Damals ...vor 45 Jahren am 24. Mai: Regierungserklärung Adenauers zum Scheitern der Pariser Gipfelkonferenz
Am Anfang hatte alles vielversprechend ausgesehen: Als die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien, den USA und der Sowjetunion am 14. und 15. Mai 1960 nach und nach zur Gipfelkonferenz in Paris eintrafen, waren die verfeindeten Blöcke noch zuversichtlich, Lösungen für einen dauerhaften Frieden erarbeiten zu können. Doch am Vormittag des 16. Mai ließ der sowjetische Ministerpräsident Nikita S. Chruschtschow auf seiner Eröffnungsrede plötzlich und unerwartet die Katze aus dem Sack: Die Sowjetunion könne "nicht zu den Verhandlungspartnern gehören, wenn einer von ihnen den Treuebruch zur Grundlage seiner Politik gegenüber der Sowjetunion gemacht hat", erklärte er und forderte von den Anwesenden, dem amerikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower, dem Staatspräsidenten Frankreichs, Charles de Gaulle, und dem britischen Premier Harold Macmillan, die Konferenz um sechs bis acht Monate aufzuschieben. Als Grund für diesen Rückzieher nannte der Präsident das Eindringen eines amerikanischen Kriegsflugzeugs in den Luftraum der Sowjetunion einige Tage zuvor am 1. Mai. Für die Russen eine Provokation: Sie vermuteten Militärspionage und schossen das Flugzeug ab. Der Vorfall führte zum Scheitern der Pariser Konferenz, noch bevor die eigentlichen Verhandlungsthemen - Abrüstung, allgemeine Annäherung und die Berlin-Frage - zur Sprache gekommen waren, und bedeutete das vorläufige Ende der Entspannungsbemühungen.
Eine Woche später zeigte sich Bundeskanzler Konrad Adenauer vor dem Bundestag sichtlich verärgert angesichts des erfolglosen Ost-West-Gipfels. Die Reden Chruschtschows, erklärte er, ließen ernsthafte Zweifel an der Bereitschaft der Sowjetunion aufkommen, die politischen Fragen überhaupt zu erörtern und bei ihrer Lösung mitzuwirken. Es sei sogar ganz offensichtlich, so Adenauer weiter, "dass der sowjetrussische Regierungschef mit der vorgefassten Absicht nach Paris kam, die Konferenz zu sabotieren".
Dabei war es Chruschtschow selbst gewesen, der auf eine Gipfelkonferenz zur Vorbereitung eines Friedensvertrages mit Deutschland gedrängt hatte. Zuvor hatte er im November 1958 die drei Westmächte zum Abzug der alliierten Truppen aus Berlin und zur Übertragung der Hoheitsrechte für alle Zugangswege an die DDR aufgefordert. West-Berlin solle innerhalb einer Frist von sechs Monaten eine "freie und entmilitarisierte" Stadt werden - andernfalls werde eine "einseitige Aktion" den Viermächte-Status der Stadt beenden. Damit hatte Chruschtschow eine Krise um den Status der ehemaligen Reichshauptstadt ausgelöst, die die Welt mindestens einmal an den Rand eines Krieges führte.
Verhandeln wollten daher auch die Westmächte, doch bis man die unterschiedlichen Interessen und Befindlichkeiten der Beteiligten unter einen Hut gebracht hatte, vergingen fast zwei Jahre. Dann erst ei- nigte man sich auf das Treffen in Paris, um erste Schritte hin zu einer allgemeinen kontrollierten Abrüstung und einer Minderung der internationalen Spannung einzuleiten. Doch die Blockadehaltung Chruschtschows machte diese Pläne zunichte, was Adenauer vor dem Plenum des Bundestages zu deutlichen Worten veranlasste: "Es muss ausgesprochen werden, dass die Sowjetunion in diesen Tagen ein erschreckendes Maß an Verantwortungslosigkeit gezeigt hat", sagte er und stand mit dieser Einschätzung nicht allein: Alle Fraktionen waren sich einig, dass die Schuld für das Scheitern der Konferenz beim sowjetischem Ministerpräsidenten lag. Erich Ollenhauer, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, pflichtete Adenauer bei und erklärte, mit dem Verhalten der Sowjetunion seien "die Hoffnungen erschüttert worden, die in die Beratungen der vier Großmächte geknüpft worden waren".
Unterdessen hatte Chruschtschow nachgelegt. Auf einer Pressekonferenz am 18. Mai in Paris signalisierte er zwar weiterhin Bereitschaft, in Genf über eine Abrüstung zu verhandeln, reagierte aber auf "Pfui-Rufe" von Korrespondenten mit den Worten: "Es ist mir angenehm zu hören, wie die Lakaien des Imperialismus toben!" Dann bekräftigte er seine Forderung nach der Umwandlung West-Berlins in eine Freie Stadt.
Konrad Adenauer warnte Chruschtschow in seiner Erklärung davor, an diesen Plänen festzuhalten. Es müsse jedem, der von zukünftigen Verhandlungen spreche, klar sein, "dass die Bedrohung der Freiheit Berlins mit solchen Verhandlungen unvereinbar ist". Wie unvereinbar, sollte sich bald zeigen. Am 13. August 1961 lösten die sowjetischen Machthaber die Berlin-Krise auf ihre Weise. Sie zogen eine Mauer durch die Stadt und riegelten Ost-Berlin ab.