Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 14 / 03.04.2006
Daniela Weingärtner

Energie-Monopoly geht weiter

Nach dem Frühjahrsgipfel in Brüssel
Ohne greifbare Ergebnisse ging der Frühjahrsgipfel in Brüssel zu Ende. Zwar bekennen sich alle Regierungen und die EU-Kommission dazu, künftig die Energiepolitik besser abzustimmen. Doch es bleibt bei einer freiwilligen offenen Form der Koordinierung. Die Kommission wird keine Instrumente erhalten, die Öffnung der Energienetze zu erzwingen oder eine gemeinsame Vorratshaltung für Krisenzeiten durchzusetzen.

Die Produktionswagen der Fernsehgesellschaften mit ihren großen Satellitenschüsseln auf dem Dach haben das Europaviertel längst wieder verlassen. Die Podeste für die Kamerateams auf dem Platz vor dem Ratsgebäude sind abgebaut. Europas Hauptstadt ist nach dem traditionellen Frühjahrsgipfel zum Alltag zurückgekehrt. Auch in der täglichen Politik hat das Zusammentreffen der europäischen Chefs, das wie jedes Frühjahr hauptsächlich den Themen Wirtschaft und Arbeitsplätze gewidmet war, kaum Spuren hinterlassen.

Das liegt nicht am mangelnden diplomatischen Geschick der österreichischen Ratspräsidentschaft. Das liegt auch nicht an fehlenden Initiativen der EU-Kommission. Es liegt daran, dass die Regierungen Wachstum, Beschäftigung und Strukturpolitik nach wie vor als nationale Domänen betrachten, in die sie sich nicht gern hineinreden lassen. Bestes Beispiel: die Energiedebatte. Aus aktuellem Anlass wurde sie zum Schwerpunkt dieses Gipfels. Angela Merkel hielt beim Abendessen dazu die einführende Rede. An ihren Worten konnte man bereits ablesen, dass das Treffen in Brüssel wenig konkrete Ergebnisse bringen würde.

Die Haltung der europäischen Regierungen lässt sich in zwei Sätzen zusammenfassen: Ja, wir brauchen ein Mindestmaß an Abstimmung, um beim harten Kampf um die knappen Ressourcen Öl und Gas gegenüber der ständig wachsenden Konkurrenz aus Indien und China bestehen können. Nein, wir wollen nicht, dass die EU-Kommission die Sache in die Hand nimmt, unsere Interessen auf internationalem Parkett vertritt, den Binnenmarkt für Energie vorantreibt und als Streitschlichter einen europäischen Regulator einsetzt. In der Woche nach dem Gipfel wurde beim Energie-Monopoly so ungeniert weitergeschachert, als hätte es den Frühjahrsgipfel mit seinen Beteuerungen nicht gegeben.

Warnung vor nationalen Alleingängen

Es zeigte sich prompt, dass die Warnungen der EU-Kommission vor nationalen Alleingängen nicht unbegründet sind. Der russische Staatskonzern Gazprom hat China von 2011 an insgesamt 80 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich zugesichert. Das ist die Hälfte dessen, was derzeit nach Europa gepumpt wird. Europäische Sorgen versuchte ein Sprecher mit dem Hinweis zu zerstreuen, die Vorräte reichten, um den Bedarf aus Asien, aus Nordamerika und aus Europa zu decken.

Obwohl die EU weiter denn je davon entfernt scheint, ihre Energiepolitik zu koordinieren, gibt Kommissionspräsident Barroso vor, mit dem Ergebnis des Frühjahrsgipfels überaus zufrieden zu sein. Für die Journalisten hatte er eine Liste vorbereitet, die demonstrieren soll, dass die Regierungen mehr als 20 Vorschläge aus seinem Grünbuch zur Energiepolitik in ihre Abschlusserklärung aufgenommen haben. Damit wollte er den Vorwurf entkräften, die Kommission habe jede Eigeninitiative aufgegeben und sich zum Sachwalter der Regierungschefs degradieren lassen. Nicht zuletzt auch wegen der hochgelobten Rede Angela Merkels zum Thema Energiepolitik am ersten Gipfelabend. Eine derartige Harmonie habe er bei einem Gipfel noch nicht erlebt, erklärte anschließend der Gastgeber Wolfgang Schüssel. Teilnehmer berichteten, die Aussagen der deutschen Kanzlerin seien viel zu allgemein gewesen, um Anlass für Diskussionen oder Kontroversen zu liefern.

Merkel sprach sich dafür aus, die Strom- und Gasmärkte in der EU weiter zu liberalisieren. Durchlässige Netze sorgten für niedrigere Preise. Vorrang müsse dem Energiesparen und den Erneuerbaren Energien eingeräumt werden, forderte Merkel. Allerdings müssten sich die Mitgliedstaaten auf einheitliche Ziele verständigen, um nicht ökologisch engagierte Länder gegenüber denjenigen zu benachteiligen, die billigere, aber umweltschädigende Energiequellen nutzen. Das in der Koalition umstrittene Thema Kernenergie sparte sie aus. Zunächst solle man schauen, wie weit man auf anderen Wege komme. Merkel wandte sich klar dagegen, die europäische Energiepolitik von Brüssel aus zu lenken. Es müsse jedem einzelnen Land überlassen bleiben, für welchen Energiemix es sich entscheide. Auch Ratspräsident Schüssel schwenkte auf diesen Kurs ein: Jedes Land müsse wählen dürfen, auf welche Energie es setzen wolle, so Schüssel.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.