Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 37 / 06.09.2004
Karl-Rudolf Korte

Ruinieren die Beamten den Staat ?

Eine Streitschrift wider einen privilegierten Stand

Der Journalist Olaf Baale hat ein flottes Buch geschrieben. Wer sich schon immer über Beamte im öffentlichen Leben aufgeregt hat, der findet hier geradezu eine Lustbefriedigung. Der Staat wird durch die Beamten ruiniert, diesen Zusatz hätte der Autor getrost mit in den Untertitel nehmen können. Es folgen auf über 200 Seiten detaillierte Analysen der Kosten, Strukturen und Privilegien des deutschen Beamten- und Verwaltungsapparates.

Das ist amüsant zu lesen, faktenreich recherchiert und essayistisch zugespitzt. Zur Kritik an den Beamten gesellt sich die Kritik an den Landtags- und Bundestagsabgeordneten. Zurecht wird nachgewiesen, dass meistens der öffentliche Dienst in den Reihen der Abgeordneten vor dem Mandat der Arbeitgeber war. Den Grünen wird ein "intimes Verhältnis mit dem Öffentlichen Dienst" unterstellt. Selbstständige sind Mangelware in deutschen Parlamenten.

Scharf wendet sich Baale gegen Beamte in politischen Funktionen: "Wenn die Demokratie in Deutschland funktionieren soll, dürfen Beamte keinen Zugang zu politischen Ämtern bekommen." Dies wird nicht demokratietheoretisch begründet, sondern vorwiegend im Blick auf das Budgerecht der Parlamentarier.

Baale focusiert die gesamte Problematik der Verschuldung der öffentlichen Haushalte auf die Herkunft der Parlamentarier. Er sieht unheilvolle Allianzen zwischen der Politik und der Verwaltung. Die Verschuldungsfalle hängt mit dieser unseligen Allianz zusammen. Unklar bleibt allerdings, wieso auch Großbritannien oder die USA, die kein Berufsbeamtentum kennen, ebenso unter Staatsverschuldung leiden. Der Autor lobt die anderen politischen Systeme, verschweigt jedoch den Grad der Verschuldung.

Welche Formen von Privilegien von der Zahnbehandlung bis zum Sonderurlaub der deutsche Beamte in Anspruch nehmen kann, füllt ein ganzes Kapitel. Der Deutsche Beamtenbund könnte sicherlich ebenso faktengestützt eine Gegendarstellung erarbeiten. Als Leser ist man fassungslos angesichts der jahrhundertealten Vorzüge, welche die Beamten genießen; als Wissenschaftler stellt man die Frage nach dem Maßstab. Sehr selten werden Vergleiche aus anderen Berufsbereichen mit angefügt, die sicherlich auch Privilegien kennen. Manchmal rutscht der Autor ins Polemische ab: "Dem von alten Beamten dominierten Parlamentarische Rat lagen vor allen zwei Dinge am Herzen: Die Menschenrechte und die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums."

Völlig ausgeblendet bleibt die Auseinandersetzung mit verwaltungswissenschaftlichen Überlegungen. Hier hat sich in den letzten zehn Jahren sehr viel bewegt. An die Stelle der juristischen ist immer mehr ein betriebswirtschaftlicher Stil getreten. Aus Beamten sind sicher nicht schnell Manager zu machen, dennoch verändern sich die Grundsätze des Berufsbeamtentums unter dem Gesichtspunkt neuer Steuerungsmodelle.

Auch zu einer anderen Überlegung vermisst man eine sachkundige Auseinandersetzung: was bringt eine Privatisierung des öffentlichen Lebens an Vorteilen? Über die Kostenargumentation lässt sich bestimmt streiten. Doch welche Bereiche gehören zwingend zur Daseinsvorsorge des Staates gegenüber den Bürgern? Im internationalen Umfeld machen einige Länder die Privatisierung von öffentlichen Aufgaben wieder rückgängig, um die Kontrolle auch unter Sicherheitsaspekten zu behalten.

Solche Argumentationen hätten der Leitthese des Buches nicht geschadet. Wenn klar geworden wäre, in welchem Bereich Beamte unverzichtbar sind, dann hätte die Gesamtargumentation an Dramatik gewonnen. Umso vehementer und bereitwilliger hätte sich der Leser dem Urteil angeschlossen, den öffentlichen Dienst zu reduzieren. Karl-Rudolf Korte Olaf Baale

Die Verwaltungsarmee.

Wie der Staat ruiniert wird.

Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2004;

220 S., 13,- Euro


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.