Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 07 / 14.02.2005
Hartmut Hausmann

Ein Berg von Klagen in Straßburg

Menschenrechte

Mit dem Eingang von 45.000 neuen Beschwerden hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand zu verzeichnen. Zwar konnten gut 20.000 Fälle abgeschlossen werden, weil sie sich entweder nicht auf die Europäische Menschenrechtskonvention bezogen und damit als unzulässig zurückgewiesen werden mussten oder sie konnten in einer gütlichen Einigung beigelegt werden. 718 Klagen wurden durch ein Urteil abgeschlossen. Da alle eingehenden Beschwerden geprüft und bearbeitet werden müssen, ist der Berg von anhängigen Klagen inzwischen auf 78.000 angestiegen.

Der Präsident des Gerichtshofs, der Schweizer Luzius Wildhaber, kündigte bei der Vorstellung der Arbeitsbilanz 2004 an, die innere Reform voranzutreiben. Zugleich rief er die Mitgliedsstaaten auf, das Protokoll Nr. 14 zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte unverzüglich zu ratifizieren. Wenn dies geschehe, zeigte sich Wildhaber überzeugt, erhalte der Gerichtshof hilfreiche Verfahrensinstrumente, die es ihm ermöglichten, die Verfahren zu rationalisieren und die Prüfung der Fälle zu beschleunigen. Das Protokoll liegt seit dem 13. Mai 2004 vor und wurde bis jetzt von 32 Staaten unterzeichnet, aber nur von sechs Ländern ratifiziert. Es tritt erst in Kraft, wenn es alle Unterzeichnerstaaten der Konvention ratifiziert haben.

Der Statistik für 2004 ist zu entnehmen, dass es bei den 718 Urteilen vor allem um die Länge der Verfahrensdauer geht, die Bürger in ihren Ländern hinnehmen müssen, um zu ihrem Recht zu kommen - ein vor allem in Polen, Frankreich, Griechenland und Tschechien auftretendes Problem. Spitzenreiter bei den noch anhängigen Verfahren sind Russland und Polen mit jeweils 11.000 unerledigten Klagen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.