Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 37 / 12.09.2005
Johanna Metz

Stimmenfang mit Stars und Sternchen

Wahlkampf 2005: VIPs sind bei den Parteien heiß begehrt

Welcher Promi ist noch frei?" - Das könnte in diesen Tagen eine häufig gestellte Frage in den Wahlkampfzentralen der Parteien sein. Denn in der heißesten Phase des Wähler-Werbens sind die VIPs begehrt wie nie: Die Parteien überbieten sich im Sammeln von so genannten "Testimonials" von Schauspielern, Künstlern und Unternehmern, auf den Wahlkampfseiten im Internet wurden dafür sogar eigene Rubriken geschaffen.

So erklären in der "CDU-Unterstützergalerie" Stars wie Modemacher Wolfgang Joop oder Hollywood-Re-Import Ralf Moeller ihre Sympathie für die Christdemokraten, die Grünen können mit Nina Hagen und Hella von Sinnen punkten. Die FDP hält mit Michael Stich und Bernhard Brink dagegen, die Linkspartei.PDS mit Peter Sodann und Hermann Kant. Den "Unterstützerrekord" hält aber die SPD: 1.500 Menschen haben mittlerweile den Aufruf der Wahlinitiative "Aktion für mehr Demokratie" unterschrieben, da-runter 80 bekannte Persönlichkeiten wie Hannelore Elsner, Iris Berben oder Wim Wenders. Täglich kommen neue VIP-Statements hinzu, einige sind sogar per Video-Stream auf der Seite abrufbar. In der Wahlkampfzentrale der SPD ist man erfreut über diese Resonanz, wohl aber auch etwas überfordert: "Es melden sich so viele Promis bei uns, wir wissen gar nicht, wo wir die alle unterbringen wollen."

Was aber nützt so viel prominenter Rückenwind den Parteien? Darüber ist man in den Parteizentralen geteilter Auffassung. Bei der CDU glaubt man schon, "den einen oder anderen überzeugen zu können, der durch ein reines politisches Statement nicht zu überzeugen ist". Bei der FDP geht man sogar so weit anzunehmen, man könne über die Stammklientel hinaus neue Wähler gewinnen: "Wenn ein Prominenter, dem der Wähler traut, unsere Partei empfiehlt, wird man sich uns eher zuwenden als ohne Empfehlung", sagt der stellvertretende FDP-Pressesprecher Wulf Oehme.

Das aber sieht der Parteienforscher Everhard Holtmann anders: "Der mutmaßliche Effekt der Werbung mit Prominenten ist sehr bescheiden einzuschätzen", meint er, "er bewegt sich im Marginalen." In den USA sei es ja auch Präsidentschaftskandidat John Kerry nicht gelungen, die Wahlen für sich zu entscheiden - trotz massiver Unterstützung aus Hollywood.

Das aber hält die Parteien nicht davon ab, weiterhin mit Prominenten zu werben, denn das hat auch hierzulande eine gewisse Tradition: Erstmals mischten sich 1969 bekannte Persönlichkeiten in den Wahlkampf ein, 1972 erreichte die Emotionalisierung der Politik ihren absoluten Höhepunkt. Unzählige Künstler und Intellektuelle identifizierten sich damals mit Bundeskanzler Willy Brandt und seiner neuen Ostpolitik, der Schriftsteller Günter Grass begleitete den Sozialdemokraten sogar auf seinen Wahlkampfreisen und hielt flammende Reden, vor allem in CDU-Hochburgen. Die Parole dieser Zeit: "Willy wählen!".

Waren die 68er also die Vorboten einer neuen Wahlkampf-Kultur? Nicht ganz, denn in den Jahren danach erwiesen sich die VIPs als etwas sperrig: Lange nicht mehr haben sie sich so aktiv in den Wahlkampf eingemischt und so klar Stellung für eine bestimmte Politik bezogen wie in Willys Zeiten. Heute freuen sich die Parteien, wenn Alt-Schlager-Star Roland Kaiser auf SPD-Veranstaltungen singt oder Schauspieler Ralf Moeller im Adenauer-Haus seine Muckis zeigt. Denn die meisten VIPs beschränken sich auf viel weniger: ein kurzes Statement auf einer Wahlkampfseite oder eine Unterschrift auf einer Unterstützerliste.

Verzichten möchte auf diese Sympathiebekundungen aber keine Partei mehr. Die Stars gehören heute eben zum Wahlkampf wie das Kanzlerduell oder die Lasershow beim Auftritt der Kandidaten. Und es schadet ja auch nicht. Die ein oder andere Partei mag sich nur insgeheim eines wünschen: Einmal so viele Wähler haben wie Roland Kaiser Fans.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.