Den Hauptanteil des mittelständischen Exportgeschäfts umfasst der Europäische Binnenmarkt, der mit der EU-Osterweiterung am
1. Mai 2004 auf insgesamt 455 Millionen Verbraucher angewachsen ist. Damit ist ein Wirtschaftsraum entstanden, der nahezu doppelt so groß wie die USA ist.
Vor allem die Beitrittsländer Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn bieten dem deutschen Mittelstand interessante Marktpotenziale. Fast neun Prozent der deutschen Ausfuhren gehen bereits in die Beitrittsländer, die damit für den deutschen Export schon jetzt fast so bedeutend wie die USA sind.
Mit den Chancen, die der größer gewordene Europäische Binnenmarkt für den deutschen Mittelstand mit sich bringt, sind aber auch neue Herausforderungen und Risiken verbunden. Ein Problem ist, dass viele KMU häufig nicht besonders kapitalstark sind. Durch Kooperationen - einschließlich der Gründung von Joint Ventures - mit einem oder mehreren Partnern bieten sich für diese Unternehmen gute Möglichkeiten, betriebsgrößenspezifische Nachteile zu kompensieren. Zudem rechnen viele exportorientierte mittelständische Unternehmen mit einem steigenden Preisdruck durch den Wettbewerb mit Firmen aus Mittel- und Osteuropa. Auch der starke Euro-Außenwert ist ein Problem: Viele exportorientierte mittelständische Unternehmen können diesen zumeist nur begrenzt durch Wertschöpfung im Ausland ausgleichen.
Eine große Hilfe für die auslandsorientierten Mittelständler sind die zahlreichen Programme, Initiativen und Institutionen, die die Außenwirtschaftsförderung deutscher Unternehmen zum Ziel haben. Das Angebot reicht von den Serviceleistungen der Außenhandelskammern, über die Förderung von Auslandsmessen und Direktinvestitionen bis hin zur Organisation von Informations- und Kontaktveranstaltungen.
Die Außenhandelskammern unterstützen Exporteure in mehr als 80 Ländern mit ihren Dienstleistungen. Die Bundesregierung erreicht auf 238 Messen weltweit mehr als 5.000 Unternehmen. Diese Angebote sind für viele KMU interessant, da ihnen in der Regel die nötigen Kapazitäten fehlen, Standortfragen in den jeweiligen Partnerländern selbstständig zu klären. Dies gilt besonders für KMU des Handwerks. Konkrete Grundinformationen über die Märkte in Mittel- und Osteuropa, über Verfahren und Vergabepraktiken, stellt beispielsweise die Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai) bereit.
Mehr Transparenz
Um in dieses breite Spektrum der deutschen Außenwirtschaftsförderung mehr Transparenz zu bringen, wurde auf Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) als Gemeinschaftsprojekt der wichtigsten Akteure der deutschen Exportförderung das Internetportal "iXPOS - Das Außenwirtschaftsportal" geschaffen. Dort sind auf einer zentralen virtuellen Plattform sämtliche außenwirtschaftlich relevanten Serviceangebote von mittlerweile mehr als 50 Institutionen zusammengefasst.
Dazu gehören neben dem BMWA auch das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das Bundesumweltministerium sowie Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).
Doch trotz aller Bemühungen und Voraussetzungen ist das Exportgeschäft für mittelständische Unternehmen schwieriger als für die "global player". Der gerade im Juli dieses Jahres vorgelegte Mittelstandsreport 2004 des DIHK belegt dies. Der Mittelstandsreport ist eine mittelstandsbezogene Auswertung einer Konjunkturumfrage des DIHK bei den 81 Industrie- und Handelskammern (IHK). Grundlage des Reports sind die Antworten von mehr als 20.000 Unternehmen mit bis zu 499 Beschäftigten, die von den IHK zu ihrer wirtschaftlichen Situation befragt wurden.
Ergebnis: Die exportgetriebene Konjunkturerholung habe im Mittelstand bislang nur in Teilbereichen Spuren hinterlassen. Bei den KMU mit bis zu 499 Beschäftigten kämen derzeit geringere Wachstumsimpulse an als bei den großen Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Allerdings wird auch deutlich: Exportorientierte mittelständische Zulieferer können von der weltwirtschaftlichen Entwicklung ungleich stärker profitieren als die Breite der zumeist binnenorientierten KMU.
Dennoch: Die wirtschaftliche Belebung erfasst große Teile des deutschen Mittelstandes nicht. Darauf weist auch der Mittelstandsexperte des DIHK und Autor des "Mittelstandsreports", Marc Evers, hin: "Da mittelständische Exporteure eher nur in begrenzten internationalen Märkten tätig sind, haben sie weniger Möglichkeiten, in Krisenzeiten auf andere Märkte auszuweichen, wie dies bei großen Konzernen möglich ist. Zudem können viele mittelständische Betriebe gestiegene Rohstoffpreise nicht in der gleichen Form wie etwa marktstarke Großunternehmen an ihre Kunden weitergeben." Dem Mittelstand falle es insgesamt schwerer, eine nachlassende Dynamik im Exportgeschäft zu kompensieren.
