Recht. Unterschiedlicher Ansicht sind Experten in der Frage einer nachträglichen Sicherungsverwahrung von gefährlichen Straftätern. Dies wurde während einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss am 5. Mai deutlich. Diskutiert wurden Gesetzentwürfe der Bundesregierung (15/2887), der CDU/CSU-Fraktion (15/2576) sowie des Bundesrates zur möglichen nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung für Straftäter, bei denen sich erst nach der Verurteilung oder gegen Ende des Vollzuges der Freiheitsstrafe eine anhaltende Gefährdung für die Allgemeinheit ergibt.
"Nur für zehn Häftlinge derzeit gültig"
Laut Professor Rolf-Peter Caliess sind die Entwürfe zur Neuregelung der Sicherheitsverwahrung "weder geeignet, noch erforderlich". Es gebe derzeit lediglich zehn Strafgefangene, für die die Regelungen gelten könnten, obwohl auch verfassungsrechtliche Gründe dagegen sprächen. Für Oberstaatsanwalt Christoph Frank vom Deutschen Richterbund ist dagegen gesetzliches Handeln nötig, auch wenn es nur um einen sehr kleinen Täterkreis gehe. Der Staat habe die Pflicht, die Bürger vor gefährlichen Straftätern zu schützen. Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung sei dafür durchaus geeignet. Keine Einwände aus verfassungsrechtlicher Sicht erhob Professor Peter M. Huber von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Gesetzgebungskompetenz liege eindeutig beim Bund. Widersprüche zur EU-Menschenrechtskonvention sehe er nicht, sagte Huber. Doch müsse bei der nachträglichen Sicherheitsverwahrung die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben, sie bleibe daher immer nur die "ultima ratio".
Auch die stellvertretende Leiterin der Justizvollzugsanstalt Bayreuth, Maria-Anna Kerscher, sprach sich für die Möglichkeit der nachträglichen Sicherheitsverwahrung aus. Die Praxis habe gezeigt, dass eher therapieunwillige Gefangene unter dem Druck dieser Maßnahme sich doch zu Behandlungen bereit erklärt hätten. Die Entscheidung solle dabei der Strafvollstreckungskammer zugewiesen werden, der sei die Entwicklung der Gefangenen bekannt und sie könne daher sachgerecht entscheiden.
Professor Norbert Leygraf vom Institut für Forensische Psychiatrie Essen befürchtet hingegen eine Blockierung von Therapieplätzen von Straftätern, die nicht an einer Behandlung interessiert seien, sondern lediglich die nachträgliche Sicherungverwahrung vermeiden wollten. Die vorhandenen Regelungen reichten seiner Meinung nach aus, da in der Praxis schon vorher erkennbar sei, wer rückfallgefährdet ist.
Jörg Kinzig vom Max-Planck-Institut Freiburg sieht "gravierende verfassungsrechtliche Bedenken" bei der Einführung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung. Sie käme einer Doppelbestrafung gleich, sei ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und auch dem westeuropäischen Rechtsdenken fremd. Der Vorsitzende Richter a.D. am Bundesgerichthof Stuttgart, Gerhard Schäfer, bezweifelte die Zuverlässigkeit der Aussagen für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung. Er habe in seiner Tätigkeit zu viele "haarsträubende" Sachverständigenprognosen gehört. Bei der Unsicherheit der Begutachtung halte er es für notwendig, für die nachträglich anzuordnende Sicherungsverwahrung formelle Anordnungsvoraussetzungen vorzusehen, um Fehler möglichst zu vermeiden. hau