Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 36 / 04.09.2006
Mark A. Gabriel

Der Islam ist in Schwierigkeiten

Die Offenbarungen Mohammeds
Mark A. Gabriel, 1957 in Ägypten in einer streng gläubigen muslimischen Familie geboren, war Professor für Islamgeschichte an der Al-Azhar Universität in Kairo und Imam einer Moschee von Gizeh. Als er begann, an der Friedfertigkeit des Islams zu zweifeln, sagte Gabriel sich von seinem Glauben an Allah los und konvertierte zum Christentum. Heute lebt er in den USA und setzt sich mit den Unterschieden zwischen Islam und Christentum auseinander und veröffentlichte dazu mehrere Büchere, darunter "Islam und Terrorismus" und "Jesus und Mohammed - erstaunliche Unterschiede und überraschende Ähnlichkeiten".

Zwischen dem Islam und dem Rest der Welt gibt es große Probleme. Nach dem 11. September 2001 erkannte der Westen, dass er es mit dem islamischen Terrorismus und nicht einfach nur einem politischen oder nationalistischen Terrorismus zu tun hat. Der direkte Konflikt mit dem Islam wurde seit den Kreuzzügen nicht mehr so offen diskutiert - selbst die europäischen Kolonialmächte sprachen eher vom Kampf gegen die Türken als vom Kampf gegen den Islam.

Das deutsche Volk hat die Gefahr, die vom islamischen Extremismus ausgeht, deutlicher erkannt als alle anderen. Bei einer Umfrage im Rahmen des Pew Global Attitudes Project 2006 stellte sich zum Beispiel kürzlich heraus, dass fast alle Deutschen - 93 Prozent - über den Aufstieg des islamischen Extremismus in der Welt "sehr beunruhigt" oder "einigermaßen beunruhigt" sind. Dies war der höchste Umfragewert in den befragten westlichen Ländern, darunter Frankreich (90 Prozent), Großbritannien (84 Prozent), die USA (79 Prozent) und Russland (73 Prozent). Vor dem Hintergrund der von den muslimischen Extremisten verursachten Probleme ist die ganze Welt daran interessiert, mehr über die Lehren des Islam zu erfahren - noch nie in der 1400-jährigen Geschichte des Islams war dieser Wunsch so stark. Die Welt möchte wissen, ob der Islam die Quelle der Gewalt ist oder nicht.

Alle Muslime stimmen überein, dass Mohammed die verschiedenen Passagen des Korans schrittweise über einen Zeitraum von 23 Jahren offenbart wurden. In der ersten Hälfte dieser Zeitspanne lag der Schwerpunkt der Offenbarungen auf geistlichen Themen (etwa das Gebet und die alleinige Verehrung Allahs). In dieser Zeit nahmen nur einige wenige Menschen die Lehren Mohammeds an, so dass er eine eher kooperative Haltung gegenüber den Ungläubigen einnahm, da er nicht über die notwendige Macht verfügte, sich mit ihnen auf einen Streit einzulassen.

Zwei häufig zitierte Verse belegen das: "Es soll kein Zwang sein im Glauben. Gewiss, Wahrheit ist nunmehr deutlich unterscheidbar von Irrtum; wer also sich von dem Verführer nicht leiten lässt und an Allah glaubt, der hat sicherlich eine starke Handhabe ergriffen, die kein Brechen kennt; und Allah ist allhörend, allwissend." (Sure 2:256) In Sure 29:46 heißt es: "Und streitet nicht mit dem Volk der Schrift, es sei denn in der besten Art; doch (streitet überhaupt nicht) mit denen von ihnen, die ungerecht sind. Und sprecht: 'Wir glauben an das, was zu uns herabgesandt ward und was zu euch herabgesandt ward; und unser Gott und euer Gott ist Einer; und Ihm sind wir ergeben'". Danach sollen Muslime niemanden zwingen, einen anderen Glauben anzunehmen und sich nicht mit dem Volk der Schrift - Juden und Christen - über Religion streiten. Diese Haltung sollte jedoch sich drastisch ändern.

Nachdem Mohammed nach Medina gezogen war, vermittelte er erfolgreich einen Waffenstillstand zwischen zwei verfeindeten Stämmen und wurde zu einem politischen Führer. Nun war es nicht mehr erforderlich, Nichtmuslime zu tolerieren. Die Offenbarungen aus dieser Zeit geben neue Leitlinien über den Umgang mit Nichtmuslimen vor. Eine der wichtigsten Offenbarungen ist als "Schwertvers" bekannt: "Und wenn die verbotenen Monate verflossen sind, dann tötet die Götzendiener, wo ihr sie trefft, und ergreift sie, und belagert sie, und lauert ihnen auf in jedem Hinterhalt. Bereuen sie aber und verrichten das Gebet und zahlen die Zakat, dann gebt ihnen den Weg frei. Wahrlich, Allah ist allverzeihend, barmherzig." (Sure 9:5) Die Götzendiener sollten nur verschont werden, wenn sie den Islam akzeptieren. In einer weiteren Offenbarung wird erklärt, dass Christen und Juden eine besondere Steuer entrichten und sich der islamischen Autorität unterwerfen müssen: "Kämpfet wider diejenigen aus dem Volk der Schrift, die nicht an Allah und an den Jüngsten Tag glauben und die nicht als unerlaubt erachten, was Allah und Sein Gesandter als unerlaubt erklärt haben, und die nicht dem wahren Bekenntnis folgen, bis sie aus freien Stücken den Tribut entrichten und ihre Unterwerfung anerkennen." (Sure 9:29)

