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Pariser Verträge 1954

Auszüge aus der Schlußakte der Londoner Neun-Mächte-Konferenz über die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in das westliche Verteidigungssystem, 3. Oktober 1954

Die Konferenz der neun Mächte, Belgien, Kanada, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland und die Vereinigten Staaten, tagte von Dienstag, dem 28. September, bis Sonntag, dem 3. Oktober. Sie behandelte die wichtigsten Probleme der westlichen Welt, Sicherheit und europäische Integration im Rahmen einer dem Frieden und der Freiheit ergebenen atlantischen Gemeinschaft, die im Entstehen begriffen ist. In diesem Zusammenhang prüfte die Konferenz die Frage, wie die volle Assoziierung der Bundesrepublik Deutschland mit dem Westen sowie der deutsche Verteidigungsbeitrag gewährleistet werden könnten . . .

I. Deutschland

Die Regierungen Frankreichs, des Vereinten Königreichs und der Vereinigten Staaten erklären, daß sie die Politik verfolgen, das Besatzungsregime in der Bundesrepublik so bald wie möglich zu beenden, das Besatzungsstatut aufzuheben und die Alliierte Hohe Kommission abzuschaffen. Die drei Regierungen werden weiterhin bestimmte Verantwortlichkeiten in Deutschland wahrnehmen, die sich aus der internationalen Lage ergeben. Es ist beabsichtigt, sobald die erforderlichen parlamentarischen Verfahren beendet sind, die entprechenden vertraglichen Vereinbarungen für diese Zwecke abzuschließen und in Kraft zu setzen . . . Da etwas Zeit erforderlich sein wird, um diese Abmachungen fertigzustellen, haben die drei Regierungen inzwischen folgende Grundsatzerklärung abgegeben: "In der Überzeugung, daß dieses große Land nicht länger der Rechte beraubt bleiben darf, wie sie einem freien und demokratischen Volk von Rechts wegen zustehen, und in dem Wunsche, die Bundesrepublik Deutschland als gleichberechtigten Partner mit ihren Bemühungen um Frieden und Sicherheit zu assoziieren, wünschen die Regierungen Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika das Besatzungsregime sobald wie möglich zu beenden. Die Erfüllung dieser Politik erfordert die Regelung von Einzelfragen, um mit der Vergangenheit abzuschließen und die Zukunft vorzubereiten, und erfordert den Abschluß entsprechender parlamentarischer Verfahren . . .

II. Brüsseler Vertrag

Der Brüsseler Vertrag wird verstärkt und ausgebaut, um ihn zu einem wirksameren Kern der europäischen Integration zu gestalten. Zu diesem Zwecke sind folgende Abmachungen vereinbart worden:
a) Die Bundesrepublik Deutschland und Italien werden aufgefordert werden, dem Vertrag beizutreten, der in geeigneter Weise geändert wird, um dem Ziel der europäischen Einheit Nachdruck zu verleihen; die beiden Staaten haben sich zu diesem Beitritt bereiterklärt. Das System der gegenseitigen automatischen Beistandsleistung im Angriffsfalle wird damit auf die Bundesrepublik Deutschland und Italien ausgedehnt.
b) Die Struktur des Brüsseler Vertrages wird verstärkt werden. Insbesondere wird der in dem Vertrag vorgesehene Konsultativrat ein Rat mit Entscheidungsbefugnissen werden.
c) Der Aufgabenbereich der Brüsseler Vertragsorganisation wird erweitert, um weitere wichtige Funktionen einzuschließen:
- Der Umfang und die allgemeine Beschaffenheit des deutschen Verteidigungsbeitrags werden dem für die EVG festgesetzten Beitrag entsprechen.
- Der maximale Verteidigungsbeitrag, den alle Mitglieder der Brüsseler Vertragsorganisation zur NATO leisten, wird durch ein besonderes Abkommen festgesetzt, das die zahlenmäßigen Stärken bestimmt, welche nur mit einstimmiger Zustimmung erhöht werden können.
- Die Stärke und Bewaffnung der Heimatverteidigungsstreitkräfte und der Polizei auf dem Kontinent der Mitgliedstaaten der Brüsseler Vertragsorganisation werden durch Abmachungen innerhalb dieser Organisation bestimmt unter Berücksichtigung ihrer eigentlichen Aufgabe und auf der Grundlage der bestehenden Stärke und des Bedarfs.

