Spätestens am 18. Oktober konstituiert sich der 16. Deutsche Bundestag
Wie soll es weiter gehen? Dies ist derzeit die wohl meist gestellte Frage in Deutschland. In den vergangenen Tagen sind alle rechnerischen Möglichkeiten für eine Regierungsbildung durchexerziert worden: von der Großen Koalition über Ampel und "Jamaika-Koalition" bis hin zum tolerierten Minderheiten-Kabinett. Auch die Frage, wer eine wie auch immer gefärbte Regierung als Bundeskanzler führen wird, ob Angela Merkel, Gerhard Schröder oder keiner von beiden, ist unbeantwortet.
Doch trotz der vielen Fragezeichen, gibt es einen klar definierten Fahrplan, wie es weitergeht. Am 2. Oktober wird zunächst im Wahlkreis 160 (Dresden) nachgewählt und somit die Bundestagswahl vom 18. September abgeschlossen. Klar ist inzwischen auch, dass die stimmberechtigten Dresdner das Problem der fehlenden Mehrheiten für Schwarz-Gelb und Rot-Grün nicht mehr auflösen können.
Spätestens 30 Tage nach der Bundestagswahl - so ist es über Artikel 39 des Grundgesetzes geregelt - tritt der neue Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Da als Wahltag der 18. September gilt und nicht der Tag der Nachwahl am 2. Oktober in Dresden, wird sich der 16. Deutsche Bundestag spätestens am 18. Oktober konstituieren. Bis zum Tag der Konstituierung bleibt der 15. Deutsche Bundestag aber trotz Auflösung durch Bundespräsident Horst Köhler am 21. Juli und trotz Neuwahl im Amt. In der kommenden Woche, am 28. September, wird sich das Parlament beispielsweise erneut in Berlin versammeln, um über die Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan für weitere zwölf Monate zu beraten und abzustimmen. Gleiches gilt auch für den Bundeskanzler und die amtierende Bundesregierung. Sie bleibt nicht nur bis zum Tag der Konstituierung des Bundestages im Amt, sondern bis zur Wahl eines neues Bundeskanzlers durch das Parlament beziehungsweise bis zu dessen Vereidigung vor dem Bundestag und der sich anschließenden Ernennung der Minister und deren Vereidigung vor dem Bundestag. Damit ist gesichert, dass das Land zu keinem Zeitpunkt ohne eine handlungsfähige Regierung oder ein beschlussfähiges Parlament dasteht.
Mit der Konstitutierung des neuen Bundestages ist auch eines verwirklicht, über das in den vergangenen Tagen so heiß diskutiert und spekuliert wurde: der Wählerwille. Denn die wahlberechtigten Deutschen haben am 18. September nur über diese eine Frage abgestimmt: Welche Partei ist mit wieviel Mandaten im neuen Parlament vertreten? Alle anderen Fragen nach Kanzler und Koalitionen spielen zwar selbstverständlich für jeden Wähler und jede Wählerin bei der Stimmabgabe eine entscheidende Rolle, aber direkt abstimmen durfte darüber niemand. Insofern ist jedes Lamento, alles Spekulieren und Interpretieren des angeblich uneindeutigen Wählerwillens zwar verständlich, aber verfassungsrechtlich ohne Belang.
In der Frage nach dem nächsten Bundeskanzler wird erneut eine Person in das Zentrum der Aufmerksamkeit rücken, die im Laufe dieses Jahres bereits eine schwierige Frage hatte beantworten müssen: Horst Köhler. Der Bundespräsident muss - nachdem er darüber zu befinden hatte, ob er nach der gescheiterten Vertrauensfrage von Bundeskanzler Schröder den Bundestag auflösen soll oder nicht - nun dem Bundestag vorschlagen, wen er zum Kanzler wählen soll. Im ersten Wahlgang wird nur über den Vorschlag des Bundespräsidenten abgestimmt und der Kandidat ist nur dann gewählt, wenn er "die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereinigt" (Artikel 63 Grundgesetz).
Diese Regelung erhält vor der Situation, dass sowohl Schröder als auch Merkel die Kanzlerschaft für sich beanspruchen, eine besondere Brisanz. Wenn diese erforderliche Mehrheit nicht zustande kommt, kann der Bundestag in den anschließenden 14 Tagen einen Kanzler mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder wählen. Dabei können auch andere Kandidaten zur Wahl antreten. Die Anzahl der Wahlgänge ist nicht begrenzt. Sollte innerhalb dieser 14-Tagesfrist keiner der Kandidaten die erforderliche Mehrheit bekommen, so wird unverzüglich ein letzter Wahlgang anberaumt. In diesem ist jener Kandidat gewählt, der die meisten Stimmen erhält. Entspricht diese Stimmen-Mehrheit auch der Mehrheit der Bundestagsmitglieder, so muss ihn der Bundespräsident innerhalb einer Woche zum Kanzler ernennen - wenn nicht, dann kann er ihn ernennen. Er kann den Bundestag aber auch erneut auflösen und Neuwahlen herbeiführen.