Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 37 / 06.09.2004
Magnus Jung

Problem Nr. 1 - hohe Arbeitskosten

Beispiel: Die Situation im Saarland

Die Auftragseingänge entwickeln sich sehr gut, die Preise sind jedoch wegen des immer schärferen internationalen Wettbewerbs mehr als schlecht." Rainer Kuhn kommt gerade aus Rumänien, für ihn ist Globalisierung Alltag. Sein mittelständisches Unternehmen ist Komponentenhersteller für die Automobilindustrie sowie für landwirtschaftliche Fahrzeuge und Lastkraftwagen und beschäftigt 660 Mitarbeiter, davon mehr als die Hälfte an der Saar.

Kuhn ist Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes in der Metall- und Elektroindustrie an der Saar und steht gleichzeitig an der Spitze des Arbeitskreises Wirtschaft, eines Netzwerkes kleiner und mittlerer Unternehmen. Die hohen Arbeitskosten sieht er als Problem Nr. 1 für den Mittelstand.

In Deutschland koste eine Arbeitsstunde 28 Euro, in Polen sechs Euro und in Rumänien zwei Euro. Bei arbeitsintensiven Pruduktionen seien viele mittelständische Unternehmen gezwungen, die Fertigung teilweise ins osteuropäische Ausland zu verlagern. Nur eine Mischkalkulation der Arbeitskosten ermögliche es, die Preise international konkurrenzfähig zu halten. Dies zeige, wie dramatisch sich die Rahmenbedingungen für viele mittelständische Unternehmen in den letzten Jahren verändert hätten.

Grundlegende Übereinstimmungen

Dabei wissen im Saarland alle, von der Regierung über die Parteien bis zu den Kammern, dass das Land vor allem auf gute Rahmenbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen angewiesen ist. Zwar entwickelt sich die Arbeitslosigkeit im kleinsten deutschen Flächenland seit 1993 relativ besser als im Bund, die Zahl der Selbständigen liegt jedoch weit unter dem Bundesdurchschnitt und ist nach Angaben der Arbeitskammer in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Die Kammer sieht daher das zentrale Ziel von Ministerpräsident Peter Müller, die Schaffung von 60.000 neuen Arbeitsplätzen bis 2010, als kaum noch erreichbar.

Im zurückliegenden Landtagswahlkampf bemühten sich alle Parteien besonders, ihre Kompetenz in der Mittelstandspolitik herauszustellen. So verwies der Landtagsabgeorndete Jürgen Presser als Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung an der Saar auf eine Studie von "Ernst & Young" vom Frühjahr des Jahres, nach der die saarländischen Mittelständler ihre Geschäftslage besser beurteilen als ihre Kollegen in allen anderen Bundesländern.

Die CDU habe seit 1999 viel für die Standortaufwertung getan: Entbürokratisierung wie die Neufassung der Landesbauordnung oder die Abschaffung der Sperrstunde habe für Erleichterungen gesorgt. Der Zugang mittelständischer Unternehmen und Existenzgründer zu Darlehen und Zuschüssen sei durch die Bündelung der Förderprogramme erleichtert worden.

So kommen die Unternehmen teilweise direkt bei der Saarländischen Investitionskreditbank (SIKB), also ohne Einschaltung einer Hausbank, an Geld heran. Zur Stärkung der Eigenkapitalquote hat sich die CDU-Landesregierung im Bundesrat für die Steuerfreiheit von einbehaltenen Gewinnen bis zu einer Quote von 25 Prozent stark gemacht. Verschärfte Prüfungsbedingungen und die Einführung des achtjährigen Gymnasiums sollen zu einem leistungsorientierten Klima beitragen.

Die FDP, die seit 1994 nicht mehr im Landtag vertreten ist, will zur Stärkung des Mittelstandes die Entlastung kleiner und mittlerer Unternehmen von staatlichen Pflichtdiensten im Bereich Sozial-, Steuer-, Umwelt- und Arbeitsrecht sowie von amtlicher Statistik durchsetzen. Für den Landesvorsitzenden Christoph Hartmann (MdB), selbst Chef eines kleinen Recyclingunternehmens, ist eine unternehmens- und unternehmerfreundliche Wirtschaftpolitik Voraussetzung für Koalitionen. Dazu gehöre auch eine Bildungspolitik, die Hochbegabte stärker fördert und die Studienschwerpunkte der Universität am saarländischen Arbeitsmarkt orientiert.

Die Saar-SPD sieht keinen Widerspruch zwischen einer aktiven Wirtschaftspolitik für die industriellen Kerne der Automobilindustrie, der Stahlindustrie und des Bergbaus und einer effizienten Mittelstandspolitik. Landeschef Maas verweist hierbei gerne auf die Entwicklung eines Zulieferparks rund um das Fordwerk in Saarlouis, die als einer der Erfolge der letzten sozialdemokratischen Wirtschafsministerin Christiane Krajewski gilt.

