Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 19 / 03.05.2004
Erik Spemann

Im Visier islamistischer Terroristen

Bayern: Innenminister Becksteins Warnung
Bayerns Innenminister Günther Beckstein, der immer wieder für Bayern als sicherstes Bundesland bürgt, hat zu äußerster Wachsamkeit gegenüber dem Terrorismus aufgerufen. In einer Regierungserklärung zur Inneren Sicherheit vor dem Landtag verlangte er verschärfte Maßnahmen und gesetzliche Bestimmungen zur Überwachung potenzieller Gefährder sowie zur Ausweisung gewaltbereiter, extremistischer Ausländer. Die Opposition stimmte zwar mit Beckstein darin überein, dass Deutschland - derzeit "nur" Ruhe- und Vorbereitungsraum international operierender Terroristen - auch Ausführungsraum von Gewalttaten werden könne. Doch kontroverse Ansichten gab es vor allem bei den zu ergreifenden Gegenmaßnahmen.

Deutschland sei im Visier islamistischer Terroristen, warnte Beckstein. Nach seinen Angaben lebten allein in Bayern zwischen 300 und 500 gewaltbereite Islamisten, davon seien mehr als 50 namentlich bekannt und stünden im Verdacht, in Kontakte zum internationalen Terrorismus zu stehen.

Der Minister versicherte, dass Bayern alles unternehme, um diese potenzielle Gefährdung zu überwachen: "Wir sind die Marktführer in Sicherheit", unterstrich Beckstein, doch das sei keine Garantie im Fall von Organisationen wie Al Qaida. Bei allen Polizeipräsidien im Freistaat seien besondere Aufbauorganisationen zur "Aufklärung krimineller islamistischer Strukturen" (AKIS) eingerichtet worden, bei denen Polizei, Verfassungsschutz, Staatsanwaltschaft und andere Sicherheitsbehörden eng zusammenarbeiteten. Zudem sei ein Strategisches Innovationszentrum der bayerischen Polizei (SIZ) als Wissensverbund von hochqualifizierten Akademikern und Polizeipraktikern eingerichtet worden, das über eine ausgewiesene Islamismusexpertin verfüge.

"Erhebliche Defizite" bei der Terrorismusbekämpfung sieht der bayerische Innenminister hingegen auf Bundesebene. Das Schließen der Sicherheitslücken sei überfällig und gehöre auch zu den wesentlichen Punkten der Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz. Zu den wichtigsten Forderungen Becksteins gehört die Möglichkeit, gewaltbereite extremistische Ausländer, die eine Sicherheitsgefahr für Deutschland bildeten, konsequent auszuweisen: "Wir können nicht warten, bis aus Schläfern Täter werden." Für eine Ausweisung müsse genügen, "dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betroffene einer Vereinigung angehört oder eine Vereinigung unterstützt, die Bestrebungen des Terrorismus verfolgt".

Beckstein nannte es grotesk, dass beispielsweise der Marokkaner Mzoudi, gegen den der Generalbundesanwalt Anklage unter anderem wegen Beihilfe zum Mord bei den Anschlägen in USA erhoben habe, wieder auf freiem Fuß sei und allenfalls ausgewiesen werden könne, weil er als Bummelstudent die vorgegebene Studienzeit überschritten habe.

Kritik ließ der Minister an einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts anklingen, das dem Schutz der Privatsphäre Vorrang einräumt und den Lauschangriff erheblich einschränkt: "Die Terroristenwohnung darf nicht heiliger sein als das Menschenleben von Tausenden Unschuldigen." Beckstein machte dabei öffentlich, dass der im vergangenen Jahr von Neonazis geplante Sprengstoffanschlag auf das neue jüdische Gemeindezentrum in München eben durch einen inzwischen nicht mehr möglichen Lauschangriff im privaten Bereich bekannt geworden und vereitelt worden war. Bei einem "Gespräch im Familienkreis" sei herausgekommen, dass es in der Wohnung Sprengstoff im Kilobereich gegeben habe.

Beckstein verlangte zur Abwehr von Terrorgefahren die Ausweitung der Möglichkeiten, Telekommunikation zu überwachen. Auf bayerischer Ebene kündigte er eine Initiative zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes an, durch die die bestehenden Lücken geschlossen würden. Dabei sei zu prüfen, ob und inwieweit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum "Großen Lauschangriff" Auswirkungen haben müsse.

Weiter bekräftigte der CSU-Politiker die Forderung nach einer Verfassungsänderung, um die Bundeswehr in besonderen Gefährdungslagen im Inneren im Rahmen ihrer spezifischen Fähigkeiten ergänzend zu Polizei und Bundesgrenzschutz einzusetzen. Die Länder müssten die Möglichkeit haben, im Falle terroristischer Bedrohungen - auch unterhalb der Schwelle des Verteidigungs- oder Spannungsfalles - auf die Bundeswehr zurückzugreifen, etwa beim Schutz ziviler Einrichtungen oder bei drohenden Anschlägen durch biologische oder chemische Giftstoffe. Ohne Bundeswehr sei auch kaum das erforderliche Höchstmaß an Sicherheit bei der Fußball-WM 2006 zu gewährleisten.

Der SPD-Abgeordnete Peter Paul Gantzer warf Beckstein vor, erst die Angst vor einer wachsenden Bedrohung zu schüren, um sich dann als Retter aufspielen zu können. Hier werde das Spiel mit dem Sicherheitsgefühl getrieben, indem Nebenkriegsschauplätze zu einer konkreten Bedrohung gebündelt würden. Gantzer plädierte dafür, dass von der seit langem bewährten Trennlinie zwischen polizeilichen und militärischen Aufgaben nicht ohne Not abgewichen werde. Sein Fraktionskollege Stefan Schuster kritisierte heftig die drastischen Sparmaßnahmen der Staatsregierung auch im Bereich der Inneren Sicherheit gerade in schwierigen Zeiten. Damit habe die CSU die Marktführerschaft Bayerns in der Inneren Sicherheit abgegeben. Durch die Verlängerung der Arbeitszeit auf 42 Wochenstunden sei zudem die Motivation der Polizeibeamten auf den Nullpunkt gebracht worden.

Die Grünen-Abgeordnete Christine Kamm verwahrte sich gegen "eine symbolische Politik des Abbaus von Grund- und Freiheitsrechten", die ebenso falsch wie unwirksam sei. Statt dessen sollten die Sicherheitskräfte besser ausgebildet und ausgestattet werden, um eine effektive und professionelle Arbeit an den wirklich sicherheitsrelevanten Stellen leisten zu können.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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