Zivilcourale lernen - was Politische Bildung dazu beitragen kann
Zivilcourage ist eine anspruchsvolle demokratische Tugend und ein wichtiges Element der demokratischen politischen Kultur. Politische Bildung kann dazu beitragen, dass Menschen motiviert und qualifiziert werden, aktiv einzugreifen und dort Zivilcourage zu zeigen, wo andere zögern. Das Buch von Gerd Meyer, Ulrich Dovermann, Siegfried Frech und Günther Gugel zeigt konkrete Trainings- und Handlungsmöglichkeiten für den produktiven Umgang und die friedliche Lösung von Konflikten in Schule und Beruf.
Zivilcourage oder sozialer Mut ist in vielen Lebensbereichen nötig und als demokratisches Verhalten in allen Lebensbereichen gefragt. Zivilcourage sollte als sozialer Mut verstanden werden. Es geht um den "aufrechten Gang" und um die Achtung der Menschenwürde, betonen die Autoren. Diese Tugend muss in den Alltag der Menschen Eingang finden und nach Möglichkeit als eine Selbstverständlichkeit für das menschliche Zusammenleben empfunden werden.
Zivilcourage ist eine anspruchsvolle, eine unbequeme Tugend. Sozial mutig handeln heißt, sichtbar und aktiv für humane und demokratische Werte eintreten. Zivilcourage ist in unserer Gesellschaft gefragt,
Ziel des Buches ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse und erprobte Modelle der politischen Bildung zum Thema Zivilcourage praxisnah darzustellen. Der erste Teil des Bandes vermittelt zunächst theoretische und konzeptuelle Grundlagen und enthält wissenschaftliche Analysen zum Verständnis von Zivilcourage in der modernen Gesellschaft. Dabei werden begriffliche und demokratietheoretische Grundlagen geklärt, dann die Ergebnisse empirischer Studien dargestellt.
Der zweite Teil vermittelt Erkenntnisse und Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis, welche Bedingungen und Chancen der Förderung von zivilcouragiertem Handeln es in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen gibt: am Arbeitsplatz, in der Gemeinde, an allen Schularten.
Siegfried Frech berichtet zum Beispiel über das Modell "Team Zivilcourage" der Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg. Es handelt sich um ein Praxismodell zur Förderung friedlicher Konfliktregelung an Schulen. Die Ausbildung von Multiplikatoren trägt dazu bei, dass durch Verfahren der Mediation Streit geschlichtet und couragiertes demokratisches Verhalten gefördert wird.
Sanem Kleff und Eberhard Seidel stellen das Praxismodell "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" vor. Ziel ist es, Rassismus, Gewalt und Rechtsextremismus in allen Schulformen zu mindern oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Entscheidend für das Gelingen sind Eigeninitiative und Selbstverpflichtung aller, die an einer Schule lehren und lernen. Schüler und Lehrer sind also gleichermaßen gefragt. Sie verpflichten sich zu kontinuierlicher Aktivität, um Toleranz und friedlichen Konfliktaustrag nachhaltig zu fördern. Aus meiner eigenen Schule als Leiter eines Gymnasiums in Nordrhein-Westfalen kann ich den Erfolg dieses Praxismodells bestätigen.
Der dritte Teil stellt praxiserprobte Modelle der politischen Bildungsarbeit vor und bietet vor allem konkrete Arbeitshilfen an, wie man Zivilcourage in konkret einüben und fördern kann. Dieser Teil stellt ausgewählte Seminarmodelle und Projekte vor und reflektiert Möglichkeiten der Evaluation. Der Serviceteil enthält eine Bibliographie auf Trainingshandbücher, relevante Adressen und anderes. Diese Trainings- und Seminardesigns sind mit detaillierten didaktisch-methodischen Erläuterungen, mit konkreten Hinweisen zum Vorgehen, mit Materialien und Kopiervorlagen versehen.
So kann zum Beispiel der "Mobbing Test" (auf Seite 336) sofort in einer Schulklasse eingesetzt werden. Das empfehlenswerte Arbeitsmaterial "Mobbing - Der Umkleideraum" veranschaulicht die "Spielarten" des subtilen Mobbings und die Möglichkeiten, wie man dagegen vorgehen kann.
Weitere konkrete Projektbeispiele zur Förderung sozialen Verhaltens werden zum Beispiel in den "Konfliktgeschichten" (328 ff.) angeboten. Als Ergänzung ist die CD-ROM "Konflikte XXL - Konfliktbearbeitung als Gewaltprävention" beigefügt. Dadurch werden zusätzliche multimediale Auseinandersetzungen mit dem Thema ermöglicht. Empfehlenswert sind die darin enthaltenen Filmszenen, die in anschaulicher Weise Handlungsmöglichkeiten in Konfliktsituationen veranschaulichen.
Fazit: Politische Bildung kann dazu beitragen, dass Schüler Zivilcourage lernen. Die Schule muss ein ermutigendes Klima für kritisches und sozial verantwortliches Handeln schaffen und politische Basiskompetenzen entwickeln, also grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten, die in modernen Gesellschaften für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben notwendig sind. Zivilcourage sollte nicht eingeschränkt werden auf Not- und Gefahrensituationen oder auf fremdenfeindliche oder rassistische Gewalt. Vielmehr sollten Jugendliche lernen, Verantwortung zu übernehmen, für humane Werte einzutreten und Mut im Alltag zu zeigen.
Dieses herausragende Buch möchte ich Lehrern aller Schulformen, Dozenten in Einrichtungen der Jugend- und Erwachsenenbildung, Sozialarbeitern sowie Mitarbeitern in friedenspädagogischen Projekten und Politikern in der Kommunal-, Landes- und Bundespolitik sehr empfehlen.
Gerd Meyer, Ulrich Dovermann, Siegfried Frech und Günther Gugel (Hrsg.)
Zivilcourage lernen.
Analysen, Modelle, Arbeitshilfen.
Bundeszentrale für politische Bildung und Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg,
Bonn /Stuttgart 2004; 448 S. mit zusätzlicher CD-ROM "Konflikte XXL".
Das Werk ist erhältlich bei der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn (www.bpb.de)