Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 36 / 04.09.2006
Nina Florack

Die dunklen Netzwerke schließen sich zusammen

Kriminalität und Terrorismus: eine immer engere Verbindung

Was zunächst an Science-Fiction-Filme erinnert, ist für die nationale und internationale Sicherheit ein Hauptrisiko: "Dark networks". Diese dunklen Netzwerke bestehen auf der einen Seite aus terroristischen Gruppen, die nach dem 11. September 2001 gefährlicher sind denn je. Auf der anderen Seite gibt es den Bereich der Organisierten Kriminalität, der mit internationalem Drogenhandel, Waffenhandel oder Menschenschmuggel für Schlagzeilen sorgt. Trotz unterschiedlicher Zielsetzungen - terroristische Gruppen unterscheiden sich von Kriminellen dadurch, dass ihren Handlungen keine materielle, sondern eine politische Motivation zugrunde liegt - nehmen die Verflechtungen zwischen terroristischen Gruppen und der Organisierten Kriminalität zu.

Dabei geht es hauptsächlich um Geld. Während der ideologisch motivierten Auseinandersetzung zwischen West und Ost waren beide Seiten daran interessiert, terroristische Gruppierungen zu unterstützen, um den eigenen Einflussbereich auszubauen und so den Gegner zu schwächen. Nach dem Ende des Kalten Krieges brach für die internationale Terrorszene diese Finanzierung durch einzelne Staaten weg und die einst protegierten Gruppen mussten sich auf die Suche nach neuen Einnahmequellen begeben. Dies wird schwieriger: Nach den Anschlägen des 11. Septembers erhöhte sich zum einen der Druck auf Staaten, die im Verdacht standen, den Terrorismus zu finanzieren; zum anderen werden auffällige Geldbewegungen und verdächtige Spendenvereine verstärkt beobachtet.

Traditionelle terroristische Gruppen wie die RAF finanzierten sich vor allem durch Banküberfälle und Lösegeldern aus Entführungen. Der Terrorist Carlos, der unter dem Namen "der Schakal" bekannt wurde, führte Anschläge gegen Bezahlung durch und entwickelte sich damit zu einem Auftragsterroristen. Bankraub und Lösegelderpressungen sind zwar nicht vollständig aus dem Repertoire der Terroristen verschwunden, der Terrorist der Gegenwart entwickelt sich jedoch immer mehr zu einem modernen "Unternehmer", der auf legale wie illegale Geschäfte zurückgreift. In Westafrika beispielsweise geht man von einer Verbindung zwischen Al-Qaida und dem Diamantenhandel aus, die durch die Einschränkung der Nutzung des legalen Bankensektors entstanden ist. Die Diamanten sind für das Terrornetzwerk eine Art Ersatzwährung, die sie auf dem internationalen Markt gegen Bargeld eintauschen können.

In den transnational operierenden kriminellen Organisationen finden Terroristen Kooperationspartner. Sie beteiligen sich an illegalen Geschäften wie dem Drogen- und Menschenhandel oder dem Diamantenschmuggel. Geheimdienste gehen davon aus, dass die "Befreiungsarmee des Kosovo" (UCK) - die 1998 vom US-Außenministerium als terroristische Organisation eingestuft wurde - einen großen Teil ihrer illegalen Waffen über das weltweite Netzwerk der albanischen Mafia bezog. Wenigstens ein Teil der finanziellen Mittel hierfür dürfte aus dem internationalen Drogenhandel oder anderen illegalen Aktivitäten stammen. Die Kooperationen gehen oft mit dem gegenseitigen Schutz von Schmuggelrouten einher: Man sichert die Aktivitäten der anderen Seite und lässt sich dafür mit Wegegeld bezahlen oder übernimmt selbst einen Teil des Transportes.

Auch im Bereich des Nuklearterrorismus ist die Zusammenarbeit mit kriminellen Netzwerken für Terroristen unumgänglich. Um nukleares Material kaufen zu können, müssen terroristische Gruppen auf illegale Beschaffungsstrukturen zurückgreifen, meist auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Seit den 1990er-Jahren halten sich Gerüchte, nach denen Al-Qaida versucht, nukleares Material zu erwerben. Berichte von einem eigenen Forschungsprogramm für diese Art von Waffen oder vermutete Kontakte zwischen Al-Qaida-Mitgliedern und illegalen Händlern tragen hierzu bei - auch wenn es bislang keine Beweise dafür gibt, dass das Terrornetzwerk ernstzunehmende Versuche unternommen hat, so genannte "Weapons of Mass Destruction" (WMD) zu konstruieren. Auch bei bestimmten Dienstleistungen, die in der Regel Expertenwissen erfordern, entstehen Formen der Zusammenarbeit - etwa beim Fälschen von Dokumenten oder der Geldwäsche.

Schwerpunkt der Kooperation ist der so genannte Narcoterrorismus - ein Geflecht von Organisierter Kriminalität, Drogenanbau und -handel und Aufstandsbewegungen. Dieser findet sich hauptsächlich in Kolumbien, wo so genannte "Befreiungsbewegungen" in den Drogenhandel verwickelt sind, indem sie Steuern für die Coca-Bauern erheben oder gegen ein Entgelt Drogenlabore schützen. Bei der Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) sind Experten der Ansicht, dass 70 Prozent der Einnahmen aus Drogengeschäften stammen. Weitere Gruppen, bei denen eine Verbindung zum Drogenhandel vermutet wird, sind der Leuchtende Pfad in Peru, einzelne Mitglieder der LTTE in Sri Lanka, die Hisbollah, die PKK, die Real IRA und die ETA. Obwohl bei Al-Qaida bislang keine direkte Verbindung zum Drogenhandel aufgedeckt werden konnte, spricht die enge Zusammenarbeit mit den Taliban, die in Afghanistan vom Mohnanbau und Drogenhandel profitieren, für eine Verwicklung.

Doch es geht nicht nur um Kooperation. Immer wieder werden aus Terroristen Kriminelle - vor allem dann, wenn die Gewinne durch kriminelle Aktivitäten wichtiger werden als die politische Motivation. So entdeckten Fahnder im März 2006 auf dem Bauernhof von Thomas Murphy, der unter dem Namen "Slab" als Stabschef der IRA gilt, diverse illegale Güter. Im Keller seines Hauses fand die Polizei Tanks mit billigem Diesel-Kraftstoff, den Murphy in teurem Auto-Diesel reinwusch. Man fand zudem Zigaretten, große Mengen Bargeld und Scheckvordrucke. Ähnlich ist es bei der ETA, die ebenfalls tief in den Waffen- und Drogenhandel, in Schutzgelderpressungen sowie in die Geldwäscherei verwickelt ist.

Diese Verflechtungen zwischen kriminellen und terroristischen Netzwerken werden weiterhin zunehmen. Die "dunklen Netzwerke" sind damit inzwischen eine äußerst realistische Bedrohung, die es zu bekämpfen gilt.

Die Autorin ist freie Journalistin in Berlin.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.