Im Schatten einer steilen Felswand kauern die bescheidenen Wohngebäude von Phiring, einer typischen Landgemeinde im Norden der Provinz Mpumalunga. "Platz, an dem die Sonne aufgeht", lautet die deutsche Übersetzung dieses Begriffes aus der Swazi-Sprache; er bezieht sich auf einen der fruchtbarsten und regenreichsten Landstriche im Osten Südafrikas. Während im höher gelegenen Highveld vornehmlich Getreide angebaut wird, kultiviert man im subtropischen Lowveld Gemüse und Obst. Rund ein Drittel der südafrikanischen Orangenproduktion stammt aus Mpumalanga, wo knapp drei Millionen Menschen leben.
Während ihres Zuges vom Kap in Richtung Norden ließen sich dort im 19. Jahrhundert weiße Landwirte nieder, sie tauften die Landschaft Ost-Transvaal und gründeten Städte mit Namen wie Ohrigstad, Burgersfort oder Machadodorp. Die weiße Minderheit brachte allmählich riesige Agrarflächen in ihren Besitz; die ursprünglich dort lebenden Schwarzen wurden zwangsumgesiedelt.
Seit dem Ende der Apartheid ändern sich die Besitzverhältnisse langsam. So sind die 411 Familien der Gemeinde Phiring vor sieben Jahren Eigentümer des Landes geworden, auf dem sie sich bis zu diesem Zeitpunkt als Farmarbeiter eines weißen Besitzers verdingt hatten. Dieser hatte sich auf Antrag der Regierung bereit erklärt, seinen Besitz zu verkaufen. Auf 320 Hektar Acker- und Weideland bauen sie nun Weizen, Mais, Bohnen und die Futterpflanze Luzerne an und betreiben Viehzucht.
Den Preis für den Erwerb der Farm konnten die Kaufwilligen dank eines staatlichen Zuschusses begleichen, dann gründeten sie zur gemeinsamen Verwaltung ein Treuhandkomitee, den Noko Development Trust.
Sarel Mokoena ist Direktor des Komitees, selbstbewusst zeigt er dem Besucher die ausgedehnten Ländereien. "Endlich gehörte das Land uns", erinnert sich der hochgewachsene Mann mit den kräftigen Händen an die Landübernahme. "Allerdings fehlte das Geld. Wir versuchten unser Glück mit dem Anbau von Paprika, wofür man keine großen Summen braucht." Dann setzte das Kollektiv auf die Futterpflanze Luzerne und erschloss einen regionalen Markt. Als der ersehnte Geldregen dennoch ausblieb, "wurden die Farmer unzufrieden, sie warfen dem Trust Unfähigkeit vor und wollten ihn absetzen", erzählt Mokoena.
Mittlerweile haben sich die Wogen geglättet, die Einnahmen steigen seit Jahren moderat an, selbst einen neuen Traktor konnte man sich leisten. Die ganze Bewirtschaftungsfläche wird nun genutzt, jetzt können die Landwirte endlich ihre Wohnhäuser erweitern. Heute gilt die Stachelschweinfarm, so die deutsche Übersetzung, als Vorzeigebeispiel für die gelungene Umverteilung von Farmland aus weißem Besitz an schwarze Landwirte.
An der Erfolgsstory von Phiring haben die Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation "The Rural Action Commitee Mpumalunga" (TRAC) einige Kapitel mitgeschrieben. TRAC wurde während der Apartheid als Hilfsorganisation für die auf dem Land lebenden Opfer der Rassenausgrenzung gegründet und wird durch die Deutsche Welthungerhilfe (DWHH) unterstützt.
Heute berät TRAC schwarze Pächter und Farmer, die sich über den Landerwerb selbständig machen wollen, verschafft ihnen Zugang zu Krediten und vor allem zu Weiterbildung. "Denn diese Menschen waren seit jeher daran gewöhnt, für einen Chef zu arbeiten; wie eine Farm betriebswirtschaftlich geführt wird und dass man als Besitzer vielfältige Verantwortung zu übernehmen hat, müssen sie erst erlernen", bekräftigt TRAC-Mitarbeiter Emile de Kock. Zwar habe die Regierung 1994 ein ehrgeiziges Landreformprogramm gestartet; nach dem Landerwerb "lässt die Regierung die neuen Besitzer jedoch im Regen stehen", fügt de Kock hinzu.
Deswegen platzt der Traum von der schwarzen Selbstständigkeit, dem "Black economic empowerment" (BEE), oft nach wenigen Monaten wie eine Seifenblase. "Schlechtes Management und Missernten wirken entmutigend und lassen den Schuldenberg wachsen, am Schluss droht der Konkursverwalter", erläutert de Kock.
