Erster Koalitionsstreit um Personal und Gehälter beigelegt
Außergewöhnlich ruhig war Sachsens CDU-SPD-Regierung in der Weihnachtszeit. Zu ruhig; denn was den Betrachtern als Vorbereitung der Koalitionäre auf die Haushaltsberatungen erschien, erwies sich als Poker um Machtpositionen zwischen den ungleichen Partnern. Als die Chemnitzer "Freie Presse" über ein Traumgehalt für Angelika Wahrheit berichtete, mit dem die neue Pressesprecherin von Wissenschaftsministerin Barbara Ludwig (SPD) für ihre Dienste entlohnt werden sollte, war es allerdings vorbei mit der Ruhe. Von der Besoldungsstufe B3 war die Rede, umgerechnet 6.056 Euro im Monat. Üblich ist in solchen Positionen eine Besoldung nach BAT Ost, die dem Gehalt eines Oberstudienrates entspricht. Ein weiteres pikantes Detail der Personalie blieb auch nicht unerwähnt: Die Sprecherin des Wissenschaftsministeriums ist die Lebensgefährtin des neuen Staatssekretärs im sächsischen Wirtschaftsministerium, Christoph Habermann (SPD).
Weitere Indiskretionen gelangten aus der Staatskanzlei an die "Freie Presse", wohl aus Sorge darüber, dass Thomas Jurk (SPD) das Wirtschaftsministerium, wie es hieß, zu einem zweiten Machtzentrum ausbauen wolle. Aus den Reihen der Sozialdemokraten wurde im Gegenzug auf die personelle Verstärkung der Staatskanzlei hingewiesen, in der neben dem früheren CDU-Generalsekretär Hermann Winkler als Chef im Ministerrang auch Andrea Fischer (CDU) als Staatssekretärin wirken soll. Die Vertraute von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) war zuvor Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium gewesen und eigentlich für ein Ministeramt vorgesehen. Nachdem es ihr aber bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst nicht gelungen war, in ihrem Wahlkreis ein Direktmandat zu erobern, musste sie gegenüber erfolgreicheren Wahlkämpfern zurückstehen.
Wirtschaftsminister Jurk, zugleich stellvertretender Ministerpräsident, hatte damit gedroht, dem Entwurf für den neuen Landeshaushalt seine Unterschrift zu verweigern, so lange die personellen Fragen nicht befriedigend beantwortet seien. Doch die Gemüter beruhigten sich wieder, nachdem der Ministerpräsident mit seinem Stellvertreter unter vier Augen gesprochen hatte. Der "kurze Draht" zu Georg Milbradt habe sich bewährt, betonte nun sein sozialdemokratischer Vize. Die Koalition sei nie in Gefahr gewesen, heißt es, und man werde sich über "ein paar Kleinigkeiten" noch einigen. Frau Wahrheit hat dem Vernehmen nach auf etwa 1.000 Euro Grundgehalt verzichtet und wurde der Öffentlichkeit sodann als Referatsleiterin für "Grundsatzfragen, Kommunikation und Internationale Beziehungen" im sächsischen Wissenschaftsministerium präsentiert.
"Hier ist die Welt noch in Ordnung", sagte Ministerpräsident Milbradt bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfes für 2005/2006 und meinte damit die weiter sinkende Neuverschuldung des Freistaates. Während die anderen ostdeutschen Bundesländer eine Pro-Kopf-Verschuldung von deutlich mehr als 5.000 Euro (Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen) oder gar mehr als 6.000 Euro (Brandenburg, Sachsen-Anhalt) aufweisen, nimmt Sachsen mit einer Rate bei 2.617 Euro einen stolzen zweiten Platz hinter Bayern auf der Liste der sparsamsten Bundesländer ein. Die Neuverschuldung soll bis 2009 gar auf Null sinken. Dafür will man mit einer Investitionsquote von 22 Prozent weiterhin Zeichen setzen. Der Freistaat wird zudem einen Pensionsfonds für Beamte einrichten, der die Finanzierung der Altersbezüge aller neuen Staatsdiener schon bei Dienstantritt regelt.
