Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 30 - 31 / 24.07.2006
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Taiwan-Frage wird friedlich gelöst

Interview mit Richard Perle

Richard Perle, Jahrgang 1941, wurde im Juli 2001 von US-Präsident George W. Bush zum Vorsitzenden des Defense Policy Board Advisory Committee (Beratendes Komitee des Ausschusses für Verteidigungspolitik) ernannt, das unter anderem das US-Außenministerium unterstützt. Den Vorsitz legte er im März 2003 nieder, arbeitet jedoch weiter in diesem Gremium mit. Er ist zudem Mitglied der "Denkfabrik" American Enterprise Institute (AEI). Die Fragen stellte Günter Knabe.

Das Parlament        Taiwans politische Zukunft und insbesondere seine Sicherheit hängen in großem Maße vom Engagement der USA ab. Washington hat aber für seine Taiwan-Politik eine Haltung so genannter "Strategischer Unbestimmtheit" gewählt. Erläutern Sie bitte, was das bedeutet und welche Konsequenzen es hat? Und an welchem Punkt irgendeines Vorfalls oder einer Entwicklung würde Amerika sich verpflichtet fühlen, aus dieser "Unbestimmtheit" gegenüber Taiwan in eine entschiedene Position einzutreten, politisch oder sogar militärisch zu handeln?

Richard Perle         Es war amerikanische Politik, ein China anzuerkennen und zugleich auf eine friedliche Beilegung der Streitigkeiten zwischen der Volksrepublik China und Taiwan zu drängen. Da gibt es nichts "Unbestimmtes".

Das Parlament        Wenn es heißt, die US-Regierung sei bereit, Taiwan bei "seinen Fähigkeiten zu unterstützen, sich zu verteidigen" - was bedeutet das konkret? Welche Waffen oder Verteidigungs-Systeme "made in USA" kann Taiwan bekommen?

Richard Perle         Die Vereinigten Staaten haben mit der Regierung in Taiwan eng zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass sie angemessene Mittel zur Selbstverteidigung hat. Das ist der beste Weg, ein militärisches Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, das von Gewalltanwendung abschreckt. Welche Waffen im einzelnen das Potenzial diese Gleichgewicht wahren, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden.

Das Parlament        Das Waffenembargo, das die EU nach dem 4. Juni 1989 gegen die Volksrepublik verhängte, wurde vom ehemaligen Bundeskanzler Schröder in Frage gestellt. Hat das Embargo nach Ihrer Einschätzung noch immer einen Sinn?

Richard Perle         Das Waffenembargo stimmt mit der EU-Politik überein, eine Stabilisierung der Lage in der Taiwanstraße und in Asien allgemein zu unterstützen. Das ist eine vernünftige Politik. Der ehemalige Bundeskanzler Schröder konnte diese Politik nicht ändern - trotz seines Wunsches, der Volksrepublik China einen Gefallen zu tun. Wer weiß - wenn ihm das gelungen wäre -, hätte er nach dem Ende seiner Amtszeit vielleicht einen Posten in irgendeiner chinesischen Gesellschaft übernommen?

Das Parlament        Wenn Sie Chinas wirtschaftlichen Aufschwung, seine wachsende militärische Macht und seinen zunehmenden politischen Einfluss vor Augen haben, kommen Sie dann nicht zu der Ansicht, dass die Zeit gegen Taiwan läuft und Peking die Insel am Ende auf seine Seite ziehen wird?

Richard Perle         Ich glaube, das Taiwan-Problem wird schließlich friedlich gelöst werden.

Das Parlament        Würde die US-Regierung militärisch intervenieren, sollte Peking Taiwan in vorhersehbarer Zukunft angreifen? Washington könnte schon alleine deswegen eingreifen, um die Wasserstraße zwischen der Insel und dem chinesischen Festland als Schifffahrtsweg von existenzieller Bedeutung mindestens für Japan und Südkorea freizuhalten.

Richard Perle         Ich erwarte keinen chinesischen Angriff auf Taiwan. Sollte aber ein solcher Angriff stattfinden, wird die US-Regierung, glaube ich, den Taiwanern zu Hilfe kommen.

Das Parlament        Was ist für die USA langfristig wichtiger: Taiwan dabei zu unterstützen, mindestens seinen jetzigen politischen Status zu bewahren, oder sind es die mehr oder weniger guten Beziehungen zur Volksrepublik China?

Richard Perle         Die USA wollen gute Beziehungen mit China und glauben, dass das möglich ist - auch wenn die USA gegen die Anwendung von Gewalt zur Lösung des Taiwan-Problems sind. "Gute Beziehungen" gehen selten aus der Aufgabe der eigenen Prinzipien hervor.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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