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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Hans H. Gattermann, FDP Dr. Wolfgang Götzer, CDU/CSU >>

Natürlich sind Fragen der Funktionalität von Parlamentsentscheidungen und Regierungsabläufen Sekundärargumente. Aber man würde wohl gröblichst seine Verantwortung verletzen, wenn man solche Argumente in einer Zeit auf die leichte Schulter nähme, in der es gerade im Hinblick auf den Aufbau der neuen Bundesländer auf Effektivität von Parlament und Regierung ankommt und in der die finanzielle Situation und die Verschuldungslage des Staates in einem Maße angespannt ist, das wir in der alten Bundesrepublik Deutschland bisher nicht gekannt haben. Wer finanzpolitische Solidität einfordert, offenbart keine Krämerseele.

Natürlich ist die persönliche Betroffenheit derer, die sich an vielfache Erklärungen aus den letzten vierzig Jahren erinnern und die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt in Gefahr sehen, ein gewichtiger Gesichtspunkt. Man kann nicht einfach wegschieben, daß zumindest mehrheitlich in den Landtagen der neuen Länder in einer Entscheidung für Berlin als Regierungs- und Parlamentssitz ein hoffnungsspendendes Zeichen gesehen wird. Aber kann solche Betroffenheit das zentrale Entscheidungsargument sein? Nicht jeder Abgeordnete ist in dem beschriebenen Sinne betroffen, und nicht jeder Bürger in den neuen Ländern teilt die Mehrheitssicht der Landtage. Persönliche Betroffenheit gibt es natürlich umgekehrt auch bei den vielen Menschen in der Region Bonn, deren soziale und berufliche Welt bei einer Entscheidung für Berlin ins Wanken geriete -- und das sind, um es im Beamtenjargon zu sagen, nicht die mit der B-Besoldung, sondern vor allem die kleinen Leute.

Natürlich sind Fragen der geschichtlichen Entwicklung von Bedeutung. Und es mag sein, daß sich daraus für den einen oder anderen oder sogar die Mehrheit bessere Antworten für Berlin ergeben könnten. Daß es die Mehrheit ist, bezweifle ich. Aber die geschichtliche Betrachtung hat überhaupt nur Bedeutung, soweit sie Hilfestellung bei der Beantwortung der Zukunftsfragen gibt.

Natürlich haben städtebauliche, raumordnungspolitische, verkehrspolitische, umweltpolitische Erwägungen und ihre Einordnung in die föderalistische Struktur Deutschlands ihre Bedeutung. Natürlich kann man nicht übersehen, daß große Ballungsräume mit Regierungs- und Parlamentssitz offenbar kaum beherrschbar sind. Es kommt ja nicht von ungefähr, daß Tokio über die Verlagerung von Regierung und Parlament nachdenkt, daß neuerdings Madrid mit einem Kostenaufwand von 10 Milliarden DM die Verlagerung von Regierung und Parlament an seine Peripherie prüft.

Nein, die entscheidende Frage ist die der Bedeutung von Hauptstadt, Regierungs- und Parlamentssitz für den Aufbau der neuen deutschen Identifikation, für die deutsche Rolle in der Welt, für den besten deutschen Beitrag zum Aufbau Europas und zur Sicherung von Frieden und sozialer Gerechtigkeit in der Welt. Dazu müssen wir heute unseren Beitrag leisten. Aber den Löwenanteil an der Meisterung dieser Zukunftsaufgaben wird nicht mehr die Mehrheit derer zu erbringen haben, die heute hier streiten. Und deshalb hat es hier entscheidendes Gewicht, daß es in allen Fraktionen und in der Bevölkerung aller Bundesländer überwiegend die Jungen sind, die eindeutig Bonn präferieren. Wenn auch ich heute für Bonn plädiere und entscheide, dann deshalb, weil der 13., der 14. oder der

15. Deutsche Bundestag eine Entscheidung für Bonn leichter revidieren könnte als eine Entscheidung für Berlin. Und wenn dereinst die Generation, die die beschriebenen Aufgaben vollenden muß, ihre Entscheidung an die ihrer Großväter für Berlin anknüpft, dann muß uns das ebenso recht sein wie ein Festhalten an Bonn, das dann die Entscheidung der Väter ist.

Dr. Wolfgang Götzer, CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_127
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