Große Mehrheit im Bundestag für das Zuwanderungsgesetz
Mehr als vier Jahre lang haben Politiker diskutiert, gemahnt und gewarnt, es wurden Kommissionen eingesetzt, mit Blockade gedroht und das Bundesverfassungsgericht angerufen. Am
1. Juli setzte der Bundestag den Schlusspunkt unter die hindernisreiche Debatte, wie Migration in Deutschland geregelt werden soll: Mit lediglich vier Gegenstimmen beschloss er das Zuwanderungsgesetz - abgelehnt wurde es von zwei Abgeordneten der Union und den beiden fraktionslosen Abgeordneten der PDS. Die Zustimmung des Bundesrates am 9. Juli gilt als sicher. Das Gesetz reguliert die Zuwanderung von Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern und soll gleichzeitig die Integration von Ausländern verbessern. Auch das Flüchtlingsrecht wurde reformiert. Sicherheitsbestimmungen vor allem beim Aufenthaltsrecht wurden hingegen verschärft.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sprach in der fast eineinhalbstündigen, anfangs erregten Debatte von einem allgemein anerkannten "Gewinn für unser Land". Wenn sich alle "als Gewinner sehen, muss das Ergebnis gut sein", so der Minister weiter. Mit dem Gesetz würde die Position Deutschlands im internationalen Wettbewerb gestärkt, die Folgen der demographischen Entwicklung gemindert und die Integration "all derer, die zu uns kommen, um hier zu leben und zu arbeiten", verbessert. Letztlich erhöhe es auch die Sicherheit. Dieses "bedeutende Reformprojekt" müsse sich jetzt allerdings in der Praxis bewähren.
Der saarländische Ministerpräsident und Verhandlungsführer der Union, Peter Müller (CDU), betonte mehrfach den Kompromisscharakter des neuen Gesetzes, das in "wesentlichen und zentralen Punkten" vom ursprünglichen Entwurf der Koalition abweiche. Er wies Kritik an einer zu langwierigen Einigung zurück. "Alle Einwanderungsgesetze dieser Welt sind Einwanderungsbegrenzungsgesetze. Mit den Veränderungen, die jetzt in dem Kompromiss vereinbart worden sind, ist auch dieses Gesetz ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz." Müller hob zudem den Sicherheitsaspekt des neuen Gesetzes hervor. Das Risiko der Zuwanderung von "Fundamentalisten und Terroristen" sei begrenzt worden.
Auch Bündnis 90/Die Grünen hatten sich während der Verhandlungen schwer getan, einigen Kompromissen zuzustimmen. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Volker Beck, hob in der Debatte deswegen den erweiterten Schutz von Flüchtlingen hervor, den man teilweise gegen die Intervention der Union durchgesetz habe. Auch Menschen, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt werden, und solche, die aufgrund ihres Geschlechts verfolgt werden, fänden nun Schutz in Deutschland, so Beck.
Als "Zeichen der Liberalität" und "Dokument der Entscheidungsfähigkeit der deutschen Politik" wertete Max Stadler (FDP) den Kompromiss, selbst wenn ein "ungeheuer bürokratisches Verfahren notwendig" sei, um Zugang zum Arbeitsmarkt zu erlangen. Bei vielen Bürgern sei das Thema Zuwanderung noch "angstbesetzt". Mit dem Kompromiss bestehe nun die Chance, dies zu ändern und eine "rationale Zuwanderungspolitik" zu schaffen.
Die fraktionslose Abgeordnete Petra Pau kritisierte das Gesetz. Es erfülle die hohen Erwartungen nicht: "Angekündigt war ein modernes Einwanderungsrecht. Heraus kam ein Sicherheitsgesetz für beziehungsweise gegen Ausländer."
Dagegen begrüßten die beiden großen christlichen Kirchen grundsätzlich die Verabschiedung, ebenso wie die Vorsitzende des Sachverständigenrates für Zuwanderung, die ehemalige CDU-Politikerin Rita Süssmuth. Auch wenn der Paradigmenwechsel im Ausländerrecht lediglich ansatzweise verwirktlicht worden sei, seien wichtige humanitäre Verbesserungen auf den Weg gebracht worden, wie etwa der Schutz von Flüchtlingen bei Verfolgung, erklärten evangelische und katholische Kirche.