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Datum: 03.12.2004
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Pressemeldung des Deutschen Bundestages - 03.12.2004

"Tage der Arabischen Welt": Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe als Grundlage der Zusammenarbeit

Es gilt das gesprochene Wort
Eine "Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe" hat der Vorsitzende der Parlamenteriargruppe Arabischsprachige Staaten des Nahen Osten Joachim Hörster als "unverzichtbare Grundlage einer fruchtbaren Zusammenarbeit" zwischen Deutschland und den arabischen Ländern bezeichnet. In einer Rede zum Abschluss der ersten "Tage der Arabischen Welt im Bundestag" nannte der CDU/CSU-Bundestagsabgeordnete dabei als Grundvoraussetzung, die Chancen des einzelnen Menschen in den arabischen Ländern nachhaltig zu verbessern und zu befördern. Joachim Hörster führte in seinem Schlusswort zu der dreitägigen Konferenz im Bundestag unter anderem aus:

"Die Besonderheit der Tage der Arabischen Welt im Deutschen Bundestag liegt zum einen darin, dass sie vom Bundestag und seinen Kooperationspartnern und in den Räumen des Bundestages, also unserer Volksvertretung durchgeführt worden sind. Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass neben Politikern und Abgeordneten auch Wissenschaftler, Wirtschaftsfachleute, Umweltexperten und Repräsentanten unserer christlichen und moslemischen Kulturen beteiligt waren.

Natürlich haben wir in den einzelnen Diskussionsforen nicht alle Probleme zu Ende diskutieren oder gar lösen können. Aber die Diskussionen wurden mit großer Sachlichkeit und mit dem festen Willen, sich besser zu verstehen, geführt.

Wie meine Kollegen Günter Gloser und Ernst Hinsken bin auch ich immer wieder von arabischen, aber auch von deutschen Teilnehmern angesprochen worden mit der Frage: "Werden Sie weitere Veranstaltungen dieser Art durchführen, und wenn ja, bitte bald".

Diese Frage können wir Ihnen heute nicht beantworten, denn unsere gemeinsamen Erfahrungen in den letzten drei Tagen sind noch frisch und müssen von allen verarbeitet werden. Aber schon alleine über die Tätigkeit der drei Parlamentariergruppen im Bundestag, die sich mit der arabischen Welt befassen, wird sichergestellt, dass wir in Kontakt bleiben, und sicherlich wird dies auch dazu führen, dass weitere Entscheidungen reifen.

"Deutschland und die arabischen Länder: Visionen und Perspektiven" – dazu einige Überlegungen.

Wenn wir "Deutschland" sagen, dann ist damit in irgendeiner Weise auch immer die Europäische Union verbunden. Denn ebenso wie die Europäische Union nicht ohne Deutschland vorstellbar ist, ist Deutschland ohne das Eingebettetsein in die Europäische Union nicht vorstellbar. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben im Kern die gleichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme. Es handelt sich um Demokratien, die auf einer breiten Bürgerbeteiligung aufbauen. Wenn ein neues Land Mitglied der Europäischen Union wird, dann strengen sich die anderen gemeinsam an, um dem Neumitglied auf das gleiche Niveau zu verhelfen, das die anderen schon haben.

Wenn wir den Begriff "Arabische Welt" verwenden, könnte dies nahe legen, dass die arabischen Länder in ähnlicher Weise eine Gemeinschaft bilden wie dies bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union der Fall ist. Die Realität stellt sich jedoch völlig anders dar. Die politischen Systeme in den arabischen Ländern sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. Sie sind nicht kompatibel. Sie reichen von regierenden Monarchien über Einparteiensysteme bis hin zu wenigen Systemen mit allgemeinen, freien und geheimen Wahlen. Auf dem wirtschaftlichen Sektor gibt es die eine oder andere Zusammenarbeit, aber ein organisierter Finanzausgleich zwischen armen und reichen Ländern, z.B. mit Strukturhilfen oder ähnlichem findet praktisch nicht statt.

Wenn wir also von der "Arabischen Welt" sprechen, dann müssen wir als Deutsche und Europäer wissen, dass wir es mit zum Teil sehr unterschiedlichen Strukturen in den einzelnen Ländern zu tun haben, dass dort unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden und dass sich politische und gesellschaftliche Reformen mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten und sehr unterschiedlichen Prioritätensetzungen entwickeln.

