Schiller in Weimar - literarische Höhenflüge, feste Freundschaften und ein eigenes Haus
Friedrich Schillers erster Aufenthalt in Weimar brachte dem jungen Dichter eine Reihe von Enttäuschungen. Der 27-Jährige war eigentlich nur auf der Durchreise, als er am 21. Juli 1787 in der Stadt eintraf und im Hotel "Zum Erbprinzen" Quartier nahm. Er brannte darauf, die Weimarer "Riesen" endlich kennenzulernen. Auch auf eine Begegnung mit Herzog Carl August hoffte er. Doch weder ihn noch Goethe traf er an. Wieland nahm ihn freundlich auf, ließ aber erkennen, dass er mit seinen bisherigen Produkten "übel zufrieden" sei. Herder schließlich machte dem Neuankömmling deutlich, dass er nichts von ihm wisse, "als daß er für etwas gehalten wird".
Der "Räuber"-Dichter und Schöpfer wilder Spiele von Größe, Macht und Rebellion hatte in Weimar keinen unangefochtenen Ruf. Trotzdem blieb er und wandte sich zunächst voll und ganz der Historie zu. Nicht die Poesie, sondern die "Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung" wurde sein Hauptgeschäft, dem er sich in zehn- bis zwölfstündigen Arbeitstagen widmete. Zwar brachte auch das nicht die erhoffte Aufmerksamkeit, doch zumindest war es einträglicher als die reine Dichtung.
Goethe, dem der geistige Vater der "Räuber" und dessen theoretischer Überzeugungen alles andere als geheuer war, ging ihm lange Zeit schlicht aus dem Weg. Wirklich begegnet sind sich die beiden erst viel später nach einer Sitzung der "Naturforschenden Gesellschaft" in Jena, wo Schiller, seitdem man ihn als Geschichtsprofessor an die Universität berufen hatte, inzwischen lebte.
Die Allianz der zwei Dichter beruhte auf gemeinsamen Vorhaben und ist am besten in den Briefen dokumentiert, in denen sich beide vom literarischen Werk bis hin zum familiären Ereignis über alles austauschten, was sie bewegte. Die Korrespondenz mit mehr als 1.000 Briefen zählt heute zu den größten Kostbarkeiten im Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv. Zum 200. Todestag Friedrich Schillers wird vom 12. bis 21. Mai eine Ausstellung Einblicke in dieses einzigartigeZeugnis der Literaturgeschichte bieten.
Nach zehn Jahren in Jena kehrte Schiller 1799 nach Weimar zurück. Diesmal war er willkommen. Goethe vermittelte eine Wohnung, und der Herzog gewährte eine Erhöhung des "Gehalts" von 200 auf 400 Taler. Es war vor allem die intensive Arbeit am Hoftheater, die Schiller auf die Idee zum Umzug brachte.
Bereits die Wiedereröffnung des Theaters mit "Wallensteins Lager" am 12. Oktober 1798 hatte seine häufige Anwesenheit in der Stadt notwendig gemacht. Das setzte sich fort über die Inszenierung der "Piccolomini" bis zur Uraufführung von "Wallensteins Tod" am 20. April 1799. Im Dezember zog Schiller mit Frau Charlotte und den Kindern Ernst, Karl und Caroline in Weimar zunächst in das Haus des Perückenmachers Müller (heute Windischengasse 8), ganz in die Nähe seines späteren Hauses an der Esplanade.
In Jena hatte sich der Dichter zuletzt oft einsam und isoliert gefühlt, jetzt beflügelten ihn neue Hoffnungen, so dass er gewisse Schwierigkeiten gern in Kauf nahm: "... der hiesige Aufenthalt ist sehr viel theurer, als ich gedacht. Doch will ich lieber mehr zu verdienen suchen als die Vortheile des Orts missen, die auch für mein innres Wesen von Bedeutung sind".
Für Schiller begann eine äußerst produktive Zeit. Mit Goethe richtete er seine Dichtungen für das Theater ein, außerdem Bühnenbearbeitungen von Shakespeares "Macbeth", Lessings "Nathan" und Goethes "Iphigenie". 1800 wurde seine "Maria Stuart" in Weimar uraufgeführt, 1801 "Die Jungfrau von Orleans" in Leipzig, im Januar 1802 seine Fassung von Gozzis "Turandot" in Weimar.
