Nie war er ohne seine Gitarre unterwegs. Er sang für Stewardessen, Hochseefischer und Bauarbeiter, gab zahllose Konzerte von Südamerika bis Sibirien und trat in Westernfilmen immer wieder als singender Cowboy auf. Der amerikanische Sänger und Schauspieler Dean Reed war zu Zeiten des Kalten Krieges in dem einen Teil der Welt ein Superstar. In der Sowjetunion und der DDR, wo er seit 1972 lebte, war er ungeheuer populär, doch in den USA konnte sich schon bald nachdem er das Land verlassen hatte kaum noch jemand an ihn erinnern.
Geboren wurde Reed 1938 auf einer Hühnerfarm in Colorado. Seine frühe Rock'n'Roll-Karriere führte ihn nach Hollywood und von dort schon bald nach Südamerika. Dort feierte er - im Gegensatz zu den USA, wo er sich nicht wirklich durchsetzen konnte - erste große Erfolge als Sänger. Hier wurzelte auch Reeds politisches Engagement, das seinen weiteren Lebensweg entscheidend prägen sollte. Bereits 1966 reiste Reed als Mitglied einer argentinischen Delegation zur Weltfriedenskonferenz nach Helsinki. Es folgte eine Einladung in die Sowjetunion, wo man ihn gewissermaßen als Geheimwaffe gegen die Beatles einzusetzen gedachte und wo er schnell zum Star avancierte.
Galionsfigur
Auf ausgedehnten Reisen durch die Sowjetunion und die anderen Ostblockstaaten entwickelte sich Reed zur Galionsfigur der sozialistischen Bruderstaaten. Seine frühere Karriere in den USA wurde dabei gern übertrieben dargestellt, um die propagandistische Verwertbarkeit des Amerikaners zu erhöhen. In der DDR trat Reed als Held zahlreicher DEFA-Produktionen auf. Zur politischen Spitze des Landes pflegte er freundschaftliche Beziehungen.
Neben der künstlerischen Karriere stellt Autor Stefan Ernsting auch Reeds politisches Engagement ausführlich dar und liefert detailreiche Fakten und Hintergründe. Es gibt Fotos, die Reed gemeinsam mit Salvador Allende zu dessen Amtseinführung 1970 in Chile zeigen, mit Jassir Arafat oder im Kreise palästinensischer Kämpfer im Libanon. Reed war bei seinen politischen Aktionen oft genug bereit, seine Karriere aufs Spiel zu setzen; er wurde bei Protestaktionen mehrfach verhaftet.
Um den frühen Tod des Popstars - Reed ertrank 1986 unter nicht restlos geklärten Umständen im Zeuthener See bei Berlin - ranken sich Legenden, obgleich ein Selbstmord sehr wahrscheinlich ist. Gerüchte wollen sogar wissen, dass der Entertainer als Doppelagent zwischen den Fronten des Kalten Krieges lavierte. Dankenswerter Weise verschont Ernsting den Leser mit abstrusen Verschwörungstheorien, berichtet vielmehr detailliert, wie sich die künstlerische Krise Dean Reeds bereits Jahre zuvor anbahnte. Weder als Schauspieler noch als Sänger war Reed der große Durchbruch gelungen, vor allem nicht im westlichen Europa und in seiner Heimat.
Mit der Öffnung der Sowjetunion rückte das Ende seiner Karriere unaufhaltsam näher. An eine Rückkehr in die USA war nicht zu denken. Der singende Cowboy war in eine Sackgasse geraten, künstlerisch wie politisch. Auf den Punkt gebracht hat das der DDR-Sänger und Komponist Reinhard Lakomy, den Ernsting zitiert: "Er (Reed) war ehrlich, uneitel, freundlich zu jedermann. Aber er war auch eine tragische Figur: Mit geballter Faust auf der Bühne Protestsongs singen in einem Land, das seine eigene Bevölkerung unter Verschluss hält, war anachronistisch, in den Augen der Zuschauer lächerlich. Das war ihm in seinen letzten Lebensjahren wohl bewusst."
Den acht chronologisch ausgerichteten Kapiteln, die Reeds Biografie gewissenhaft darstellen, folgen 100 Seiten Anhang mit Songtexten, einer Filmografie, Diskografie und einem Verzeichnis der TV-Shows und -Auftritte. Ernstings Buch ist nicht nur hervorragend recherchiert, sondern auch flüssig geschrieben. Darüber hinaus erfährt der Leser auf beiläufige Weise zahlreiche interessante Details aus Film- und Musikgeschichte.
Stefan Ernsting
Der rote Elvis. Dean Reed oder Das kuriose
Leben eines US-Rockstars in der DDR.
Gustav Kiepenheuer Verlag, Berlin 2004; 314 S., 22,50 Euro