Bisher lassen die Erfolge des amerikanischen Engagements gegen den Drogenhandel auf sich warten
Es enbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Kolumbien die älteste Demokratie Lateinamerikas ist und gleichzeitig das gefährlichste Land der westlichen Hemisphäre. Zentrum des Problems dieses seit 1959 zerfallenen Staates ist nicht mehr wie zu Beginn des Bürgerkriegs der Kampf zwischen Arm und Reich, sondern das gigantische Drogengeschäft. Die gesamte kolumbianische Gesellschaft ist darin involviert. Die linksgerichteten Rebellen, die mehr als die Hälfte des Landes kontrollieren, bereichern sich hemmunglos am Drogenabau und -verkauf, bekämpft von faschistoiden, privaten Paramilitärs und der hoffnunglos unterlegenen Kolumbianischen Armee, die ebenfalls ins Drogengeschäft verwickelt ist. Während der Blick der Welt auf den Nahen Osten und den Irak gerichtet ist, geschehen in Kolumbien die gleichen Terrorakte: Autobomben zerfetzen Passanten, Granatmör-seranschläge, Entführungen oder ganz einfache Morde sind an der Tagesordnung. Nur: Mit Ausnahme der USA interessiert sich die Außenwelt überhaupt nicht für die Agonie Kolumbiens.
Für die Vereinigten Staaten stellt das strauchelnde Kolumbien mindestens ein ebenso bedrohliches Problem dar wie der internationale Terrorismus. Denn der Andenstaat im Norden des südamerikanischen Subkontinents ist Hauptlieferant von Kokain und Heroin für den amerikanischen Drogenmarkt.
Deshalb dehnte Präsident Bill Clinton im Jahr 1999 den "Krieg gegen Drogen" ins Ausland aus. Er entwickelte den so genannten "Plan Kolumbien", ein Versuch, den Drogenanbau vor der Haustür der USA zu zerschlagen. Diesen Überseekrieg wollte Clinton nicht mit eigenen Soldaten führen, sondern vielmehr die kolumbianische Armee so hochrüsten, dass sie endlich in der Lage wäre, den drogenanbauenden Guerrillas Herr zu werden. Als Nebeneffekt, so der Plan Clintons, würde in Kolumbien wieder Recht und Ordnung hergestellt und das gebeutelte Land am Ende zu einer stabilen Demokratie zurückgeführt werden.
Die Amerikaner rüsteten die Kolumbianer mit Hubschraubern und Kleinfugzeugen aus, damit diese tief im Rebellengebiet die Kokafelder mit Vernichtungsmitteln besprühen können. Außerdem stellte die US-Regierung 2,5 Milliarden Dollar zur Verfügung, um Drogenhändler zu bekämpfen. Hinzu kommen mehrere Tausend - eine genaue Zahl ist vom Pentagon nicht zu erfahren - amerikanische "Militärberater", die nach offiziellem Sprachgebrauch kolumbianische Einheiten im Kampf gegen die Drogen-Guerrilla ausbilden sollen. De facto aber handelt es sich überwiegend um Elitesoldaten, die mit Kommandounternehmen selbständig in Kolumbien schalten und walten und sowohl Rebellen als auch Paramilitärs bekämpfen. Dies ist ein echter Krieg der USA auf fremden Territorium. Da er aber nur die USA und Kolumbien betrifft, wird er von der Weltgemeinschaft nicht wahrgenommen.
Allerdings sind die militärischen Ergebnisse bisher bescheiden, da auch dieser Krieg als "Billigversion" geführt wird: Neben ausgebildeten amerikanischen Soldaten sind auch, wie im Irak, private Kontraktoren eingeschaltet. Dies führte dazu, dass seit 1999 mindestens 38 Flugzeuge zur Drogenbekämpfung in Kolumbien abgestürzt sind, "hauptsächlich wegen der mangelhaften Ausbildung und Erfahrung der Piloten", weiß eine Quelle zu berichten. Aber auch die eingesetzten Flugzeuge einer amerikanischen Privatfirma entsprechen offenbar nicht den internationalen Sicherheitstandards und verfügen oft noch nicht einmal über einen Bordcomputer. Diese Schlamperei verursachte nachweislich den Tod von 17 amerikanischen Spezialagenten - und stärkt deshalb nicht gerade die Moral der im Einsatz stehenden amerikanischen Truppen und Drogenfahnder. In anderen Fällen mussten Flugzeuge in Rebellengebieten notlanden, und Amerikaner gerieten so in die Hände derer, die sie jagten.