Doch schon während der Arbeit an diesen Stücken flüchtete er aus der "lärmenden Gasse" nach Ettersburg, Oberweimar oder ins Jenaer Gartenhaus. Ein unruhiges Haus und eine geräuschvolle Straße störten ihn; mehrfach trug er sich mit dem Gedanken, ein eigenes Heim zu erwerben. Im Februar 1802 entschloss sich Schiller zum Kauf des Hauses an der Esplanade und schreibt an Göschen: "Ich habe dieser Tage endlich einen alten Wunsch realisirt, ein eigenes Haus zu besitzen. Denn ich habe nun alle Gedanken an das Wegziehen von Weimar aufgegeben und denke hier zu leben und zu sterben."
Dafür musste sich der Dichter allerdings hoch verschulden. 4.200 Taler kostete ihn das Haus. Um die Summe zusammenzubringen, erbat er sich Vorschüsse von seinen Verlegern Cotta, Crusius und Göschen. Seine Schwiegermutter und auch Goethe halfen ihm aus. Dennoch war, gegen Verpfändung des gerade erworbenen Hauses, eine Anleihe von 2.200 Reichstalern bei dem Kammergutspächter Weidner aus Niederroßla nötig.
Schiller kalkulierte Ausgaben und Einnahmen langfristig und präzise und bemaß danach sein Arbeitspensum. "Jährlich ein Stück" gegen 650 Reichstaler war fester Bestandteil seines 1801 und 1802 aufgestellten Arbeits- und Finanzplanes für die Jahre von 1804 bis 1808. Nach dem 1802 ausgestellten Lehensbrief konnten die Schillers "das Haus nebst Zubehör zu rechtem freien Erbgut innehaben, besitzen und gebrauchen".
Als der Dichter am 29. April 1802 in seinem Kalender den Umzug "in unser neues Haus" vermerkte, war er 43 Jahre alt und über die Landesgrenzen hinaus anerkannt. Er versprach sich vom neuen Domizil die "Annehmlichkeiten einer bequemen und gesunden Wohnung". Für ihn hieß das ein stilles, abgetrenntes Refugium zum Arbeiten, für Frau und Kinder genügend Freiraum in hellen, sonnigen Räumen. Entsprechend erfolgte die Aufteilung der Etagen des Vorderhauses.
Im Erdgeschoss befanden sich wie üblich die Wirtschaftsräume, in der ersten Etage die Räume der Familie und im Mansardengeschoss die Räume Schillers mit einem Arbeitszimmer, das von den Bewegungen und Geräuschen im Haus am weitesten entfernt lag. Unter Ausnutzung der Dachschräge wurden hier Bücherregale für Schillers Bibliothek eingezogen; ein in die Giebelwand gebrochenes Fenster sorgte für bessere Lichtverhältnisse am Schreibtisch.
Schiller lebte nur wenig mehr als fünf Jahre in der Weimarer Gemeinschaft, ein Zehntel der Zeit, die Goethe dort verbrachte. Im eigenen Haus an der Esplanade, die heute Schillerstraße heißt, waren dem Dichter nur knapp drei Jahre vergönnt. Der große Bühnenerfolg des "Wallenstein" hatte ihn darin bestärkt, sich künftig "ganz ausschließlich an das Dramatische (zu) halten". Im Sommer 1802 begann er in der Mansarde mit der Niederschrift der "Braut von Messina". Sein labiler Gesundheitszustand zwang ihn oft zu wochenlangem Pausieren; trotzdem konnte er das Trauerspiel bis zum Februar 1803 abschließen. Anfang März besprach er mit Goethe die Rollenverteilung, am 19. März fand die erste Darstellung statt.
Im selben Jahr schrieb Schiller seine letzte Ballade "Der Graf von Habsburg", am 25. August begann er mit der Ausführung des "Wilhelm Tell". Die Uraufführung fand am 17. März 1804 am Weimarer Hoftheater statt, die Berliner Erstaufführung folgte am 4. Juli.
