Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 17 / 25.04.2005
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Johanna Metz

Aufgekehrt...


"Wir sind Papst!" So jedenfalls titelte erregt die "Bild"-Zeitung nach der Wahl des Deutschen Joseph Ratzinger zum neuen Oberhirten. Wir. Die Deutschen. Also, auch Sie und Sie, und natürlich Sie. Alle sind wir Papst. Und wenn man den Medienberichten in den vergangenen Tagen glauben möchte - und Glaube versetzt ja bekanntlich Berge - wird nun alles besser. Dank Benedikt XVI. wird Deutschland und bald auch die ganze Welt aus dem Reformtrauma in den Traum vom Aufschwung taumeln.

Vorbei die Zeit von Depression und Massenarbeitslosigkeit! VW produziert in Zukunft statt Polos Papamobile fürs Volk, und H&M entwirft erschwingliche Papstroben für Jedermann. Wolfgang Clement und seine weltlichen Mitstreiter verwalten dann keine Arbeitslosen mehr, sondern allenfalls arbeitslose Pontifexe. Denn: Ja! Wir sind Papst! Und Clement, Schröder, Köhler und Co. sind die Oberpapas.

Dabei hätte sich die Papstwahl fast in Rauch aufgelöst. Die 115 Kardinäle - so jedenfalls schildert es ein redseliger holländischer Kardinal - hätten beinahe die ganze Sixtinische Kapelle in Schutt und Asche gelegt, beim Versuch, rein-weißen Dampf in den römischen Himmel zu jagen, um die von Millionen erwartete Botschaft zu verkünden: "Habemus Papam!"

Nun aber, wo es vollbracht ist, steigt aus allen Schornsteinen des Landes von jedem deutschen Dach weißer Rauch empor, und die Menschen blicken nach vorn. Wir sind wieder Wer, nach fast 500 Jahren, in denen kein Deutscher auf dem Heiligen Stuhl Platz genommen hat! Und alle Probleme sind gelöst: Vollbeschäftigung, Schlangen vor den Wahlkabinen und boomende Börsen erwarten uns, und die Sorgen der Koalition vor den NRW-Wahlen sind auch vom Tisch. Denn was für eine Fußball-WM gilt, gilt doch erst recht für die päpstliche Meisterschaft: Ein Sieg stärkt stets den Regierenden den Rücken.

Und ist es nicht ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet ein konservativer Bayer den angeschlagenen Sozialdemokraten den Hintern rettet?

Klar, da sind die Neider schnell zur Stelle. Und natürlich: Es sind die Briten, diese missgünstigen Queen-Knickser, die uns mal wieder den Speck madig machen wollen. Die können eben nur eine zickige Königin und ein seniles Prinzenpaar vorweisen, wir aber einen echten Papst. Schon verunglimpft der "Daily Telegraph" unseren Pontifex frevelhaft als einen "Rottweiler Gottes", und die Unterschichtenpostille "Sun" ätzt auf ihrem Titel über eine Mitgliedschaft des jungen Herrn Ratzinger in der Hitlerjugend mit den Worten: "Vom Hitler-Jungen zum Papa Ratzi". Nicht schön. Erst recht nicht, wenn das traditionell spärlich bekleidete Mädchen auf Seite drei seiner Heiligkeit zu allem Überfluss noch ein "warmes Willkommen" entgegen haucht. Da halten wir es doch lieber mit den Worten der "taz". Die kommentierte die Entscheidung des Konklaves mit drei schlichten Worten: "Oh, mein Gott!"


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.