Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 45 / 07.11.2005
Sabine Quenot

Marmor für das Mexiko-Feeling

Botschaften in Berlin (III): Die Vertretung Mexikos
Für den dritten Teil unserer Serie über die Botschaften in Berlin haben wir uns in der mexikanischen Botschaft umgesehen. Sie gehört mit Sicherheit zu den größten Überraschungen in der neueren Architekturlandschaft Berlins: Verarbeitet wurde nicht etwa schnödes Sichtbeton, sondern eine Mischung aus Zement und Marmormehl. Die Architekten hoffen jetzt nur eines: Dass sich das Weiß der Fassade in der Berliner Luft nicht so schnell grau färben wird wie Beton in der trüben Luft von Mexiko-Stadt.

Die Architekten der Mexikanischen Botschaft in Berlin haben die eigene mexikanische Art, mit Beton zu bauen, in mitteleuropäische Gefilde importiert: Beton wird in Mexiko sehr häufig verbaut, schließlich gehören die Mexikaner zu den größten Betonlieferanten der Welt. Doch wirken die ständig feucht gewischten Gebäude dort eher warm, frisch und verspielt; hier sind sie oft nur grau, stumpf und erschlagen den Betrachter mit ihrer Rohheit.

Um dieses Beton-Feeling mit einzugießen, haben die Erbauer für das Material, aus dem die markante Fassade der Botschaft in der Klingelhöferstraße am Rande des Tiergartens besteht, ein besonderes Finish verwendet und mischten dem Zement anstelle von Sand und Kies kleine Marmorstücken und Marmormehl bei. Um die Wirkung der extravaganten Betonmischung zu verstärken, wurden die sichtbaren Oberflächen mit Pressluftmeißeln bearbeitet. Der Effekt ist wunderschön: eine grobe, aber zugleich feine, leicht funkelnde Oberfläche.

Für die 40 Menschen, die hier arbeiten, Diplomaten, Mitarbeiter und Techniker, ist der Bau ein "phantastisches Geschenk". Sie sind stolz darauf, denn für sie ist das Gebäude "typisch mexikanisch": Moderne und indianische Kultur sind in einem Objekt vereint. Die Architekten Teodoro González de León und Francisco Serrano verleihen der Botschaft die charakteristischen Merkmale der mexikanischen Architektur: offene große Repräsentationsräume sowie starke architektonische Elemente.

Die Fassade ist transparent und monumental zugleich. Sie besteht aus 18 Meter hohen, zum Teil schräg gesetzten Pfeilern aus jenem edlen Beton. Die 40 Stützen der repräsentativen Vorderseite öffnen wie Längslamellen den Blick auf den Eingang und gestatten auch Einblicke in das Innere des Gebäudes. Je nach Standpunkt des Betrachters verschiebt sich die Fassade zu immer neuen Ansichten.

Deutschland als einer der wichtigsten Handelspartner wird von den Mexikanern so geschätzt, dass hier die schönste und bedeutendste mexikanische Botschaft Europas entstanden ist. "So einen Hauptstadtwechsel gibt es wohl nur ein Mal auf der Welt", sagt Lino Santacruz, Presseattaché im Hause. Den haben die Mexikaner genutzt, um aus der prominenten Adresse Adenauerallee 100 in Bonn mitten in Berlins neues politisches Zentrum umzuziehen.

Innen zieht das zylindrisch geschnittene Atrium magisch an. Wie die Fassade ist es 18 Meter hoch und beträgt im Durchmesser 14 Meter. Inspiriert von dem prähispanischen Observatorium in der Maya-Stadt Chichen Itzá, birgt es zahlreiche geometrische Formen, wie einen pyramidenförmigen Treppengarten und einen Türsturz aus einem Dreieck ohne Spitze, wie er in den Eingängen zu den Pyramiden von den Mayas konstruiert wurde. Die rund 400 kleinen Bullaugen im Zylinder lassen Strahlen herein, die wechselnde Lichtspiele an die Wand werfen. Das runde Dach ist verglast und schafft selbst bei grauem Himmel oder Schnee ein lichtes Zentrum, zu dem das gesamte Gebäude in Beziehung steht.

Hier erzählte auch der Kunstsammler Heinz Berggruen einst bei einer Lesung von seiner Affäre mit Frida Kahlo - eine deutsch-mexikanische Beziehung, die nur kurz weilte.

Insgesamt soll die Botschaft ein Ausdruck für die ausgezeichneten Beziehungen zwischen Deutschland und Mexiko sein. Beide Länder verbindet eine wichtige Erfahrung: die einer friedlichen unblutigen Revolution in ihrer jüngeren Geschichte - Deutschland 1989 und Mexiko 2000.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.