Europäischer Stabilitäts- und Wachstumspakt
Finanzen. Der derzeitige Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt stellt nach Auffassung der Deutschen Bundesbank keine ökonomische "Zwangsjacke" dar. Vielmehr sei der Pakt ausreichend flexibel und vor allem ein Instrument der Prävention, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme der Währungshüter zur öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 19. Januar. Die Sachverständigen nahmen zu dem Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ( 15/3957) Stellung, den Pakt zu modifizieren. Gegenstand der Anhörung waren darüber hinaus ein Antrag der CDU/CSU ( 15/3719), den Pakt nicht zu ändern, sowie ein Gesetzentwurf der FDP ( 15/3721), die Stabilitätskriterien in das Grundgesetz aufzunehmen.
Die Bundesbank befürchtete, dass eine Lockerung der Haushaltsregeln in den EU-Mitgliedstaaten zu Entwicklungen führen könnte, die Konflikte zwischen Finanz- und Geldpolitik wahrscheinlicher werden lassen. Der Anreiz zu solider Haushaltspolitik würde vermindert und es würden falsche Signale an jene Länder gesendet, in denen der Euro bislang noch nicht eingeführt wurde. Auch der Bundesrechnungshof plädierte dafür, an den "Eckpfeilern" des Paktes ohne Abstriche festzuhalten. Zu den Eckpfeilern sollten nach wie vor das öffentliche Defizit von höchstens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und das Schuldenstandskriterium von höchstens 60 Prozent des BIP gehören, weil sie erkennen ließen, ob die Haushaltsdisziplin eingehalten wird. Die Rechnungsprüfer schlugen darüber hinaus vor, den Pakt wirkungsvoller anzuwenden. Dies gelte vor allem für eine bessere Transparenz bei der Überwachung der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten. Auch könnte es sinnvoll sein, dem Schuldenstand mehr Gewicht beizumessen, hieß es weiter.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kam zu dem Ergebnis, dass der Pakt an seinen ökonomischen Konstruktionsfehlern gescheitert ist. Die Vorschläge der Koalition gingen den Wissenschaftlern nicht weit genug, während sie die Empfehlungen von Union und FDP für "ökonomisch kontraproduktiv" hielten.
Ein sinnvoll reformierter Pakt müsse einen klaren Bezug zur Schuldenstandsquote haben. Die zur Konsolidierung notwendige Zielgröße müsse auch tatsächlich kontrolliert werden können. Der nationalen Finanzpolitik sollten erst dann Begrenzungen auferlegt werden, wenn die Schuldenstandsquote den Referenzwert von 60 Prozent des BIP zu überschreiten droht. Statt einer Defizitquote sollte eine verbindliche Obergrenze für die Wachstumsrate der Staatsausgaben vorgegeben werden. Diese Obergrenze müsse unterhalb der durchschnittlichen Wachstumsrate des nominalen BIP der letzten sechs bis acht Jahre liegen.
Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel hielt es ebenfalls für sinnvoll, dem Schuldenstand mehr Bedeutung beizumessen. Die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform des Paktes wurden von den Kieler Experten negativ bewertet. Eine Finanzpolitik ohne bindende Regeln hätte gravierende Auswirkungen, hieß es. Daher sollten die Regierungen ihr Bekenntnis zum Pakt "in die Tat umsetzen".