Bei der Eröffnung des ersten Diskussionsforums wurde gesagt, dass die westliche Welt nicht für sich in Anspruch nehmen dürfe, ihr politisches und soziales System anderen Ländern aufzuzwingen oder es für das einzig Denkbare zu halten. Dem stimme ich zu, denn ich meine, dass es möglich ist, Veränderung vorzunehmen im Interesse der Menschen, ohne dass dies eine europäische Parteiendemokratie voraussetzt. Hierzu einige Beispiele:

Es ist wichtig für die Menschen in jedem Land, dass sie sich auf ein Rechtssystem verlassen können, an das sich alle halten und das für alle gilt. Das setzt voraus, dass es gut ausgebildete Richter gibt, die unabhängig sind und keinen politischen Einflussnahmen unterliegen. Dies trägt sehr zum inneren Frieden in jedem Land und sehr zur persönlichen Sicherheit eines jeden Staatsbürgers bei. Ein solches Rechtssystem würde auch dazu beitragen, die Korruption zu mindern, unter der ja viele Staatsbürger leiden, weil man sein Recht bekommt, ohne Zusatzleistungen erbringen zu müssen.

Die Verhältnisse zwischen den Bürgern untereinander und zwischen den Bürgern und der Verwaltung wären klar geregelt, und Willkür gegenüber dem Einzelnen ausgeschlossen.

Erforderlich ist auch ein transparentes und effektives Verwaltungssystem. Dies würde auch ganz wesentlich dazu beitragen, die ausgezeichneten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den arabischen Ländern weiter auszubauen und zum beiderseitigen Nutzen noch effektiver zu gestalten.

Ich denke, dass es in jedem Land möglich ist, den Bürgerinnen und Bürgern uneingeschränkten Zugang zu dem Wissen zu verschaffen, das weltweit auch über die elektronischen Medien heute erreichbar ist. Wissen befähigt die Menschen zur Gestaltung ihres eigenen Lebens und stärkt die Gesellschaft insgesamt, denn man sieht es ja am Beispiel vieler Länder, dass gerade diejenigen zu Wohlstand und Prosperität kommen, deren Bevölkerung gut ausgebildet ist, und die die Fähigkeit erlernt haben, mit ihrem Wissen schöpferisch umzugehen.

Daher ist es auch erforderlich, Mädchen und Frauen auszubilden und beruflich zu fördern. Dadurch werden in großer Breite zusätzliche Fähigkeiten zum Nutzen der ganzen Gesellschaft erschlossen.

Der ungehinderte Zugang zu Bildung und Ausbildung, zu allen international verfügbaren Informationen, dem reichen Wissen, das die Wissenschaft in aller Welt hervorgebracht hat, ist der Schlüssel für eine positive Entwicklung der arabischen Länder auf wirtschaftlichem, sozialem, kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet.

Die Grundentscheidung zugunsten einer breiten Bildung und des ungehinderten Zugangs zu international verfügbaren Informationen für ihre Bürgerinnen und Bürger müssen die arabischen Länder selbst treffen. Wir, die Deutschen und Europäer, werden dann helfen, wenn es um die technische Infrastruktur geht, aber auch um die Auswertung wissenschaftlicher Erfahrungen, die wir selbst gemacht haben.

Auch auf einem anderen Feld können wir mit unseren Erfahrungen helfen. Man braucht dezentrale Entscheidungsstrukturen für kommunale Angelegenheiten. Der Straßenbau, die Wasserversorgung, die Elektrizität, die Abfallbeseitigung sind z. B. Themen, ebenso wie der Umweltschutz, die nur dann im Bewusstsein der Bevölkerung verankert werden können, wenn sie eigene Verantwortung dafür übernimmt. Das geschieht am besten auf der lokalen Ebene über Gemeinderäte, Ausschüsse lokaler Art, aber auch über Vereine, die sich z.B. für die Förderung von Schulen und Kindergärten einsetzen und deren Aufgabenspektrum auf diesem Gebieten klar beschrieben ist. Die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wäre nicht annähernd so erfolgreich gewesen, wie sie es am Schluss war, wenn wir nicht von Anfang an aus guter Tradition heraus die lokale Verantwortung in den örtlichen Angelegenheiten akzeptiert und gefördert hätten.

