Die neue intellektuelle Rechte in Deutschland
Prominente Namen waren damals in dem Band zu finden, etwa der Schriftsteller Botho Strauß, der ehemalige Sächsische Justizminister Steffen Heitmann, Klaus Rainer Röhl, der von der linken Publizistik kommend sich nun neu politisch einordnete, der Philosoph Rüdiger Safranski, der Historiker Ernst Nolte und dessen Doktorandin Brigitte Seebacher-Brandt, die als Verfechterin einer national-konservativen Sozialdemokratie gilt, als auch einige weithin unbekannte Autoren.
Konsens dieser Ansätze sind das Eintreten für Wahrhaftigkeit, Autorität, patriarchale Ordnung, Härte und nationale Abschottung. Dabei soll die deutsche Verantwortung für Holocaust und Nationalsozialismus relativiert werden. Ein wesentliches Kennzeichen der neuen intellektuellen Rechten ist ihr Verbleib auf dem kulturkritischen Terrain und der Verzicht auf die Teilnahme an der politischen Willensbildung im Rahmen von Parteien.
Die Berliner Literaturwissenschaftlerin und Philosophin Gabriele Kämper untersucht die rhetorischen Figuren dieses Bandes und erhebt zwingende Fragestellungen zu den Zielen dieser Schrift. Worauf basiert die Wirkungsmöglichkeit von Begriffen und Rhetorik politischer Sprache? Woher rührt die emotionale Überzeugungskraft? Inwieweit speist sich diese aus Bildern von Geschlechtlichkeit?
Wesentlich auch für weitere Auseinandersetzungen ist die vorgenommene Analyse des Begriffsfeldes der neuen intellektuellen Rechten. Die versuchte Selbstdefinition zeugt von Ursachen, Wurzeln, Verfahrensweisen und Gruppenbezügen, die tief im patriarchalen Kontext verwurzelt sind. Gleichermaßen offenbart die Skizzierung dieses Weges, dass die Zeit der Stigmatisierung vorbei ist. Die neuen intellektuellen Rechten sind etabliert und werfen ihre Netze über eine Gesellschaft, die es immer wieder schwer hat, ihre Mitte zu behaupten und sich mit den Peripherien auseinander zu setzen.
Die ideologischen Grundfiguren, die in unterschiedlichen Themen- und Fragestellungen bearbeitet werden, gipfeln im Ziel einer Neubestimmung der nationalen Identität der Deutschen. Ein zweites Postulat ist in der Behauptung und Verteidigung der fundamentalen Ungleichheit von Menschen und Nationen zu sehen. Die dritte Grundfigur lässt sich als Kampf gegen die political correctness beschreiben. Die vierte Grundfigur umfasst die Revision der gesellschaftlichen Veränderungen in Folge der 68er-Bewegung.
Von diesen Voraussetzungen ausgehend werden dieTexte unter geschlechtsspezifischen Kriterien untersucht. Die Autorin entmystifiziert die scheinbare Faszination der verwendeten poetischen Bilder. Mit der Rückbesinnung auf die männlichen Individuen als Kulturträger der Nation - sei es als identitätsstiftende Eliten, die sich von den Massen abheben, sei es als die den Familien vorstehenden Patriarchen oder als die Retter einer aus den Fugen geratenen Welt - werden tradierte Bilder, die noch immer im kollektiven Bewusstsein verankert sind, abgerufen und sollen so zur Neu-Inszenierung einer sich selbstbewusst gebenden männlichen Nation beitragen.
Diese Verfahren sind nicht neu. So haben männliche Inszenierungsmodelle des 18. Jahrhunderts bis in die Metaphern und Assoziationsketten als Vorbild gewirkt. Das männliche Subjekt und die herauf beschworene neue Nation verschmelzen zu einer Einheit. Männliche Bilder und Rituale werden sowohl mit Macht und Herrschaft als auch mit steter Wachsamkeit und ordnender Hand in Verbindung gebracht. Vorbei scheinen die Zeiten der Erschütterung zu sein, die die Moderne mit sich gebracht hat; diesen Konzepten stehen die Exklusivität der Männerbünde und patriarchale Idyllen gegenüber. Feministische Ansätze sowie Fragen nach Geschlechtergerechtigkeit werden von den neuen intelellektuellen Rechten einer schonungslosen Kritik unterzogen und passen nicht in die entworfenen Muster.
Die Autorin verweist zu Recht darauf, dass Polarisierungen nicht einfach zu halten sind, und so entstehen Zukunftsvisionen, die zum einen feministische Ideen zum Ideal stilisieren, die notwendige Umsetzung dagegen nach wie vor verteufeln.
In der gegenwärtigen Situation, in der die Diskussion stabiler Werte immer lauter wird, ist für diese Ideen ein Nährboden vorhanden. Es ist an der Zeit, die ständige Auseinandersetzung mit verschiedenen Konzepten zu forcieren, um nicht neue Zuweisungen entstehen zu lassen.
Daher liegt es an den mündigen Leserinnen und Lesern, sich mit diesen Texten - sowohl den Essays der neuen intellektuellen Rechten als auch mit diesen äußerst spannenden Analysen - intensiv zu beschäftigen.
Gabriele Kämper
Die männliche Nation. Politische Rhetorik der neuen intellektuellen Rechten.
Böhlau Verlag, Köln Weimar Wien 2005; 347 S., 37,90 Euro