Nach fünf Jahren Dschungelkrieg fällt deshalb das Fazit insgesamt dürftig aus. Vor allem die amerikanischen "Ausbilder" in Kolumbien sehen ihre Tätigkeit zunehmend kritisch und glauben selbst, dass sie mehr Schaden anrichten als von Nutzen sind, wie aus gut unterrichteten Kreisen in der amerikanischen Hauptstadt zu erfahren ist. Die Kritik entzündet sich hauptsächlich daran, dass 80 Prozent der amerikanischen Gelder zur Drogenbekämpfung in Kolumbien in Waffen und Ausrüstung fließen, statt in Hilfsprogramme für drogenanbauende Kleinbauern. Auch wenn alle Koka-Felder mit Vernichtungsmitteln besprüht werden, führt dies zu keinem nachhaltigen Ergebnis, da die Drogenanbauer in nahezu unzugängliche Dschungelgebiete und Bergregionen ausweichen, die nahe der Grenzen zu Bolivien und Peru liegen. Hinzu kommt, dass diese Kleinbauern unter völliger Kontrolle der Guerrilla stehen, die ihnen keinen Alternativanbau anderer Produkte gestattet. Über die Jahre verkommt zudem das Wissen, ganz normale Nahrungmittel anzubauen. Wer jetzt Bauer in Kolumbien ist, kennt fast nur eine Pflanze: Koka.
Luis de Angulo vom Weatherhead Center für Außenpolitik der Harvard Universität bringt dieses Dilemma auf den Punkt: "Die USA sollten sich darauf konzentrieren, jene Flächen, die bis vor kurzem für den Koka-Anbau genutzt, aber mittels Sprühmittel verseucht wurden, wieder nutzbar zu machen. Vor allem aber sollten sie die bäuerliche Landbevölkerung gewinnen, indem sie regionale Entwicklungprogramme finanzieren, also die Bauern mittels moderner Anbautechniken und Alternativprodukte davon überzeugen, dass sie mit Nahrungsmitteln ebenso Gewinn machen können wie mit Koka-Anbau."
Gestützt werden solche Ansichten durch Studien der amerikanischen Drogenfahndung. Sie fanden heraus, dass seit Beginn des "Plans Kolumbien" kein Rückgang des Kokainschmuggels in die USA zu verzeichnen ist. Im Gegenteil: Im Startjahr 1999 nahm der Kokainexport in die USA sogar um elf Prozent zu.
Außerdem haben die Sprühaktionen der Amerikaner nicht nur die Kokaproduktion ruiniert, sondern auch die Felder und das Trinkwasser vergiftet, wodurch wiederum ein Teil der Landbevölkerung erkrankte beziehungsweise jeglicher Existenzgrundlage beraubt wurde. Bauern, die aus Unwissen auf den zerstören Koka-Feldern Nahrungsmittel anbauten, haben ganze Landstriche mit vergifteten Nahrungsmitteln verseucht; in bestimmten Regionen Kolumbiens herrscht deshalb Hungersnot.
Kurzum: Der "Plan Kolumbien" ist letztlich zu kostspielig, zu gefährlich für alle Beteiligten und im Endeffekt wirkungslos. Die einzige wirkliche Unterstützung, die Washington zur Bekämpfung des Drogenanbaus leisten kann, ist, die hilf- und orientierungslose Landbevölkerung aus der Armut herauszuführen. Würde die gleiche Menge Geldes in alternative Landbauprogramme sowie moderne Landmaschinen investiert werden, wie in Waffen und Militär, wäre längst mehr erreicht. Damit einhergehen müsste außerdem ein Bildungprogramm für jene Bauern, die keine andere Anbaupflanze als Koka kennen. Nichts aber ersetzt die Drogenbekämpfung in den USA selbst, glaubt Ted Carpenter vom Washingtoner Cato Institut. Erst wenn der Teufelskreis von Nachfage und Angebot in den USA selbst unterbrochen werde, also, wenn in den Vereinigten Staaten die Nachfage nach Kokain deutlich sinke, dann werde auch das Angebot weniger attraktiv und Kolumbien aus dem fatalen Drogenanbau herausgeführt, sagt Carpenter.