Der Strand zwischen Salina Bay und Ghallis Rocks im Nordosten von Malta gehörte früher zu den schönsten Plätzen der Mittelmeerinsel. Doch mittlerweile verschandelt eine riesige Müllkippe Umwelt und Landschaft. Sie liegt nur einige 100 Meter entfernt, auf der anderen Seite der Küstenstraße. Bauschutt, Industrieabfall und Hausmüll - sogar Reste von Tierkadavern und medizinische Abfälle wollen Umweltschützer bei Stichproben dort schon gefunden haben. Der Präsident der Denkmal- und Umweltschutzgruppe Din l-Art Helwa Martin Scicluna sagt: "Berichte zeigen, dass die Deponie im höchsten Maße giftig und umweltgefährdend ist. Der Müllberg liegt direkt am Meer, und die Regierung selbst hat diese Küstenregion für Schwimmer gesperrt". Der Betreiber, der maltesische Staat, hat die Deponie nicht abgedichtet. Das heißt, die Schadstoffe können ungehindert ins Meer und ins Grundwasser gelangen. Die Umweltbelastung wird nicht regelmäßig kontrolliert. Jahrelang wussten die Malteser nichts davon. Doch mittlerweile berichten die Zeitungen täglich über das gravierende Problem. Dennoch machen sich die Einwohner des kleinen Inselstaates weniger Sorgen über das Gift als vielmehr über das katastrophale Aussehen der Deponie. Mount Maghtab, wie die Bevölkerung ihre Kippe nennt, ist nämlich der höchste Berg Maltas, eine zweifelhafte Erhebung aus qualmenden und stinkenden Müllresten. Der stellvertretende Leiter der maltesischen Handelskammer Kevin Borg sagt: "Wir denken, dass die Deponie allzu nah bei den Touristenattraktionen liegt und sie beeinträchtigt. Wir üben daher Druck auf die Regierung aus, einen anderen Ort dafür zu finden oder ein besseres Abfallmanagement einzuführen".
Beide Vorschläge sind jedoch nicht so einfach umzusetzen, wie es den Experten scheint. Malta, nur ein Viertel so groß wie die deutsche Hauptstadt Berlin, ist das am dichtesten besiedelte Land Europas. Schon jetzt gibt es keine abgeschiedenen Plätze mehr, wo der Abfall ungestört vor sich hin faulen könnte. Der Bauboom frisst die noch verbliebenen Grundstücke auf. Feriensiedlungen, Apartmenthäuser und Hotels - wöchentlich kommt irgendwo auf der beliebten Ferieninsel ein neues Gebäude hinzu. Kevin Borg: "Malta ist so klein. Egal, wo man den Müll hinschüttet. Er ist immer im Weg". Das Beste wäre also, erst gar keinen Müll entstehen zu lassen, zum Beispiel indem man so viele Wertstoffe wie möglich wiederverwertet. Die Städte haben vor einigen Jahren versucht, ein solches Recyclingsystem einzuführen. Die verschiedenfarbigen Wertstoffmülltonnen stehen bis heute an der einen oder anderen Ecke. Aber das Projekt ist am Desinteresse der Bevölkerung gescheitert. Die Verantwortlichen haben es versäumt, Mülltrennung zur Pflicht zu machen. Irgendwann, wenn Malta demnächst die Umweltstandards der EU umsetzen muss, wird sich das vermutlich ändern. Doch heute arbeitet Green Skip Services, das erste maltesische Recyclingunternehmen, fast nur noch mit Unternehmen und Hotels zusammen. Eine der beiden Gründerinnen Mary Gaerty erklärt warum: "Viele Unternehmen versuchen gerade, die internationalen Qualitätsnormen wie zum Beispiel die ISO 14.000 einzuführen. Das bedeutet, sie müssen gewisse Umweltstandards einhalten".
Viele maltesische Unternehmen sind Ableger oder Zulieferer von Unternehmen aus England, Deutschland oder anderen "alt-europäischen" Staaten. Wenn diese nach den gängigen Umwelt- oder Managment-Normen zertifiziert sind, müssen sich auch die Tochter- oder Partnerunternehmen nach diesen Vorschriften richten. Das heißt, ein Teil der maltesischen Firmen richten sich auch jetzt schon nach den in der EU üblichen Qualitäts- und Umweltvorgaben, obwohl sie es laut maltesischem Gesetz noch gar nicht müssten. Und dann kommt noch ein finanzieller Aspekt hinzu. Mary Gaerty erklärt: "Sobald die Firmen Abfall trennen, merken sie, wie viel Müll sie produzieren, und denken darüber nach, wie sie dieses Material einsparen können. Wirtschaftlich macht das Sinn. Viele Unternehmen haben ihre Produktionsweise verändert und produzieren jetzt weniger Abfall. Langfristig haben Firmen von der Abfalltrennung profitiert".
Tüten auf die Straße
Im privaten Bereich fehlen diese finanziellen Anreize, um Abfall zu vermeiden. Die Müllabfuhr kostet nichts. Die Bürger stellen ihre Tüten auf die Strasse - um den Rest kümmert sich die Stadt. Warum sollen sich die Menschen die Mühe machen, Plastik, Glas oder Papier getrennt in Container zu werfen?
Eine andere Alternative, um Mensch und Umwelt zu schonen, wäre eine Müllverbrennungsanlage. Moderne Technik könnte die entstehenden Abgase aus der Luft filtern. Die gewonnene Energie könnte weiter genutzt werden. Doch Mary Geatery glaubt: "Die Bevölkerung ist gegen eine Müllverbrennungsanlage. Es ist eine lange Geschichte. Greenpeace war vor einiger Zeit hier und hat eine öffentliche Kampagne gegen eine Müllverbrennungsanlage geführt. Die Greenpeaceleute lassen da nicht mit sich reden und hören sich auch keine Gegenargumente an, aber sie haben auch keine bessere Lösung".
Doch eine zügige Lösung muss her. Die Europäische Union hat Malta im Zuge der Beitrittsverhandlungen energisch dazu aufgefordert, die alte Müllkippe zu schließen. Die Regierung will nun in einem überschaubaren Zeitraum eine neue, nach modernen Standards bewirtschaftete Deponie errichten. In der Zwischenzeit, bis diese endgültig in Betrieb gehen kann, wollen die Behörden die Abfallmassen in mehrere stillgelegte Steinbrüche kippen. Diese befinden sich dummerweise in der Nähe von vielbesuchten historischen und von der Unesco zu Denkmälern erklärten Sehenswürdigkeiten. Und dass derart verschämt abgeladener Müll zwar optisch entsorgt, aber dennoch kein Teil der Gegenwartskultur ist, der zu den antiken Ruinen dieser wunderschönen Insel passt, dürfte selbst bei den dafür zuständigen Fachleuten unbestritten sein. Barbara Minderjahn