Der Bundestag streitet über Konzepte zur Innovationspolitik
Mit einer Debatte über die richtige Weichenstellung für die künftige Forschungspolitik hat der Bundestag am 20. Januar seine Plenararbeit im neuen Jahr begonnen. Für die Regierungsseite spielte dabei der Begriff der Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle, die Opposition mahnte eine schlüssige nationale und internationale Innovationsstrategie für Deutschland an. Das Fazit über das bisher Geleistete und über die Konzepte der Regierung und ihrer Kontrahenten auf den Oppositionsbänken fiel wie gewohnt je nach der jeweiligen politschen Farbenlehre kontrastreich aus.
Für Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) befindet sich Deutschland - seit 1998 Rot-Grün die Regierung übernommen hat - auf Innovationskurs. "Unsere Politik zeigt Wirkung", sagte sie bei der Vorstellung des rund 800 Seiten starken Forschungsberichts der Bundesregierung. Die Koalition setze die richtigen Schwerpunkte und baue die Forschungsförderung in wichtigen Zukunftsbranchen aus. "Wir können uns sehen lassen", so die Ministerin über die Position der Bundesrepublik auf internationalen Märkten. In der Nanotechnologie sei Deutschland weltweit, in der Biotechnologie europaweit führend. Selbstlob zollte die Ministerin auch der Haushaltspolitik der Regierung: Die laufenden Budgetvorgaben seien ein klares Bekenntnis zu Bildung und Forschung. Trotz Konsolidierungsdrucks gebe Rot-Grün dafür insgesamt rund 10 Milliarden Euro aus. Der Anteil von Forschung und Entwicklung am Bruttosozialprodukt sei von 2,3 auf 2,5 Prozent gestiegen, führte Hans-Josef Fell (Bündnis 90/Die Grünen) an.
Dies beeindruckte die Opposition wenig. Auch sie hatte Zahlen parat. So sei der Anteil des Staates an der Finanzierung von Forschung und Entwicklung von Mitte der 90er-Jahre bis heute von 38 Prozent auf 31 Prozent gesunken, kritisierte Katherina Reiche für die Union. Auch der Anteil der Ausgaben für Bildung und Wissenschaft stagniere seit 1995 bei 9,1 Prozent. Dem pflichtete Ulrike Flach (FDP) bei. Die Gesamtausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung sinken 2005 von 11,6 auf 11,3 Milliarden Euro, zitierte Flach Angaben des Finanzministeriums. Dies bedeute "ganz eindeutig" 300 Millionen Euro weniger, rechnete sie vor und forderte gleichzeitig, die 500 Millionen Euro für die Flutopfer in Asien im Etat transparent zu machen. Die Regierung verpulvere Geld für PR-Schlachten, kritisierte zudem Reiche; 10 Millionen Euro lasse sich die Koalition das Einsteinjahr kosten und instrumentalisiere damit den großen Forscher, statt eine Innovationsstrategie vorzulegen. Die Unionsvorschläge lägen auf dem Tisch.
Die Sozialdemokratin Ulla Burchardt und Reinhard Loske von den Grünen warfen der Opposition ihrerseits ein Innovationsverständnis von gestern vor. Union und FDP liefen veralteten Technologien hinterher, die keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr hätten. Das beste Beispiel sei die Kernenergie und Kernfusion. Die Regierung investiere hingegen in den Umweltschutz und andere Zukunftstechnologien. In diesem Bereich seien inzwischen 1,5 Millionen Menschen beschäftigt - mehr als im Maschinen- oder im Flugzeugbau, so Burchardt.
Dem widersprach der Unionsabgeordnete Michael Kretschmer: Die USA, Japan und die EU setzten sich für die Kernfusion ein und stritten, wo der nächste Kernfusionsreaktor gebaut werden soll. Deutschland steige aber aus dieser Branche aus. Kretschmer wies ähnlich wie andere Redner der Opposition auf das Problem der Abwanderung von Wissenschaftlern aus Deutschland wegen schlechter Rahmenbedingungen hin. Dies ließ wiederum Bulmahn nicht gelten. Die Abwanderung habe bereits in der Regierungszeit von Schwarz-Gelb eingesetzt. Die fraktionslose Abgeordnete Gesine Lötzsch appellierte an die Regierung, die Gerechtigkeitslücke, die sie mit ihrer Politik vergrößert hätte, wieder zu schließen.