Das Parlament
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Nr. 37 / 11.09.2006
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Die Rente wird für Steuerzahler teurer

Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Arbeit und Soziales. Der Etat für Arbeit und Soziales wächst und wächst. Standen Bundesminister Franz Müntefering (SPD) im Jahr 2006 noch 119,55 Milliarden Euro für Ausgaben zur Verfügung, werden es laut Haushaltsentwurf im kommenden Jahr 122,17 Milliarden Euro sein. Allein dieser Zuwachs von 2,62 Milliarden Euro ist größer als etwa der Gesamthaushalt des Auswärtigen Amtes. Wie schon in den Vorjahren stellen die Leistungen des Bundes an die Rentenversicherung den größten Einzelposten im Gesamthaushalt dar: 78,39 Milliarden Euro, noch einmal 970 Millionen Euro mehr als in 2006, schlagen zu Buche.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) muss also knapp 30 Prozent seines 267,6 Milliarden Euro umfassenden Bundeshaushaltes allein für die Rente aufwenden. Große Teile der 78,39 Milliarden Euro wandern als Bundeszuschuss an die Rentenversicherung für Arbeiter und Angestellte. Er beträgt 30,03 Milliarden Euro (2006: 29,47 Milliarden Euro). Hinzu kommen unter anderem ein weiterer Zuschuss zur pauschalen Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen in Höhe von 17,68 Milliarden Euro (17,46 Milliarden Euro), Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten in Höhe von 11,55 Milliarden Euro (11,4 Milliarden Euro) sowie der Bundeszuschuss für die Ostrenten in Höhe von 8,17 Milliarden Euro (7,98 Milliarden Euro).

Ohne diese Mittel läge der Beitrag zur Rentenversicherung inzwischen bei weit über 20 Prozent. Doch selbst mit der Finanzspritze des Bundes wird er im kommenden Jahr von jetzt 19,5 auf 19,9 Prozent steigen. Dieser Wert soll nach dem Willen der Regierung bis 2012 gehalten werden.

Für Diskussionen sorgt der Ansatz für die Einnahmenseite des Einzelplans 11. Veranschlagt sind mit 6,88 Milliarden Euro eine gute Milliarde Euro mehr als für dieses Jahr (5,78 Milliarden Euro). Hereinkommen soll der Zuschlag in erster Linie über den so genannten Aussteuerungsbetrag der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die BA muss für jeden Arbeitslosen, der nicht vermittelt werden kann und nach einem Jahr ins Arbeitslosengeld II (Alg II) rutscht, eine Strafzahlung an den Bund entrichten. Dieser "Aussteuerungsbetrag" soll dem Etat von Müntefering 5,1 Milliarden Euro bringen. Unrealistisch, findet die Opposition und verwies am 7. September im Plenum darauf, dass der Betrag bereits in den Haushaltsberatungen 2006 von 5,3 auf 4 Milliarden Euro korrigiert werden musste, weil abzusehen gewesen sei, dass weniger Arbeitsuchende ins Alg II wechseln würden als zunächst angenommen. Inzwischen rechnet die BA sogar mit einer Gesamtstrafzahlungssumme von unter 4 Milliarden Euro. Höhere Einnahmen aus dem Aussteuerungsbetrag in 2007 würden außerdem voraussetzen, dass die Zahl der neu von Hartz IV Betroffenen deutlich ansteigt, was derzeit nicht abzusehen sei, so die Kritiker.

