Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 45 / 07.11.2005
Armin Pfahl-Traughber

Keine Kulturrevolution von Rechts

Der "Kampf um die Köpfe" kann als gescheitert angesehen werden

Der deutsche Rechtsextremismus der Nachkriegszeit wies in nahezu allen Phasen intellektuelle und programmatische Defizite auf. Demgegenüber entstand in Frankreich Ende der 60er-Jahre eine geistige Strömung des Rechtsextremismus, die ein neues ideologisches Profil und eine praktizierbare kulturrevolutionäre Strategie entwickelte. Ihr Vordenker, der Publizist Alain de Benoist, kritisierte dabei die "Alte Rechte": Sie sei tot, sie verfüge weder über einen Willen noch über ein Ziel. Benoist wollte mit seinen Anhängern eine "Neue Rechte" ("Nouvelle Droite") ins Leben rufen. Hinsichtlich ihrer Ablehnung der Minimalbedingungen eines demokratischen Verfassungsstaates unterschied sie sich nicht vom traditionellen Rechtsextremismus, wohl aber in der Diskurstechnik, der Organisationsform, den Positionen und der Vorgehensweise.

Als Antwort auf die kulturrevolutionären Impulse des Pariser Mai 1968 entstand in Form eines Intellektuellenzirkels im Januar 1969 das "Groupement de recherche et d'études pour la civilisation européenne" (GRECE, (Forschungs- und Studiengruppe für die europäische Zivilisation). Unter Rückgriff auf die Ideen der "Konservativen Revolution" der Weimarer Republik (unter anderem Carl Schmitt, Oswald Spengler) und Positionen von intellektuellen Sympathisanten des italienischen Faschismus sowie Vertretern der Intelligenz- und Verhaltensforschung entwickelte man eine eigene Ideologie.

Deren Kern bestand in der Ablehnung des Gleichheitsprinzips, womit sich eine Frontstellung gegen Christentum, Liberalismus und Sozialismus verband. Im Zuge dessen lehnte man auch die Menschenrechte ab, galten sie doch als Ausdruck eines die Gemeinschaft der Kulturen zersetzenden Individualismus. Dem gegenüber stellte die "Neue Rechte" ein biologistisches Gesellschaftsbild, das angeblich angeborene Verhaltensweisen des Menschen als konstante Strukturfaktoren für die Ausrichtung von Gesellschaftsordnungen ansah. Die Herrschaft einer Elite, die Rolle der Frau oder der Ausbruch von Kriegen galten als Ausdruck der Natur. Das angestrebte Gegenmodell wurde von Benoist nicht näher beschrieben, es lief aber auf das autoritäre System einer Eliten-Diktatur in einer organischen Gemeinschaft hinaus.

Für diese politische Positionen warb die "Neue Rechte" nicht durch Aktionen oder Parteipolitik, sondern mit dem Anspruch einer "Kulturrevolution von Rechts". Im Sinne des "Kampfes um die Köpfe" sollten insbesondere Angehörige der intellektuellen Elite als Anhänger gewonnen werden. Daher konzentrierten sich die Aktivitäten des GRECE auf die Durchführung von Kongressen und die Veröffentlichung von Schriften. Zeitweilig war diesem Vorgehen ein gewisser Erfolg beschieden: 1978 erhielt Benoist den bedeutenden "Grand Prix de l'Essai" der Académie Française. In den 80er-Jahren konnte er in den zwei wichtigen französischen Wochenzeitungen "Figaro Magazine" und "Valeurs actuelles" regelmäßig Beiträge veröffentlichen. Daraufhin gründeten sich auch in anderen europäischen Ländern ähnliche Intellektuellenzirkel.

In Deutschland entstand etwa 1981 das in Kassel ansässige "Thule-Seminar", das unter der Leitung von Pierre Krebs programmatische Bücher und Zeitschriften herausgab, aber nie die Bedeutung der französischen "Neuen Rechten" erlangte. Mitte der 80er-Jahre geriet dieses Projekt ebenso in die Krise wie die "Mutterströmung" in Frankreich: Wichtige Protagonisten wie Guillaume Faye oder Yvan Blot gingen aus persönlichen oder politischen Gründen eigene Wege. Mitte der 90er-Jahre spaltete sich auch ein Teil der europäischen Anhänger vom GRECE ab und gründete mit den "Synergies Européennes" (Europäische Synergien) um den belgischen Publizisten Robert Steuckers einen europaweiten Dachverband, der jedoch keine breiteren Aktivitäten mehr entfalten konnte und kurze Zeit später in die Krise geriet.

Auch Benoist selbst isolierte sich zunehmend und verlor viele Anhänger an den "Front National". Gleichzeitig wandelte er sich strategisch - durch eine verbale Mäßigung seiner Positionen, aber auch durch die Hinwendung zu Themen der "Neuen Sozialen Bewegungen". Mit der Ablehnung der Globalisierung und der Betonung der Ökologie versuchte er vergeblich, Akzeptanz für seine Auffassungen zu erlangen. In Deutschland publiziert Benoist nach wie vor regelmäßig Beiträge in der Wochenzeitung "Junge Freiheit".

Die Auffassungen und das Wirken der französischen "Nouvelle Droite" zeigte dem deutschen Rechtsextremismus immer wieder seine ideologischen Mängel auf. Zwar gab es regelmäßig Versuche, sie durch Intellektualisierungsbemühungen zu überwinden. Dazu gehörten eine Reihe von Zeitschriftenprojekten, die allerdings nach kurzer Zeit scheiterten. Auch in der NPD erkannte man die damit verbundenen Probleme und versuchte mit einem "Kampf um die Köpfe" diesen Zustand zu überwinden. Das Bemühen kann indessen als gescheitert gelten, einer der wichtigsten Protagonisten dieser Entwicklung, Jürgen Schwab, zog sich mittlerweile frustriert zurück. Das jüngst veröffentlichte Papier einer "Dresdner Schule" aus der sächsischen Landtagsfraktion kann eher als intellektuelle Peinlichkeit gelten.


Der Autor ist Politikwissenschaftler und Soziologe und arbeitet als Professor an der Fachhochschule des Bundes in Brühl/Heimerzheim.


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