Das Parlament
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Nr. 19 / 03.05.2004
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Volker Koop

Ein Vorbild für deutsche Städte?

City-Maut in London

Wer heute mit den Auto in die Londoner City fährt, muss sich umstellen. Über sieben Pfund muss er zahlen, um Einlass in die britische Metropole zu bekommen. Doch trotz aller Kritik im Vorfeld haben sich die Bewohner Londons längst daran gewöhnt, anders als die Gäste der Stadt. Sinn der Angelegenheit ist weniger, die Stadtkassen zu füllen, als viel mehr den überbordenden Verkehr in den Griff zu kriegen.

Auch andere Städte wie etwa Rom oder Athen, die von Abgasen besonders betroffen sind, haben sich neue Wege einfallen lassen, zur Verkehrsberuhigung beizutragen. In manchen Städten dürfen Autos nur an geraden Tagen die Innenstadt befahren, in anderen abwechselnd nur die mit geraden oder ungeraden Autokennzeichen. Viele Städte drohen im Verkehrschaos zu versinken. Auch in Deutschland wird darüber nachgedacht, wie der Verkehrsfluss - auch im Interesse einer besseren Lebensqualität - bewältigt werden kann. In manchen Städten wird laut über City-Maut nachgedacht, doch in Deutschland scheint dieser Weg kaum Chancen zu haben.

Eduard Oswald, Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Bundestages, hält die Einführung einer City-Maut nach Londoner Modell nicht für den geeigneten Weg, die Verkehrsverhältnisse in den deutschen Innenstädten zu verbessern: "Wir sollten die heute schon bestehenden Möglichkeiten zur Entzerrung des Verkehrs gezielter nutzen. So ist einmal schon über die Parkraumbewirtschaftung viel zu erreichen, indem die Gebühren der jeweiligen Verkehrsdichte angepasst werden. Ein Ausbau der Park-and-Ride-Anlagen verbunden mit einen attraktiven Angebot öffentlicher Verkehrsmittel könne darüber hinaus wirkungsvoll dazu beitragen, den Individualverkehr aus den Innenstadtbereichen heraus zu halten." Der Autofahrer werde in Deutschland durch die Kraftfahrzeugsteuer, eine hohe Mineralölsteuer und zusätzlich durch die von der rot-grünen Bundesregierung eingeführte Öko-Steuer in einem Ausmaß abkassiert, dass weitere Belastungen nicht mehr zumutbar seien. Oswald: "Wir können nicht zulassen, dass über eine City-Maut nur noch den finanziell besser gestellten Kreisen ein Befahren der Innenstadt ermöglicht wird."

Ähnlich sieht es Horst Friedrich, der Verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, für den das Londoner Modell einer Innenstadt-Maut ebenfalls kein Vorbild für die Situation in Deutschland sein kann. Die Verkehrsprobleme einer Zehn-Millionen Einwohnermetropole ließen sich nicht auf die Verhältnissen in deutschen Ober- und Mittelzentren übertragen. Es existierten bereits zahlreiche Möglichkeiten die Großstädte vom Verkehr zu entlasten. Inwieweit von Möglichkeiten wie Parkraumverknappung und Verteuerung, Bereitstellung von Park-and-Ride-Plätzen oder der Verbesserung der ÖPNV-Angebote Gebrauch gemacht werde, sei Sache der betroffenen Kommune. Friedrich: "Würde ein Bundesgesetz die Einführung einer City-Maut ermöglichen, müssten die Autofahrer mit einer Zweckentfremdung dieser Abgabe rechnen." Die Mineralölsteuer, die ursprünglich zur Finanzierung der Straßenverkehrsinfrastruktur erhoben worden sei, werde heute nur noch zu einem Zehntel zu diesem Zweck eingesetzt, der Rest gehe an Herrn Eichel zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung. Auch die Lkw-Maut, so Friedrich weiter, wenn sie eines Tages komme, werde nicht zweckgebunden verwendet. Genau so würde es mit einer City-Maut kommen: "Die Kommunen würden darin eine willkommene Einnahmequelle sehen. Das eigentliche Ziel, die innerstädtische Verkehrsbelastung zu reduzieren, würde schnell in den Hintergrund rücken. Die andere Verlierer wären die Betriebe des innerstädtischen Handels und Gewerbes. Schon heute bestehe eine Tendenz der Innenstädte und der Verlagerung von Einkaufsmöglichkeiten auf die "Grüne Wiese." Nicht zuletzt deswegen hätten Handel, Gewerbe und Kommunen die Einführung einer "Brötchentaste" gefordert, die ein kostenfreies Kurzzeitparken in Innenstadtlagen ermöglichen solle.