Das größte TRAC-Projekt ist die Coromandel-Farm, einst im Besitz eines weißen Multimillionärs, der den 5.852 Hektar umfassenden Betrieb an seine ehemaligen Arbeiter veräußert hat. Allerdings war der Preis so hoch ausgefallen, dass sich der Staatszuschuss als zu gering erwies, "wir mussten einen Bankkredit aufnehmen", klagt Trustleiter Brian Phokane. Chronischer Geldmangel vereitelt seither alle Pläne, neue Produktionsmittel anzuschaffen, "wir können noch nicht einmal das ganze Gebiet voll bewirtschaften, um Güter anzubauen, nach denen große Nachfrage herrscht, etwa Blaubeeren, die nach Übersee exportiert werden", fügt Phokane betrübt hinzu. Mittlerweile sei man schon froh, wenn das Betriebsjahr mit ausgeglichenen Ergebnissen abschließe.
Am Rand der Provinzhauptstadt Nelspruit, im Dorf Cairns trauert Verkaufsmanagerin Mary Nkosi der Aufbruchstimmung nach dem Erwerb einer 17 Hektar großen Anbaufläche für Zitrusfrüchte nach. Die Euphorie habe sich gelegt, als die Landwirte festellen mussten, dass ihnen der Trust die versprochenen Monatsgehälter in Höhe von umgerechnet 100 Euro pro Arbeiter nur mit Verspätung und nicht in erwarteter Höhe auszahlte, erzählt sie.
Dabei hatte das Besitzerkollektiv Coca-Cola als Abnehmer gewonnen. Mary Nkosi Worten zufolge liefern die Landwirte ihre Ernte zunächst an eine lokale Fabrik zur Weiterverarbeitung, diese wiederum versorgt Coca-Cola. Das Getränkeunternehmen begleicht die ausstehende Rechnung wiederum direkt bei der regionalen Zitrusfrucht-Kooperative - und die denkt gar nicht daran, die der Fabrik und den Farmern zustehenden Beträge zu überweisen. Denn sowohl das Landwirtekollektiv als auch die Fabrikationsstätte sind bei der Kooperative seit Jahren bis über beide Ohren verschuldet, weswegen die eingehenden Beträge als Sicherheit behalten werden. "Immerhin bietet uns die Kooperative hochverzinsliche Kredite an", meint Mary Nkosi mit Galgenhumor, "damit wir unsere Gehälter wenigstens ab und zu bezahlen können."
Während die frustrierten Zitrusanbauern von Cairns einer ungewissen Zukunft entgegenblicken, haben die schwarzen Besitzer der Ebukoshini-Farm die Hoffnung schon fast aufgegeben. Gegenwärtig ist der Betrieb so hoch verschuldet, dass er vor dem Konkurs steht. Über Umverteilung waren die 111 Bauern in den Jahren 1996 bis 1997 an 638 Hektar Land gelangt, es gehörte bis dahin dem weißen Farmer und Tierarzt Pieter Kieviet (63), der für seinen Besitz als Kaufpreis umgerechnet etwa 200.000 Euro erhalten hatte. Kieviet, dessen Familie 1936 aus den Niederlanden nach Südafrika eingewandert war, beteiligte sich als Angehöriger des daraufhin gegründeten Trust an der Verwaltung seines ehemaligen Besitzes, dann drehte sich der Wind. Ein Hochwasser verursachte im Jahr 2000 große Schäden, das Geld wurde knapp. "Plötzlich war ich der Prügelknabe, für alles sollte ich verantwortlich sein", klagt Kieviet. "Die schwarzen Trustangehörigen haben mir vorgeworfen, ich hätte ihr Geld gestohlen, 2003 haben sie mich aus dem Trust geworfen", fügt er hinzu.
Man sieht ihm seine Enttäuschung über das misslungene Experiment deutlich an: "Sie wollten nicht akzeptieren, dass sie als Besitzer jetzt verantwortlich sind, und Buschbrände auch um drei Uhr morgens selber löschen, Zäune flicken und Wasserleitungen wieder instand setzen müssen", erinnert sich Kieviet, "das sollte alles ich für sie übernehmen".
Inzwischen hat sich der resignierte Farmer auch von seiner zweiten Farm getrennt; auf der "Engelsedraai" (Engelsschlaufe), für die seit 2003 ein Rückgabeantrag läuft, hat Kieviet bisher 760 Hektar Fläche mit Blumenzwiebeln, Tomaten, Mais und Soja bewirtschaftet. "Ich wollte die Farm ja freiwillig zurückgeben, da haben immer Schwarze gelebt, auf weiteren Streit hatte ich keine Lust", bekennt der Farmer. Wann die Rückgabe stattfindet, steht jedoch in den Sternen; da Pieter Kieviet von der zuständigen Behörde seit zwei Jahren nichts mehr gehört hat, bleibt er in der "Engelsschlaufe" weiterhin Besitzer auf Zeit.