Die Mächte des Brüsseler Vertrages vereinbaren, als Teil der Organisation des Brüsseler Vertrages eine Diensstelle für die Kontrolle der auf dem europäischen Kontinent befindlichen Waffen der kontinentalen Mitglieder der Organisation des Brüsseler Vertrages zu errichten. Die Bestimmungen lauteten im einzelnen wie folgt:
1. Die Dienststelle hat folgende Aufgaben:
a) dafür Sorge zu tragen, daß das Verbot der Herstellung bestimmter Waffentypen, wie es zwischen den Brüsseler Mächten vereinbart wurde, eingehalten wird;
b) die Lagerbestände zu kontrollieren, die von jedem Staat auf dem Kontinent von den im nachstehenden Absatz erwähnten Waffentypen unterhalten werden. Diese Kontrolle erstreckt sich auf die Erzeugung und Einfuhr in dem Maße, das erforderlich ist, um die Kontrolle der Lagerbestände wirksam zu gestalten.
2. Die nach Absatz 1 (b) zu kontrollierenden Waffentypen sind:
a) Waffen der Kategorien römisch I, römisch II und römisch III in Anlage römisch II zu Artikel 107 des EVG-Vertrages;
b) Waffen der anderen Kategorien, wie sie in Anlage römisch II zu Artikel 107 des EVG-Vertrages aufgeführt sind;
c) eine Liste schwerer Waffen aus der Anlage römisch I zu demselben Artikel, die später von einer Gruppe von Sachverständigen aufgestellt werden soll.
Es werden Maßnahmen getroffen, um von der Kontrolle Rohstoffe und Fertigerzeugnisse der obenerwähnten Listen für den Zivilverbrauch auszuschließen.
3. Was die in Absatz 2 (a) erwähnten Waffen betrifft, so wird, sobald die Staaten, die das Recht zur Erzeugung dieser Waffen nicht aufgegeben haben, das Versuchsstadium abgeschlossen haben und zur eigentlichen Erzeugung dieser Waffen übergegangen sind, die Höhe der Lagerbestände, welche sie auf dem Kontinent unterhalten dürfen, vom Rat des Brüsseler Vertrages mit Mehrheitsbeschluß festgelegt.
4. Die kontinentalen Mitglieder der Organisation des Brüsseler Vertrages vereinbaren, keine Läger anzulegen oder die in Absatz 2 (b) und (c) genannten Waffen über die Grenzen hinaus zu erzeugen, die erforderlich sind,
a) für die Ausrüstung ihrer Streitkräfte unter Berücksichtigung aller Einfuhren unter Einschluß der Außenhilfe und
b) für die Ausfuhr.
5. Der Bedarf für ihre NATO-Streitkräfte wird auf der Grundlage der Ergebnisse der Jahreserhebung und der Empfehlungen der militärischen Behörden der NATO festgelegt.
6. Für Streitkräfte, die unter nationaler Kontrolle verbleiben, muß die Höhe der Lagerbestände der Stärke und der Aufgabe dieser Streitkräfte entsprechen. Diese Höhe ist der Dienststelle zu melden.
7. Alle Ein- und Ausfuhren der kontrollierten Waffen sind der Dienststelle zu melden.
8. Die Dienststelle wird tätig durch Sammlung und Prüfung statistischer und haushaltstechnischer Angaben. Sie macht Stichproben und führt diejenigen Besichtigungen und Inspektionen aus, die gegebenenfalls erforderlich sind, damit sie ihre Aufgaben nach Absatz 1 erfüllen kann.
9. Die Verfahrensordnung für die Dienststelle ist in ihren Grundzügen in einem Protokoll zu dem Brüsseler Vertrag niederzulegen.
10. Stellt die Dienststelle fest, daß die Verbote nicht eingehalten werden oder daß die angemessene Höhe der Lagerbestände überschritten wird, so unterrichtet sie den Brüsseler Rat entsprechend.
11. Die Dienststelle berichtet dem Brüsseler Rat, dem gegenüber sie verantwortlich ist; dieser trifft seine Entscheidungen über ihm von der Dienststelle vorgelegte Fragen durch Mehrheitsbeschluß.
12. Der Brüsseler Rat erstattet den Delegierten der Brüsseler Vertragsmächte bei der Beratenden Versammlung des Europarats einen Jahresbericht über seine Tätigkeit in bezug auf die Rüstungskontrolle.
13. Die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und Kanadas werden die Organisation des Brüsseler Vertrages von der militärischen Hilfe in Kenntnis setzen, die an die kontinentalen Mitglieder dieser Organisation verteilt wird. Die Organisation kann dazu schriftlich Stellung nehmen.
14. Der Brüsseler Rat wird eine Arbeitsgruppe bilden, um den von der französischen Regierung vorgelegten Entwurf einer Direktive und sonstige Dokumente zu prüfen, die gegebenenfalls zur Frage der Rüstungsproduktion und -normung vorgelegt werden.
15. Die Brüsseler Vertragsmächte haben die nachstehende Erklärung des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland zur Kenntnis genommen und bekunden ihr Einverständnis damit:
Der Bundeskanzler erklärt, daß sich die Bundesrepublik verpflichtet, auf ihrem Gebiet keine Atomwaffen, chemische Waffen oder biologische Waffen herzustellen, wie sie in der beigefügten Liste unter römisch I, römisch II und römisch III näher beschrieben sind; daß sie sich ferner verpflichtet, auf ihrem Gebiet diejenigen Waffen nicht herzustellen, wie sie in der beigefügten Liste unter römisch IV, römisch V und römisch VI näher beschrieben sind. Eine änderung oder Aufhebung des Inhalts der Ziffern römisch IV, römisch V und römisch VI kann auf Antrag der Bundesrepublik durch einen Beschluß des Brüsseler Ministerrats mit Zweidrittel-Mehrheit erfolgen, wenn ein entsprechender Vorschlag durch den zuständigen Obersten militärischen Befehlshaber der NATO gemacht wird; daß die Bundesrepublik damit einverstanden ist, die Einhaltung dieser Verpflichtung durch die zuständige Behörde der Brüsseler Vertragsorganisation überwachen zu lassen.