Einen völlig anderen Aspekt bringt der verkehrspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Albert Schmidt, ins Spiel. Er verweist darauf, dass zum 1. Januar 2005 eine Richtlinie zur Reinhaltung der Atemluft in Kraft treten wird, deren Einhaltung alle städtischen Ballungsräume vor große Herausforderungen stellen wird. Spätestens dann werde sich zeigen, dass eine ernsthafte und ideologiefreie Diskussion auch über Lenkungsinstrumente wie die City-Maut angebracht sei. Hauptziel einer City-Maut - so Schmidt - ist die Verlagerung von Anteilen des Pkw-Verkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel. Ausnahmeregelungen, zum Beispiel für Anwohner und für Körperbehinderte seien dabei zu berücksichtigen. Besonders umweltfreundliche Fahrzeuge könnten zudem von einer Nutzungsgebühr für das Befahren der Innenstädte ganz oder teilweise befreit werden. Viele Städte hätten bereits eine City-Maut eingeführt, erinnert Schmidt. Im Rahmen des EU-Programmes PROGRESS planten und erprobten Rom, Helsinki, Kopenhagem, Bristol, Edinburg, Genua und Göteborg die Einführung städtischer Verkehrsmautmodelle, um verkehrsbezogene Ziele zu erreichen und Geldmittel zu erlangen, wie es dort explizit heißt. Prominentestes Beispiel ist die Einführung einer City-Maut für das Zentrum von London im Februar 2003. Ziele dort sind: die Reduzierung des Verkehrsstaus, eine Verringerung der Unfälle und eine Beschleunigung wie auch des Gesamtverkehrs. Die Erlöse gehen in die Sanierung der U-Bahn. Nach einem halben Jahr konnte eine Zielerreichung in allen Punkten vermeldet werden. Die Akzeptanz der Maut ist so groß, dass die Londoner Stadtregierung eine Ausweitung auf die westlich angrenzenden Stadtteile vorgeschlagen hat. Schmidt ist der Überzeugung, dass die deutschen Kommunen daher gut beraten seien, das Instrument vorurteilslos zu prüfen sollten. Die Einführung einer City-Maut stelle eine Option dar, die die Bundesregierung nicht anordnen könne und werde, die aber in Entscheidungshoheit der Städte sein müssten.

Befürworter der City-Maut verweisen darauf, dass damit eine beachtliche Verkehrslenkung erreicht werden könne und die Mittel zur Verbesserung des ÖPNV beitragen könnten. Dies ist jedoch nur bei oberflächlicher Betrachtung logisch und vorteilhaft, ist die Auffassung des CDU-Abgeordneten Georg Brunnhuber. Auch eine belastungsabhängige Maut könne die Verkehrsspitzen zwischen 7.00 und 9.00 Uhr sowie zwischen 16.00 und 18.00 Uhr in deutschen Städten nicht in nennenswertem Umfang verändern. Brunnhuber: "Der ÖPNV ist eine öffentliche Aufgabe. Seine Finanzierung darf nicht dem Autofahrer allein aufgebürdet werden. Wer einen leistungsfähigen ÖPNV als Alternative zum Individualverkehr wünscht, sollte nicht noch mehr Subventionen und eine noch höhere Belastung des Straßenverkehrs fordern sondern sich für einen offenen und gleichberechtigten Wettbewerb aussprechen. Angesichts der Finanznot vieler Städte ist außerdem zu befürchten, dass die Einnahmen aus einer möglichen City-Maut in den allgemeinen Haushalt fließen." Er befürchtet, dass die Städte gegenüber dem Umland durch die Gebühren weiter an Attraktivität verlieren. Schon heute würden Einkaufszentren auf der "Grünen Wiese" mit kostenlosen Parkplätzen werben. Städte büßten somit als Wirtschaftsstandort mehr und mehr an Bedeutung ein. So verzeichneten die Händler in London nach der Maut-Einführung einen Umsatzrückgang von mehr als 15 Prozent.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.