Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 28 - 29 / 10.07.2006
Tom Rolff

Juristische Grauzone

Umstrittene Weitergabe von Banken-Daten

Im Kampf gegen den Terrorismus hat das Europaparlament die Behörden zu einer Abwägung "zwischen Sicherheitsmaßnahmen und dem Schutz der Bürgerrechte" aufgerufen. In einer am 6. Juli verabschiedeten Resolution haben die Abgeordneten davor gewarnt, ein Klima zu schaffen, in dem "der Respekt für die Privatsphäre und den Datenschutz Schaden nimmt".

Ende Juni war bekannt geworden, dass die amerikanischen Finanzbehörden Überweisungsdaten aus Europa systematisch ausgewertet haben. Informationen über internationale Geldtransfers werden von den europäischen und amerikanischen Banken über die gemeinsame Firma Society for Worldwide Interbank Financial Telekommunication (Swift) mit Sitz in Brüssel abgewickelt. Beteiligt an Swift sind 7800 Banken in 200 Ländern.

Das Management von Swift hatte am 23. Juni eingeräumt, den US-Behörden Einblick in die Überweisungsdaten gegeben zu haben. Nach der Rechtslage sei man dazu gezwungen gewesen. Das US-Finanzministerium habe jedoch weitreichende Zusagen im Hinblick auf den "Zweck, die Vertraulichkeit und die Kontrolle" der Operation gemacht. Zuvor hatten mehrere amerikanische Zeitungen darüber berichtet, dass es auch in der US-Regierung Zweifel gegeben habe, ob das Vorgehen des Finanzministeriums, die Daten an CIA und FBI weiterzugeben, legal sei.

Die Zentralbanken, allen voran die belgische Nationalbank und die EZB, waren über den Zugriff der Amerikaner auf die Daten unterrichtet, hatten aber nichts unternommen. Die Nationalbank sei nur für die "Stabilität des Finanzsystems" zuständig, heißt es in Brüssel. Dafür habe das Vorgehen der US-Behörden keine Bedeutung. Die Kommission hingegen habe erst aus der Zeitung davon erfahren, versichert der zuständige Kommissar Franco Frattini. Eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob die Firma Swift gegen geltendes Recht verstoßen habe, sei derzeit nicht möglich. Maßgeblich für den Transfer solcher Daten "zwischen den Filialen eines Unternehmens" sei die Datenschutzrichtlinie von 1995. Er gehe davon aus, dass die Mitgliedstaaten ihre daraus entstehenden Verpflichtungen erfüllten, sagte Frattini in der vergangenen Woche vor dem europäischen Parlament. Gefragt sind zunächst die belgischen Behörden. Die Regierung, sagt Premierminister Guy Verhofstadt, sei über den Datentransfer nicht informiert gewesen.

Die Kommission könne ein endgültiges Urteil erst abgeben, wenn sie über die Einzelheiten der Operation informiert sei, sagt Frattini. Der Innenkommissar hat vor dem Parlament aber eingeräumt, dass der Datentransfer von Europa nach Amerika in einer "juristischen Grauzone" stattgefunden habe, die beseitigt werden müsse.

Im Unterschied zu den Fluggesellschaften, die die Daten ihrer Kunden direkt an die US-Behörden weitergeben, handele es sich bei Swift um einen Datentransfer zwischen zwei Filialen eines Unternehmens, jedenfalls aus europäischer Sicht. Die Datenschutzrichtlinie von 1995 sei dafür zwar anwendbar. Die Weitergabe der Daten an Drittstaaten "aus Gründen der Sicherheit" decke sie aber nicht ab. Das hatte auch der Europäische Gerichtshof kürzlich entschieden.

Besser geschützt wären die Daten von Swift nach den Worten des Kommissars, wenn der Ministerrat den Rahmenbeschluss zum Datenschutz im zwischenstaatlichen Bereich verabschieden würde, den die Kommission kürzlich vorgelegt hat.

Parlamentarier fordern Aufklärung

Viele Abgeordnete wollten dies so nicht akzeptieren. Er wisse auch, dass die Regierungen nicht viel gegen den "Skandal" unternehmen könnten, sagte der liberale französische Abgeordnete Jean-Marie Cavada, etwas mehr offizielle Empörung hätte er aber schon von den Mitgliedstaaten erwartet. Die Grundsätze des Rechtsstaates verlangten, dass ein Datentransfers, wie er von Swift praktiziert worden sei, auf der Grundlage von festen Regeln stattfinde. Die Mehrzahl der Abgeordneten forderte eine "lückenlose Aufklärung der Vorgänge". Der Rechtsausschuss und der Währungsausschuss sollen in einer gemeinsamen Anhörung für Klarheit sorgen. Neben Vertretern der Kommission und der Regierungen sollen dort auch die Zentralbanken aussagen. Das Parlament wolle wissen, sagt der Abgeordnete Udo Bullmann(SPD), "ob jemand auf der europäischen Ebene von der Vereinbarung zwischen Swift und der US-Regierung gewusst hat und vor allem, wer die politische Verantwortung für die Weitergabe der Daten trägt."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.