Der stellvertretende Vorsitzende der Saar-SPD, Alfons Lauer, im zurückliegenden Wahlkampf für die Wirtschaftspolitik verantwortlich, hat ein differenziertes Zehn-Punkte-Prgoramm für den saarländischen Mittelstand vorgelegt. Stärkung des Eigenkapitals und Kreditversorgung müssten so organisiert werden, dass sie auch kleine Betriebe erreichten und bloße Mitnahmeeffekte reduziert werden.

Lauer hat keine Angst davor, mittelständischen Unternehmen in Krisen unter die Arme zu greifen. "Wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten gerät, weil ein großer Kunde nicht zahlt, ist es besser mit einer Bürgschaft zu helfen als tatenlos zuzusehen, wie es den scheinbar heiligen Marktgesetzen zum Opfer fällt." Aktive Wirtschaftspolitik will die Saar-SPD auch mit einem kommunalen Investitionsprogramm machen.

Hubert Ulrich, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen und wirtschaftspolitischer Sprecher der grünen Bundtagsfraktion, setzt ebenfalls auf den Mittelstand. Das Geld für Existenzgründung und Förderung von Wagniskapital für kleinere und mittlere Unternehmen soll von den Kohlesubventionen abgeknapst werden, denn die Grünen wollen so schnell wie möglich raus aus dem Bergbau.

Mit der Reduzierung der Lohnnebenkosten und dem neuen Insolvenzrecht sehen sie positive Impulse der Bundespolitik für den Mittelstand. Diese müssten durch eine konsequente Bekämpfung der Schwarzarbeit ergänzt werden.

Viel grundsätzliche Übereinstimmung zwischen den Parteien. Für heftige Auseinandersetzungen sorgen jedoch zwei Politikentwürfe des saarländischen Wirtschaftsministers Hanspeter Georgi, der bis 1999 Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handeslkammer (IHK) war. So finanziert das Land den Kommunen seit 2001 ein auf fünf Jahre befristetes Programm zur Gewerbesteuerabsenkung, dessen Gesamtvolumen auf 60 Millionen Euro geschätzt wird. Gewerkschaften, Arbeitskammer und Opposition sehen darin reine Geldverschwendung ohne Beschäftigungseffekte, weil große ertragsstarke Betriebe überdurchschnittlich profitierten, während viele kleine Handwerker leer ausgingen. Wie das Programm dauerhaft implementiert werden soll, ist gegenwärtig noch offen.

Die IHK befürwortet das Programm dagegen, weil es die Rentabilität der Unternehmen und die Finanzierbarkeit von Investitionen verbessert habe. "Das Saarland hat in den vergangenen Jahren bei der Standortaufwertung deutliche Fortschritte erreicht. Diesen Kurs gilt es künftig konsequent und beherzt fortzusetzen. Dann hat das Saarland gute Chancen, seine Position im Ranking der Bundesländer weiter zu verbessern", so IHK-Präsident Richard Weber und IHK-Hauptgeschäftsführer Volker Giersch.

Auch in der CDU umstritten ist die Absicht von Minister Georgi zur (Teil)Privatisierung der Sparkassen - nicht zuletzt wegen der befürchteten Auswirkungen auf den Mittelstand. Denn im Gegensatz zu den Großbanken seien die Sparkassen bisher zu einer ausreichenden Kreditversorgung der kleinen und mittleren Betriebe bereit. Eine Öffnung der Eigentümerstruktur der Sparkassen für private Institute werde dazu führen, dass viele Unternehmen in Zukunft nicht mehr an die notwendigen Kredite herankämen, meint der Sozialdemokrat Alfons Lauer.

Rainer Kuhn weiß, dass die Politik auch in Zeiten der Globalisierung wichtige Rahmenbedingen für kleinere und mittlere Unternehmen bestimmt: Bildung, Infrastruktur, Bürokratie, Steuern und Abgaben sind für ihn die wichtigsten Felder. Allerdings sieht er die Betriebe auch selbst gefordert und geht mit gutem Beispiel voran: Im Herbst startet sein Unternehmen einen neuen Ausbildungszweig für zwölf junge Menschen im gewerblichen Bereich:

Neben den üblichen Ausbildungsinhalten der dualisierten Ausbildung werden sie zusätzlich in Englisch und interkultureller Kommunikation unterrichtet. Qualifizierte, flexible und mobile Mitarbeiter, die europaweit eingesetzt werden können, seien für den Unternehmenserfolg am Standort Deutschland entscheidend. Magnus Jung

Der Autor arbeitet als freier Journalist in Nonnweiler/Saarland.


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