheide.
"Es ging dabei jedoch nie um normale Touristenreisen. An der
Definition von solchen Touristenreisen habe auch der Runderlass nie
etwas geändert.