Doch die Solidität des Haushaltes hat ihren Preis, den auch die mitregierenden Sozialdemokraten in Kauf nehmen. Als "größtmögliche Schnittmenge aus Wünschen und Machbarem" bezeichnete Vize-MP Thomas Jurk den Haushaltsentwurf, der für die kommenden beiden Jahre ein Volumen von 15,4 beziehungsweise 15,5 Milliarden Euro umfasst. Erstmals wird es spürbare Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst geben. Bis September soll Finanzminister Horst Metz (CDU) ein Konzept vorlegen, mit dem die Zahl der Landesbediensteten von heute 95.000 auf 80.000 im Jahre 2010 abgebaut wird. Metz will selbst mit gutem Beispiel vorangehen und die Zahl der Finanzämter reduzieren. Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat bereits den Rotstift an 345 Polizistenstellen angelegt.
Harte Zeiten brechen für Lehrer in Sachsen an. Während der Grundschulbereich auf Drängen der SPD um 800, Förder- und Berufsschulen um 100 Stellen bereichert werden, müssen sich Gymnasial- und Mittelschullehrer auf Teilzeitregelungen einstellen. Dafür werden Investitionen zur schulischen Ganztagesbetreuung mit 139 Millionen Euro in diesem und 127 Millionen Euro im kommenden Jahr gefördert. Im Landtag wird die Regierungskoalition vor allem hinsichtlich der Stundenreduzierungen bei Lehrern der weiterführenden Schulen mit Gegenwind rechnen müssen. PDS und FDP haben bereits auf den seit Jahren starken Unterrichtsausfall an sächsischen Gymnasien und Mittelschulen hingewiesen. Zudem habe sich in der Vergangenheit im Grundschulbereich gezeigt, wie verheerend sich Teilzeitregelungen auf die Motivation von Lehrern auswirkten, meinte FDP-Fraktionschef Torsten Herbst.
Ein besonderes Augenmerk will die Staatsregierung auf den vorschulischen Bereich legen. 280 Millionen Euro bekommen die Kindertagesstätten im laufenden und noch einmal 283 Millionen Euro im kommenden Jahr; das entspricht einer Steigerung von knapp 20 Prozent. Insgesamt elf Millionen Euro werden an Personalkosten für das Schulvorbereitungsjahr zur Verfügung gestellt, das ab August in den Kindertagesstätten eingeführt wird.
Im April wird der Landtag über den Haushaltsentwurf beraten. Doch bis dahin droht der Staatsregierung noch einiges Ungemach. Das hat sie ausgerechnet Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zu verdanken, der als Aktivposten der CDU im Kabinett gilt. Er soll sich in dieser Woche vor dem Landtag erklären. De Maizière hatte einen missglückten Einsatz eines Spezialkommandos der Polizei gerechtfertigt, bei dem zwei unschuldige Menschen heimgesucht und deren beide Hunde erschossen worden waren. Das SEK hatte sich bei der Suche nach einem Dresdner Bordellbetreiber, dem Waffen- und Drogenbesitz vorgeworfen wurden, in der Tür geirrt. De Maizière galt lange Zeit als CDU-Hoffnungsträger und möglicher Nachfolger Georg Milbradts im Amt des Ministerpräsidenten. Doch nun bringt ihn eine unüberlegte Stellungnahme in Bedrängnis. Eine Entschuldigung bei den Opfern des SEK-Überfalls hatte der Innenminister abgelehnt. Seine Begründung: Es handele sich schließlich um die Schwester des gesuchten Bordellbesitzers und ihren Lebensgefährten - ausgerechnet ein Polizist -, die mit einem einschlägig Vorbestraften unter einem Dach wohnten. Sie hätten wissen müssen, dass in einer solchen Konstellation mit Polizeibesuchen zu rechnen sei. "Sage mir, mit wem du umgehst und ich sage dir, wer du bist", ließ de Maizière sich in diesem Zusammenhang zitieren. Seither muß er mit dem Vorwurf leben, in unverantwortlicher Weise Sippenhaftung propagiert zu haben. Der Minister, der von seinem wenig entschlussfreudigen Vorgänger eine durch Skandale und Irritationen über die geplante Neuorganisation der Polizei verunsicherte Ordnungshüter-Truppe übernommen hatte, soll bei internen Diskussionen der CDU-Fraktion nicht von seiner Bewertung des Vorfalls abgerückt sein. Man darf gespannt sein, wie er sich in dieser Frage vor dem Landtag präsentiert.