ÜBERWIEGEND KRITIK AN ÖKOLOGISCHER STEUERREFORM
Bonn: (hib) lw- Der von der SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachte Gesetzentwurf für eine ökologische Steuerreform ( 14/40) wird seitens der Sachverständigen überwiegend kritisch beurteilt. Das ergab die nichtöffentliche Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten am heutigen Vormittag zu den "Auswirkungen der geplanten 'Ökosteuer' auf den Agrarbereich". Der Entwurf sei "mit heißer Nadel gestrickt", äußerte sich Adalbert Kienle vom Deutschen Bauernverband, und berücksichtige überhaupt nicht die "Sondersituation der Forst- und Landwirtschaft". Sie scheine den Verfassern nicht bekannt gewesen zu sein. Insofern wären ihnen die daraus resultierenden Konsequenzen für den genannten bereich ebenso unbekannt. Die Ökosteuer gehe mit einer Verteuerung einher, die die deutsche Landwirtschaft massiv belaste. Es sei davon auszugehen, daß diese höheren Kosten auf den Verbraucher umgewälzt werden. Erfahrungen dieser Art habe man bereits mit dem "Grünen Punkt" reichlich gemacht. Insbesondere könne man nicht nachvollziehen, warum die Landwirtschaft "als Urproduzent nicht zu den Unternehmen des produzierenden Gewerbes gezählt" werde. Dieses sei ein "grober Strickfehler", der korrigiert werden müsse. Er verwies darauf, daß die Auswirkungen des Gesetzentwurf insgesamt eine Verteuerung für die Agrarwirtschaft von rund 884 Millionen DM nach sich zögen.
Karl Zwermann vom Zentralverband Gartenbau hob in diesem Zusammenhang die besondere Situation des Unterglas-Gartenbaus hervor, der zu den energieintensiven Zweigen gehöre. Bereits heute habe man im wettbewerbsdirekten Vergleich über 50 Prozent höhere Energiekosten als in Holland, wo die Betriebe energiekostenbegünstigt arbeiten könnten. Zusätzliche Kosten, wie sie durch die Ökosteuer für die deutschen Betriebe vorgesehen seien, würden einen Großteil von ihnen deutlich gefährden. Es sei damit zu rechnen, daß 20 000 Arbeitsplätze im Gartenbau wegfallen. Ein großer Teil den jungen Menschen werde dann nicht mehr Gärtner lernen, da der Beruf keine Zukunft habe.
Seitens des deutschen Raiffeisenverbandes hielt man das Abgrenzungskriterium bei der Entlastung bzw. Befreiung von Steuern für ein "sehr willkürliches Instrument". Als Beispiel führte Volker Petersen den Futtemittelsektor an, der zwar beim ersten "Hinsehen" unter 6,4 Prozent liege, aber Rohstoffkosten von 80 bis 25 Prozent aufweisen würde. Insgesamt mache das eine Belastung von rund 20 Prozent aus. Damit liege man weit über der im Gesetzentwurf verankerten Schwelle als Kriterium für eine Zuordnung zu den energieintensiven Unternehmen. Insofern führe die von der Regierungskoalition vorgeschlagene Regelung zu einer Ungleichbehandlung und Belastung der Betriebe. Karl Giesen von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände sprach von einem "systematischen Fehler", den der Gesetzentwurf aufweise. So erhielten nachwachsende Rohstoffe keinen unmittelbaren Vorteil, obwohl die Forst- und Holzwirtschaft mit einer positiven Kohlendioxid- und Ökobilanz arbeite. Die Energiebesteuerung belaste jenen Wirtschaftsbereich zusätzlich und benachteilige ihn gegenüber energieintensiven Konkurrenzprodukten. Insofern plädierte er für eine Einbeziehung dieses Bereiches als Urproduktion in die geplanten Steuerbefreiungen und -ermäßigungen. Der Milch-Industrieverband hob hervor, daß die Milchindustrie die zweithöchsten Energiekosten in Deutschland aufweise und insofern besonders betroffen sei, wenn der Gesetzentwurf am 1. April in Kraft trete. Die Mehrbelastungen müßten an den Verbraucher weitergegeben werden. Sei das nicht möglich, so würden die Kosten beim "Milcherzeuger" hängenbleiben. Die "Formel" von 6,4 Prozent sei falsch und verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Grundsätzlich begrüßt wurde die Einführung der Ökosteuer von Graf Hatzfeldt von der Arbeitsgemeinschaft naturgemäße Waldwirtschaft. Sie sei längst überfällig gewesen. Man kritisiere allerdings, daß die Reform nicht weit genug gehe. Die Ökosteuer sei ein Instrument, um die Ungerechtigkeiten und Wettbewerbsverzerrungen zu korrigieren. Insofern hielt er den vorgelegten Gesetzentwurf für einen "Schritt in die richtige Richtung". Auch Arndt Spahn von der IG Bauen- Agrar-Umwelt begrüßte den Gesetzentwurf. Er trage dazu bei, die gesetzten Umweltziele in Deutschland zu erreichen, einen wesentlichen Beitrag für eine zukünftige europäische Harmonisierung zu leisten, Beschäftigungsförderung gerade im Bereich der deutschen Forst- und Landwirtschaft zu fördern sowie eine Verbesserung der Marktsituation für nachwachsende Rohstoffe zu schaffen. Hinsichtlich der Kostenbelastungen für die Betriebe verwies er darauf, daß "noch immer Instrumente gefunden worden seien, um die Belastungen für Betriebe tragbar zu machen". Hans-Jürgen Bertram von der Union zur Förderung von Oel und Proteinpflanzen begrüßte die Einführung einer Ökosteuer auf Benzin und Diesel. Eine andere Chance sehe er nicht, die "Internalisierung der externen Umweltkosten von fossilen Kraftstoffen im Markt umzusetzen". Dennoch sprach auch er sich dafür aus, die Landwirtschaft ebenso wie die Ölmühlen und die Biodieselproduktionsanlagen von der Ökosteuer freizustellen.
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