Dem "Tell" schloss sich als letztes vollendetes Werk "Die Huldigung der Künste" an, ein lyrisches Spiel, das für die russische Großfürstin und spätere Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, Maria Pawlowna, verfasst und bei ihrer Ankunft in Weimar am 12. November 1804 uraufgeführt wurde. Im März 1805 nahm Schiller mit dem "Demetrius" ein weiteres Stück aus seinem Dramenplan in Angriff. Beständiges Kranksein, Fieberanfälle und Koliken behinderten sein Schaffen zunehmend. Dennoch waren umfangreiche Entwürfe und Skizzen abgeschlossen und der erste sowie der Anfang des zweiten Aktes ausgeführt, als Schiller am 1. Mai seine Arbeit endgültig abbrechen musste. Sein letztes Drama blieb Fragment.
Am 9. Mai 1805 starb Friedrich Schiller im Arbeitszimmer seines Hauses. Wenige Wochen vor seinem Tod hatte der Schwerkranke sein Bett in diesen Raum bringen lassen, um die kurzen Phasen besseren Befindens leichter zur Arbeit nutzen zu können. Schillers erste Begräbnisstätte war das Kassengewölbe auf dem Jakobsfriedhof, so genannt nach der "Landschaftskasse", die das Grabgewölbe für angesehene Bürger Weimars, die kein eigenes Erbbegräbnis besaßen, zu Verfügung stellte. Der Dichter wurde hier am 12. Mai 1805 bestattet.
Im März 1826 exhumierte man ihn und gab ihm - nachdem sein Schädel für einige Monate in den Sockel der bekannten Büste von Johann Heinrich Dannecker im Rokokosaal der herzoglichen Bibliothek niedergelegt worden war - am 16. Dezember 1827 in der eben fertiggestellten Fürstengruft auf dem Historischen Friedhof seine letzte Ruhestätte.
Schillers Haus an der Esplanade mit der gelben Fassade wurde schon Museum, als in Goethes Haus am Frauenplan noch die Nachfahren des Dichters lebten. Nach dem Tod von Schillers Witwe 1826 hatten die Kinder das Haus verkauft. 1847 erwarb es die Stadt Weimar, um es der Nachwelt zu erhalten. Zunächst wurde nur das Arbeitszimmer, später die gesamt Mansarde als Erinnerungsstätte eingerichtet. Dabei konnte man sich auf die Hilfe noch lebender Nachfahren stützen, die authentische Möbel nach Weimar zurückgaben. Bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus wurde das Haus dann immer wieder umgestaltet; 1863 zog die Schillerstiftung hier ein, später auch die Goethe- und die Shakespeare-Gesellschaft.
Sein heutiges Gesicht erhielt das Schillerhaus nach einer umfassenden Restaurierung von 1985 bis 1988. Unmittelbar hinter dem historischen Haus entstand damals in einer Nachkriegsbaulücke ein Schiller-Museum. Das Wohnhaus wurde nach alten Befunden und Archivmaterial wieder annähernd so gestaltet wie zu der Zeit, als Friedrich Schiller hier mit seiner Familie lebte.
Die Mansarde mit dem Arbeitszimmer gilt dabei als weitgehend authentisch; die Wirtschaftsräume im Erdgeschoss und die Räume der Familie in der ersten Etage sind analog mit überlieferten Stücken aus Familienbesitz inszeniert. Nachgewiesen für die Schiller-Zeit ist die Ausstattung der Räume mit lebhaft gemusterten farbigen Tapeten. Diese Tapeten und Bordüren wurden aufwändig, zum Teil per Hand nachgefertigt.
Im Weimarer Schiller-Museum waren seit Ende der 90er-Jahre wechselnde Ausstellungen zu sehen. Zum 200. Todestag des Dichters soll hier an den Dramatiker Schiller und seine Helden erinnert werden. Die Jubiläumsschau der Stiftung Weimarer Klassik mit dem Titel "Die Wahrheit hält Gericht - Schillers Helden heute" wird dabei vor allem der Frage nachgehen, was die Dramenstoffe Schillers für jede Generation aufs neue aktuell macht. Sie ist vom 9. Mai bis 10. Oktober zu sehen. Ab 30. Oktober wird dann im Schiller-Museum die Marbacher Ausstellung "Götterpläne &Mäusegeschäfte" gezeigt.
Der Autor ist freier Journalist in Weimar.