Wenn sich in diesen Wochen die Menschen auf das Weihnachtsfest vorbereiten, gibt es eine große Gruppe, die davon nichts mitbekommt. Denn mitten im aufgeklärten und modernen Deutschland vegetieren Frauen, die aus ihren Heimatländern entweder mit Versprechen hergelockt oder gewaltsam entführt wurden. Sie wurden zur Prostitution gezwungen, und haben kaum eine Chance, ihrem Elend zu entkommen. Menschenhandel und Zwangsprostitution sind keine neue Erscheinung, doch da der "Markt" vorhanden ist, haben alle Bemühungen des Gesetzgebers, diese besonders schlimme Form der Organisierten Kriminalität in den Griff zu bekommen, bisher zumindest keine durchschlagenden Erfolge gebracht.
Jeder Schritt, mit dem die dunklen Geschäfte mit Menschen schärfer verfolgt werden können, bringt uns bei der Bekämpfung dieser abscheulichen Verbrechen voran." Mit dieser Auffassung steht die SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Innenausschusses, Cornelie Sonntag-Wolgast, nicht allein. Der Bundestag habe im breiten Konsens das Strafrechtsänderungsgesetz zur Umsetzung des Rahmengesetzes über den Menschenhandel beschlossen, und Europa tue sich zusammen, um dieser schwer erfassbaren Kriminalität zu Leibe zu rücken. Strafvorschriften, die den Menschenhandel zwecks sexueller Ausbeutung sanktionierten, seien verbessert worden. Strafbar sei nun nicht nur, Menschen in die Prostitution zu treiben, strafbar mache sich auch, wer sie in Peepshows oder Porno-Darstellungen ausnutze. Umfassender als bisher werde auch Menschenhandel zur Ausbeutung der Arbeitskraft geahndet. Cornelie Wolgast-Sonntag: "Das ist auch in den ?Anlieferungs'-Ländern wichtig, wie eine Delegation weiblicher Abgeordneter unter meiner Leitung in Litauen, Lettland und St. Petersburg erfuhr. Zumindest die baltischen Länder haben ihre Gesetze verschärft und verhängen nun auch Strafen gegen diejenigen Täter, die die Frauen (scheinbar?) freiwillig ins Ausland verschleppen." Vielfach, so zum Beispiel auch aus den Frauenorganisationen, werde - so die SPD-Expertin weiter - verlangt, auch die Freier zu bestrafen. Dieser Gedanke tauche im Gesetz nicht auf. Allerdings nicht aus einer klaren Contra-Haltung heraus, sondern weil die mit der Problematik verknüpften Fragen sehr ausführlich diskutiert werden müssten. Es gebe Formulierungsschwierigkeiten, es gebe auch - wie man sich denken könne - Probleme bei der "Beweisführung". "Freier dürften es auch unter Strafandrohung leicht haben zu behaupten, sie hätten keine Ahnung davon, dass das Objekt ihres ?Vergnügens' in Wahrheit Opfer der Zwangsprostitution ist - erpresserisch zur Auslieferung fast ihres gesamten Liebeslohns gedrängt und in dubiosen Herbergen quasi als Gefangene gehalten." Solange es eine gesetzliche Bestrafung noch nicht gebe, täten deshalb Warnung und Aufklärung an die Adresse der Freier not.
Einen Schritt weiter gehen die CDU-Abgeordneten Siegfried Kauder und Ute Granold, die in ihrer Fraktion für diesen rechtspolitischen Themenbereich zuständig sind. "Hinter dem Menschenhandel verbergen sich mafiose Strukturen. Es gibt Gewinne wie im Drogenhandel, und die Opfer dieser Machenschaften sind meist durch Täuschung und Zwang in eine fast ausweglose Situation geraten." Im Zusammenhang mit der Verschärfung der Strafgesetze sei der Tatbestand der Förderung des Menschenhandels neu eingeführt worden, um bisher bestehende Strafbarkeitslücken zu schließen. Dies alles betreffe die Täterseite, das Verhalten der Menschenhändler werde zukünftig umfassender bestraft. Doch auch für die Opfer werde eine derzeit diskutierte EU-Richtlinie vom April diesen Jahres Verbesserungen bringen, ist Siegfried Kauder zuversichtlich. Danach sollten auch Opfer, deren Herkunftsland außerhalb der Europäischen Union liege , einen Aufenthaltstitel in der EU erhalten, wenn sie mit Polizei, Strafverfolgungs- oder Justizbehörden bei der Bekämpfung des Menschenhandels zusammenarbeiteten. Dies solle ein effektiveres Vorgehen gegen die kriminellen Strukturen der Menschenhändler ermöglichen und gleichzeitig die Opfer vor Abschiebung schützen.
Dies ist dem CDU-Parlamentarier Siegfried Kauder nicht genug. Ein wesentlicher Aspekt stehe nämlich noch zur Bearbeitung an: die "Nachfrageseite". Kauder: "Wer das aus Menschenhandel und Zwangsprostitution herrührende Angebot nutzt, soll auch mit Bestrafung rechnen müssen. Der Hehler, der aus einem Diebstahl Vorteile zieht, wird bestraft. Gleiches muss dann auch für den Freier gelten, der vom Menschenhandel profitiert." Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass nicht jeder Freier die Hintergründe, die zur Zwangsprostitution geführt hätten, erkennen könne. Derjenige aber, der bewusst die Zwangslage dieser Frauen ausnutze oder diese leichtfertig nicht erkenne, soll zukünftig auch bestraft werden. Dass es zu Beweisproblemen kommen könne, sei kein Grund, hier Zurückhaltung zu üben. Das sei nicht viel anders, als bei vielen anderen Kontrolldelikten auch.
Auf den Unionsvorschlag, auch die Freier von Menschenhandelsopfern zu bestrafen, geht Irmingard Schewe-Gerigk ein. Die Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen verweist darauf, dass der entsprechende Vorschlag erst kurz vor den abschließenden Beratungen eingebracht worden sei. Er sei vorerst jedoch nicht in die aktuelle Strafrechtsreform aufgenommen worden, da sich das Strafgesetzbuch für politische Schnellschüsse nicht eigne. Die Grünen-Parlamentarierin bekräftigt jedoch: "Natürlich wollen auch wir nicht, dass Freier die Zwangslage von Menschenhandelsopfern ungestraft ausnutzen können. Der von der Union eingebrachte Vorschlag wirft aber rechtliche Fragen auf, die sehr sorgfältig geprüft werden müssen." So würde die geforderte Bestrafung auch leichtfertigen Verhaltens der Freier dem deutschen Sexualstrafrecht nicht entsprechen, in dem nur vorsätzliche Handlungen bestraft würden, und sie fährt fort: "Im Falle einer vorsätzlichen Ausnutzung der Zwangslage möchte ich eines sehr deutlich machen: Kein Argument gegen die Strafbarkeit von Freiern ist die Schwierigkeit des Nachweises, Denn mit dieser wurde schon einmal argumentiert, und zwar von konservativer Seite. Hätten wir darauf gehört, wären die Tatbestände gegen sexuelle Nötigung und Vergewaltigung bis heute nicht auf die Ehe ausgeweitet." Der Antrag der Union werde gründlich geprüft. So müsse zum Beispiel analysiert werden, ob der entsprechende Paragraph des Strafgesetzbuches bereits einige dieser Probleme abdecke, Mit der Hilfe von Fachleuten werde entschieden, wo und inwieweit strafrechtlicher Handlungsbedarf bestehe und welche Auswirkungen solch ein Gesetz auf die Betroffenen habe.