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November 10/1999
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Interview

"Ich wünsche mir mehr Interesse von einzelnen Bürgern"

Interview mit dem Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses, Klaus Kirschner (SPD)

Blickpunkt Bundestag: Herr Kirschner, die Gesundheitsreform steht seit dem Regierungswechsel immer wieder im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Wie wirkt sich das auf die Arbeit im Ausschuss aus?

Klaus Kirschner (SPD)

Klaus Kirschner: Die Atmosphäre ist von gegenseitigem Respekt und dem Interesse an der Sache geprägt. Die ärgerliche Panne bei der Abstimmung der Gesundheitsreform im Bundestag, als der im Gesundheitsausschuss beschlossene Text nicht mit der Vorlage im Bundestag übereinstimmte, hat diese Atmosphäre allerdings vergiftet. Normalerweise wird im Ausschuss in der Sache zwar hart und kontrovers diskutiert, aber so emotional wie in der Öffentlichkeit geht es hinter verschlossenen Türen nicht zu.

"Atmosphäre ist von Respekt geprägt"


Ist eine sachliche Arbeit trotz der Fronten in der Diskussion um die Gesundheitsreform tatsächlich möglich?

Anders wäre die Arbeit gar nicht zu bewältigen gewesen. Wir mussten in sehr kurzer Zeit die Gesundheitsreform und eine Unmenge von Änderungsanträgen dazu beraten. Vor allem für die kleineren Fraktionen war das oft schwierig, weil sich dort die Arbeit nicht auf so viele Schultern verteilen lässt.

Wird die Arbeit von der öffentlichen Kritik und den Wünschen und Anregungen der Lobbygruppen stark beeinflusst?

Die Demonstrationen in den letzten Monaten spielen für uns nicht eine so große Rolle. Aber jedes Ausschussmitglied hat eine Vielzahl von einzelnen Gesprächen mit Vertretern der Interessenverbände geführt. Und selbstverständlich überlegen wir hinterher, ob derjenige mit seinen Bedenken oder seiner Kritik Recht hatte. Und genauso haben wir das auch nach den Anhörungen überlegt.

Berücksichtigen Sie auch Wünsche und Anregungen einzelner Bürger?

Leider schildern uns einzelne Patienten und Versicherte viel zu selten ihr Schicksal. Da würde ich mir ein größeres Interesse wünschen. Die Verbände setzen zwar sehr geschickt einzelne Bürger ein, aber es wird meist doch sehr deutlich, dass damit Verbandsinteressen vertreten werden.

Sind die anderen Themen des Gesundheitsausschusses in den vergangenen Monaten zu kurz gekommen?

"Wir wollen die bestmögliche Sicherheit"

Ganz sicher sogar. Das gilt vor allem für den gesundheitlichen Verbraucherschutz, der meiner Ansicht nach ein zentrales Thema ist, das auch immer mehr von Europa her bestimmt wird. Das musste wie andere Themen hinter den aktuellen Beratungen zur Gesundheitsreform zurückstehen. Aber wir hatten gerade eine Anhörung zum Thema Drogen, bei der es darum ging, wie wir in Zukunft Süchtigen helfen. Wir wollen die bestmögliche Sicherheit und Kontrolle beim Verbrauch von Betäubungsmitteln in Drogenkonsumräumen dadurch gewährleisten, dass qualifizierte Beratung und Hilfe geleistet wird, wobei dem Personal jede aktive Unterstützung des Drogenkonsums untersagt bleiben muss.

Es wird in jüngster Zeit verstärkt darüber diskutiert, die Ausschüsse öffentlich zugänglich zu machen. Wie sehen Sie das für den Gesundheitsausschuss?

Wir hatten allein im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform fünf öffentliche Anhörungen. Die Anhörungen müssen meiner Ansicht nach auch öffentlich sein. Ich halte es darüber hinaus für richtig, bei bestimmten Themen den Ausschuss zu öffnen. Spätestens jedoch, wenn das Interesse der Medien geweckt ist, werden leider allerdings mehr öffentliche Reden gehalten.

"Leider mehr öffentliche Reden"

Herr Kirschner, Sie sind ein "alter Hase" in der Gesundheitspolitik. Sie waren in der elften Legislaturperiode Vorsitzender der Enquete-Kommission "Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung" und bis 1998 gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Aus welchem Amt haben Sie den größten Nutzen für Ihre Arbeit als Ausschussvorsitzender gezogen?

Bei meiner Arbeit in der Enquete-Kommission habe ich mir sehr viel Wissen angeeignet, die Arbeit dort hat mir richtig Spaß gemacht. Und die Enquete-Kommission insgesamt hat auch die Gesundheitspolitik befruchtet. Ihren Empfehlungen ist es beispielsweise zu verdanken, dass Kassenpatienten heute ihre Krankenkasse selbst wählen dürfen. Und wir haben auch damals schon gefordert, die hausärztliche Ausbildung zu stärken und dem Hausarzt eine andere Funktion zu geben, etwas, das jetzt gerade umgesetzt wird.

Für die gesundheitspolitische Arbeit habe ich aber auch sehr großen Nutzen aus meiner Tätigkeit im Widerspruchsausschuss einer Krankenkasse gezogen. Dort bin ich direkt mit den Bedürfnissen und Wünschen der Versicherten konfrontiert worden.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9910/9910083
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