Zugleich sind im Etatentwurf für 2007 mit 21,4 Milliarden Euro 3 Milliarden Euro weniger für Alg II eingeplant als noch 2006. Für die Einsparungen sollen vor allem die bereits vorgenommenen Hartz-IV-Korrekturen sorgen. Die FDP-Abgeordnete Claudia Winterstein kritisierte die Regierung für diese Haushaltsplanung heftig. "Sie lügen sich in die Tasche", sagte sie in der Plenardebatte. In diesem Jahr würden die Kosten für Alg II voraussichtlich bei 27 Milliarden Euro liegen und kaum etws deute auf eine gravierende Veränderung im kommenden Jahr hin. Es drohten ein Haushaltsloch von 3,5 Milliarden Euro und damit der erneute Bruch der Maastrichter Kritierien. Unions-Sozialexperte Ralf Brauksiepe (CDU) räumte an dieser Stelle ein Haushaltsrisiko ein. Jedoch gebe es Signale, dass die Hartz-IV-Korrekturen deutliche Einsparungen brächten. Insgesamt machen die Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende mit 33,65 Milliarden Euro (2006: 38,26 Milliarden Euro) trotz der Einsparungen aber immer noch den zweiten Riesenposten nach den Ausgaben für die Rente aus. Daran ändert auch nichts, dass die Regierung im Haushaltsentwurf für die Beteiligung des Bundes an den Unterkunfts- und Heizkosten der Alg-II-Empfänger 1,6 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr gestrichen und nunmehr 2 Milliarden Euro eingeplant hat. Damit liegt sie im Clinch mit den Ländern, die in diesem Fall für die Kommunen verhandeln. Diese verlangen unisono als Ausgleich für die Belastungen durch die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe einen Betrag von mehr als 5 Milliarden Euro.

Nahezu gleich geblieben sind mit 6,5 Milliarden Euro die "Leistungen zur Eingliederung in Arbeit" (2006: 6,47 Milliarden Euro). Dazu zählen etwa Weiterbildungsmaßnahmen, Bewerbungstrainings und die so genannten Ein-Euro-Jobs erwerbsfähiger Hilfebedürftiger. Der Löwenanteil dieser Mittel, nämlich 4,23 Milliarden Euro soll über Verpflichtungsermächtigungen - also Ausgaben, die in kommende Jahre verschoben werden - finanziert werden. Bereits im Haushaltsjahr 2008 werden davon bis zu 2,28 Milliarden Euro fällig. Dieser Posten macht an den gesamten Verpflichtungsermächtigungen des Einzelplanentwurfs für 2007 - 4,31 Milliarden Euro (2006: 4,66 Milliarden Euro) - einen Anteil von 98,14 Prozent aus.

Höhere Beitragssenkung?

Unberücksichtigt ist in dem Haushaltsentwurf im Übrigen die aktuelle Debatte um die Verwendung des erwarteten Rekordüberschusses bei der BA von bis zu 9,6 Milliarden Euro. Ob der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung unter die für 2007 geplanten 4,5 Prozent gesenkt werden oder die Mittel in den Bundeshaushalt fließen, wird ohne Frage in der angelaufenen Haushaltsberatungen eine Rolle spielen.

Noch im September will das Bundeskabinett über die Eckpunkte der "Initiative 50plus" von Minister Müntefering beraten, mit der die Jobchancen älterer Arbeitsloser verbessert werden sollen. Angedacht sind unter anderem Lohnzuschüsse sowie Kombilöhne für über 50-jährige Empfänger von Arbeitslosengeld I. Im Haushaltsentwurf schlägt sich dies noch nicht nieder; die Ausgaben für "Beschäftigungspakte für ältere Arbeitnehmer" werden demnach von 267 Millionen Euro im vergangenen auf nunmehr 232 Millionen Euro gekürzt. In den Anmerkungen dazu heißt es, die Mittel dienten "der Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Impulse für mehr Beschäftigung von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch gemeinsame Aktivitäten mit der Wirtschaft, mit den Ländern und in den Regionen sowie weiteren Maßnahmen im Rahmen der Initiative 50plus".

Die Kriegsopferversorgung kostet den Bund im kommenden Jahr 2,61 Milliarden Euro, 290 Millionen weniger als in diesem Jahr. Für die Förderung von behinderten Menschen sind 190,63 Millionen Euro (195,63 Millionen Euro) vorgemerkt. Das Bundesarbeitsgericht in Kassel erhält den Planungen zufolge 9,74 Millionen Euro (9,14 Millionen Euro). Für das Bundessozialgericht in Kassel stehen 14,55 Millionen Euro zur Verfügung (12,15 Millionen Euro). Das Bundesversicherungsamt in Bonn muss mit 28,59 Millionen Euro (30,91 Millionen Euro) auskommen, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Berlin mit 45,68 Millionen Euro (45,72 Millionen Euro).

Investitionen spielen im Sozialhaushalt traditionell eine marginale Rolle. So auch dieses Mal: Vorgesehen sind 15,7 Millionen Euro (2006: 12,8 Millionen Euro), das sind gerade einmal 0,01 Prozent aller Ausgaben des Einzelplans.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.