Das Ziel war es nun, die ganze Welt dem Islam untertan zu machen: "Und kämpfet wider sie, bis keine Verfolgung mehr ist und aller Glaube auf Allah gerichtet ist. Stehen sie jedoch ab, dann, wahrlich, sieht Allah sehr wohl, was sie tun." (Sure 8:39) Es gab keinen Weg zurück zu der toleranten Haltung der ersten Jahre der Offenbarungen. Mohammed machte deutlich, dass Allah den Muslimen das Schwert in die Hand gegeben habe, um den Glauben zu verbreiten. In der Hadith heißt es dazu: "Ich hörte den Gesandten Allahs sagen, mir ist von Allah befohlen worden, dass ich die Menschen solange bekämpfe, bis sie sagen, ,Kein Gott ist da außer Allah', und ich bin sein Gesandter. Und wer dies sagt, rettet sich und sein Geld." (Al-Nisai, Bd. 3, Teil 6, Seite 5, Hadith Nr. 3087) Die Muslime griffen viele Länder in Asien, Afrika und Europa an. Wenn die Menschen sich dem Islam unterwarfen, wurden sie toleriert. Wenn nicht, wurden sie vom islamischen Reich gewaltsam unterdrückt. Daran wird deutlich, warum islamische Extremisten glauben, dass sie den Lehren des Islam folgen, wenn sie den Heiligen Krieg führen.

Zu dessen Mitteln heißt es im Koran "Und rüstet wider sie, was ihr nur vermögt an Streitkräften und berittenen Grenzwachen, damit in Schrecken zu setzen Allahs Feind und euren Feind und außer ihnen andere, die ihr nicht kennt; Allah kennt sie." (Sure 8:60) Die Enthauptung wird im Koran erwähnt: "In die Herzen der Ungläubigen werde Ich Schrecken werfen. Treffet (sie) oberhalb des Nackens und schlagt ihnen die Fingerspitzen ab." (Sure 8:12) Das arabische Wort für schlagen wird vor allem im Zusammenhang mit einem Schwert gebraucht. Aus diesem Grund haben Terroristen wie Abu Musab Al-Zarkawi ihren Geiseln vor laufender Kamera den Kopf abgeschlagen und die Aufzeichnungen im Internet verbreitet. Mohammed pries die Verbreitung von Schrecken als eine Möglichkeit, den Sieg zu erringen. In der Hadith heißt es, dass Allahs Gesandter sagte: "Mir wurden die Schlüssel (für die Macht) des Wortes gegeben, und mir wurde (von Allah) der Sieg durch den Schrecken des Feindes gewährleistet; und es geschah in der vergangenen Nacht während ich schlief, dass mir die Schlüssel aller Schätze der Erde gebracht und in meine Hand gelegt worden sind." (Al-Bucharii, Bd. 4, Buch 52, Nr. 220)

Gleichwohl dürfen wir nicht vergessen, dass die meisten Muslime - vor allem im Westen - den Terrorismus ablehnen. Als die Muslime in Deutschland beispielsweise gefragt wurden, ob Selbstmordattentate und andere Formen der Gewalt gegen zivile Ziele zur Verteidigung des Islams gegen seine Feinde gerechtfertigt seien, erklärten 83 Prozent der Befragten, dass Gewalt "niemals gerechtfertigt" sei (Pew Global Attitudes Project 2006).

Diese gemäßigten Muslime haben sich entschieden, die Lehren des Islams teilweise neu zu deuten - und dies ist eine gute Nachricht für die Weltgemeinschaft. Aber auch wenn diese Muslime gemäßigt sind und keine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen, habe ich als Christ das GefühI, dass sie die Wahrheit umgehen. Ich hoffe, dass die Muslime im Westen ihre Informationsfreiheit nutzen, um über die Modernisierung ihrer religiösen Praktiken hinaus nach der Wahrheit über Gott zu suchen. Der Islam ist in Schwierigkeiten - nicht nur mit dem Westen, sondern auch unter den Muslimen selbst. Wenn die Muslime die Lehren des Islams, nach denen die so genannten "islamischen Extremisten" handeln, näher betrachten, werden sie die Gültigkeit des Islams an sich in Frage stellen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.