Trotzdem zehren viele KMU als Exporteure oder Zulieferer von aktuellen Ausfuhraufträgen und hegen die höchste Exportzuversicht seit drei Jahren. Dies gilt besonders für solche Branchen, in denen die Unternehmen im Durchschnitt mehr als die Hälfte ihrer Umsätze im Exportgeschäft machen.
Ein uneinheitliches Bild
So beurteilen Firmen mit bis zu 499 Beschäftigten im Kraftfahrzeugbau und in der chemischen Industrie ihre Geschäftslage besser als die Großunternehmen in diesen Branchen. In der chemischen Industrie konnte der Mittelstand seinen Vorsprung vor den größeren Unternehmen in jüngster Zeit sogar noch ausbauen. Hauptfaktor für deutsche Exporterfolge sind die dynamisch wachsenden Märkte in China sowie in Mittel- und Osteuropa.
Für den weiteren Jahresverlauf erwartet der Mittelstand jedoch geringere Zuwächse im Exportgeschäft. Der Konjunkturmotor Export scheint wieder an Treibstoff zu verlieren. Die hohen konjunkturellen Zuwachsraten in Asien und den USA bringen die Weltmärkte an den Rand der Überhitzung. Erste Tendenzen werden in stark gestiegenen Preisen für Öl und Stahl sowie in Zinserhöhungen der Zentralbanken in den USA und Großbritannien für viele Unternehmen spürbar.
Die Ergebnisse des "Mittelstandsreports 2004" zeichnen also ein uneinheitliches Bild und werden vom Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) als "Warnsignal" bezeichnet. Die bedrohliche Situation in Deutschland werde durch die nach wie vor guten Ergebnisse der Exportwirtschaft lediglich "kaschiert".
Die mittelständischen Betriebe des deutschen Handwerks sehen hingegen eher positiv gestimmt in die Zukunft. Eine Umfrage des ZDH zu Auslandsaktivitäten deutscher Handwerksbetriebe aus dem Jahr 2000 belegt den positiven Exporttrend. In Zusammenarbeit mit 29 Handwerkskammern (davon acht aus den neuen Bundesländern) wurden 9.700 Betriebe befragt.
Ergebnis: 8,9 Prozent der Befragten gaben an, ihre Waren und Dienstleistungen auch im Ausland zu verkaufen (1994 wurden lediglich 1,8 Prozent des Gesamtumsatzes des Handwerks im Ausland erzielt).
Dabei sind regionale Unterschiede festzustellen: Während elf Prozent der westdeutschen Handwerker grenzüberschreitenden Umsatz melden, sind es in Ostdeutschland nur 4,7 Prozent. Den höchsten Anteil an im Auslandsverkauf aktiven Betrieben verzeichnet das Metallgewerbe (37,7 Prozent).
Die im Auslandsgeschäft aktiven Handwerksbetriebe konzentrieren ihre Aktivitäten auf den europäischen Binnenmarkt (91 Prozent). Zudem unterhalten 8,3 Prozent Geschäftsbeziehungen in die USA, nach Kanada und Mexiko. Nach Aussage des Außenwirtschaftsexperten des ZDH, Klauspeter Zanzig, hält dieser positive Trend an. So betrachte das deutsche Handwerk die EU-Osterweiterung eher als Chance denn als Risiko. Er blicke optimistisch in die Zukunft und sei sicher, dass das Handwerk künftig neue Märkte innerhalb der Beitrittsländer erschließen werde. Geholfen habe bei dieser positiven Entwicklung auch die verbesserte Außenwirtschaftsförderung. Der ZDH-Experte verschließt aber vor den bestehenden Problemen nicht die Augen: "In einigen Branchen, wie zum Beispiel dem Ausbaugewerbe, sieht es momentan eher nicht so gut aus. Auch der starke Euro ist ein Problem."
Für den DIHK-Mittelstandsexperten Evers liegen die Schwierigkeiten für auslandsorientierte mittelständische Unternehmen vor allem in der Binnenwirtschaft. Insbesondere die exportorientierte Zuliefererbranche sei sehr stark von heimischen Standortfaktoren abhängig. "Die Achillesferse für exportorientierte Mittelständler ist der zu starre deutsche Arbeitsmarkt. Die immens hohe Arbeitslosigkeit hemmt die Kauflust, notwendige Investitionen, die wieder Arbeitsplätze schaffen würden, bleiben aus", so Evers.
Der "Jobmotor Mittelstand" befinde sich in einem Teufelskreis. "Was wir dringend brauchen ist eine Entriegelung des Arbeitsmarktes mit flexibleren Arbeitszeiten", fordert der DIHK-Experte. Er verweist auf das IHK-Netzwerk Mittelstand, das Arbeitszeitkorridore zwischen 30 und 50 Wochenstunden für notwendig hält. Ferner müsse der Kündigungsschutz gelockert werden. Mit diesen binnenwirtschaftlichen Voraussetzungen hätte der deutsche Mittelstand künftig noch bessere Chancen im Exportgeschäft.
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Bonn.