Quelle: Bulletin, Nr. 188 vom 6. 10. 1954, S. 1663-1666


Protokoll zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland, Paris, 23. Oktober 1954

Die Parteien des am 4. April 1949 in Washington unterzeichneten Nordatlantikvertrages Sind überzeugt, daß die Sicherheit des Nordatlantikgebiets durch den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu diesem Vertrag verstärkt wird, und Stellen fest, daß die Bundesrepublik Deutschland durch ihre Erklärung vom 3. Oktober 1954 die in Artikel 2 der Satzung der Vereinten Nationen niedergelegten Verpflichtungen übernommen und sich verpflichtet hat, mit ihrem Beitritt zum Nordatlantikvertrag sich jeglicher Handlung zu enthalten, die mit dem rein defensiven Charakter dieses Vertrags unvereinbar ist, und Stellen ferner fest, daß die Regierungen aller Parteien sich der im Zusammenhang mit der genannten Erklärung der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls am 3. Oktober 1954 angegebenen Erklärung der Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland und der Französischen Republik angeschlossen haben, Und vereinbaren:

Artikel I

Mit dem Inkrafttreten dieses Protokolls wird die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika im Namen aller Parteien der Regierung der Bundesrepublik Deutschland eine Einladung übermitteln, dem Nordatlantikvertrag beizutreten. Daraufhin wird die Bundesrepublik Deutschland an dem Tage, an dem sie gemäß Artikel 10 des Vertrags die Beitrittsurkunde bei der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hinterlegt, Partei dieses Vertrags.

Artikel II

Dieses Protokoll tritt in Kraft, wenn
a)alle Parteien des Nordatlantikvertrags der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika die Annahme dieses Protokolls mitgeteilt haben,
b)alle Ratifikationsurkunden zu dem Protokoll zur änderung und Ergänzung des Brüsseler Vertrags bei der belgischen Regierung hinterlegt worden sind und
c)alle Ratifikations- und Genehmigungsurkunden zu dem Abkommen über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland bei der Regierung der Bundesrepublik Deutschland hinterlegt worden sind. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika teilt den übrigen Parteien des Nordatlantikvertrags das Eingangsdatum jeder Benachrichtigung von der Annahme dieses Protokolls sowie den Tag des Inkrafttretens dieses Protokolls mit.

Artikel III

Dieses Protokoll, dessen englischer und französischer Wortlaut in gleicher Weise maßgebend ist, wird in den Archiven der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hinterlegt. Diese übermittelt den Regierungen der übrigen Parteien des Nordatlantikvertrags ordnungsgemäß beglaubigte Abschriften.

Quelle: Die Atlantische Gemeinschaft. Grundlagen und Ziele der Organisation des Nordatlantikvertrages. Eine Dokumentation. Herausgegeben vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Bundesdruckerei, Bonn 1972, S. 281/282.

Quelle: http://www.bundestag.de/geschichte/parlhist/dokumente/dok03
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