Die Frage des Zugangs zum Wasser ist eine zentrale Frage auch unter dem Gesichtspunkt des friedlichen Zusammenlebens der Länder in verschiedenen Teilen des Nahen Ostens. Wir Deutschen können sicherlich mit unserem Wissen über Wassergewinnung und Wasserverteilung, über die Wasserreinigung, also dem ganzen Kreislauf, helfen. Die Grundentscheidung aber, wie unter fairen Gesichtspunkten der Zugang zum lebensnotwendigen Wasser für alle beteiligten Länder gewährleistet werden kann, muß von diesen untereinander getroffen werden. Diese Entscheidung kann den beteiligten Ländern niemand abnehmen.

Ich bin sicher, dass ich, nach dem, was ich bisher gesagt habe, wahrscheinlich Kritik erfahren werde, weil ich bisher weder das Thema politische Reformen noch das Thema Menschenrechte ausdrücklich angesprochen habe. Wenn Sie sich meine Beispiele einer möglichen Deutsch- und Europäisch-Arabischen Zusammenarbeit noch einmal durch den Kopf gehen lassen, werden Sie feststellen, dass im Mittelpunkt meiner Überlegungen die Verbesserung der Lebensverhältnisse, der Rechte, der Chancen und Möglichkeiten eines jeden einzelnen Menschen in der arabischen Welt stehen. In dem Umfang, in dem die Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Europa und der arabischen Welt auf diesen Feldern erfolgreich ist, werden sich die Probleme im Bereich der politischen Partizipation und der Menschenrechte mindern. Und es besteht eine Chance, dass die Menschen bei diesem Veränderungsprozess mitgenommen werden und sie ihn verstehen können.

Gleichwohl gibt es Rahmen, die für die Deutsch-Arabische und die Europäisch-Arabische Zusammenarbeit von besonderer Bedeutung sind. Hier will ich den Barcelona-Prozess ansprechen, der ja auch perspektivisch und zum Teil visionär angelegt ist. Dieser Barcelona-Prozess, der das Miteinander der Mittelmeer-Anrainerstaaten anspricht, will zum einen die politische und sicherheitspolitische Partnerschaft, zum anderen die Wirtschafts- und Finanzpartnerschaft, und schließlich die soziale, kulturelle und menschliche Partnerschaft zwischen den Ländern im Mittelmeerraum fördern.

Wir müssen alles daransetzen, dass dieser Barcelona-Prozess schnellere Fortschritte macht, weil er auch geeignet ist, den Dialog zwischen Kulturen und Zivilisationen und das wechselseitige Verständnis füreinander zur verstärken, Ängste und Vorbehalten abzubauen und das Augenmerk vor allem auf die positiven Entwicklungsmöglichkeiten unserer Partnerschaft zu richten.

Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass im Laufe der nächsten Jahre die Voraussetzungen dafür geschaffen werden können, auch die Staaten der arabischen Halbinsel, die bislang nicht an diesem Prozess beteiligt sind, in diesen Prozess einzubeziehen, und damit der Zusammenarbeit zwischen Europa und den arabischen Nachbarn nicht nur einen Rahmen, sondern auch eine für die menschliche Entwicklung positive Perspektive zu geben.

"Deutschland und die arabischen Länder - Visionen und Perspektiven" - das war das Thema, mit dem ich mich zum Schluss unserer Tage der Arabischen Welt im Deutschen Bundestag auseinandergesetzt habe. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, darzustellen, dass es Visionen und Perspektiven gibt. Ich hoffe, es ist mir gelungen, deutlich zu machen, dass aus unserer, der deutschen Sicht, nicht die Bevormundung, sondern die Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe, die unverzichtbare Grundlage einer fruchtbaren Zusammenarbeit sein muss.

Dabei ist es Grundvoraussetzung, dass in den Ländern der arabischen Welt Richtungsentscheidungen getroffen werden müssen, die die Chancen des einzelnen Menschen in den arabischen Ländern nachhaltig verbessern und befördern. Dazu können wir mit unserem Rat, aber auch mit unserer Hilfe beitragen."

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Quelle: http://www.bundestag.de/aktuell/presse/2004/pz_0412034
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