Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 08 - 09 / 20.02.2006
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Susanne Kailitz

Politiker und die Pressefreiheit

Diskussion zum Karikaturenstreit

Der Titel der Veranstaltung versprach einiges: Streit, Emotionen, mindestens aber eine engagierte Diskussion. "Oh Gott, Mohammed. Wer muss tolerant sein?" - unter diesem Motto hatte der Südwestrundfunk in seiner Sendung "Quergefragt" am 15. Februar in die Landesvertretung Rheinland-Pfalz gebeten, um dort über den allgegenwärtigen Karikaturenstreit zu diskutieren. Eingeladen hatte der Sender dazu den Brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm, den stellvertretenden Vorsitzenden der Grünen-Fraktion Jürgen Trittin, den Chefredakteur der "Welt am Sonntag" Christoph Keese und Ihsan Öner vom Bundesverband der Türkisch-Europäischen Unternehmer.

Für Öner ist die Veröffentlichung der umstrittenden Karikaturen nicht akzeptabel: Wenn Journalisten wüssten, dass eine Sache - wie die Abbildung des Propheten - im Islam verboten sei, sie sich aber darüber "unter dem Deckmantel Pressefreiheit" hinwegsetzten, dann "haben sie sich bewusst vorgenommen, mich zu verletzen". Er verurteile zwar die Ausschreitungen, aber wer Respekt erwarte, müsse diesen auch seinem Gegenüber erweisen. Wer das nicht tue, müsse "mit den Reaktionen leben". Ein Argument, das Christoph Keese nicht teilte: Jeder Karikaturist müsse in gewissen Grenzen provozieren, um Effekte zu erreichen, das sei "Teil unserer Pressekultur". Tabus aufzugreifen sei eine zivilisatorische Errungenschaft. Auch Jürgen Trittin und Jörg Schönbohm verurteilten die Ausschreitungen. Es sei nicht Sache der dänischen Regierung, sich für Dinge zu entschuldigen, die in der Verantwortung einer freien Presse lägen.

Damit war es mit den Gemeinsamkeiten der deutschen Politiker auch schon vorbei - und wie um zu zeigen, dass zwischen Schwarz und Grün in Grundsatzfragen immer noch Welten liegen, verlagerten Schönbohm und Trittin die Diskussion weg vom eigentlich Thema zu einem, in dem sie wirklich streiten konnten. Während Schönbohm argumentierte, "wer nach Deutschland kommt, weiß in welches Land er zieht" und müsse dem Grundgesetz gegenüber loyal sein, kritisierte Trittin den so genannten Muslim-Test in Baden-Württemberg, der Einwanderer "bewusst diskriminiere". Kein Wunder, dass am Ende der Dis-kussion einige Zuschauer sichtlich genervt waren - wer nun warum tolerant sein sollte, hatten sie an diesem Abend nicht erfahren. Aber zur Pressefreiheit gehört eben auch die Freiheit, so zu diskutieren, wie man will.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.